Stimmrechtsalter 16Minderjährige prägen Glarner Politik
Der Kanton Uri entscheidet am Sonntag über das Stimm- und Wahlrechtsalter 16. Bisher sind in der ganzen Schweiz alle entsprechenden Vorstösse gescheitert. Einzige Ausnahme ist der Kanton Glarus - mit durchschlagendem Erfolg. Dort prägen heute die Jugendlichen die Politik mit.
- von
- Amir Mustedanagic
Am Sonntag gilt es ernst für die Jugendlichen in Uri: Der Kanton stimmt über die Volksinitiative «Aktives Stimm- und Wahlrecht 16» ab. Geht es nach dem Urner Regierungsrat, sollen die Jungen in Zukunft über das politische Geschehen im Kanton mitentscheiden können. Trotz dieser Unterstützung sind die Erfolgsaussichten für den kantonalen Vorstoss der Jungsozialisten ernüchternd: Alle bisherigen Vorstösse in der Schweiz hat das Stimmvolk abgelehnt - mit einer Ausnahme. Der kleine Bergkanton Glarus überraschte an der Landsgemeinde im Mai 2007 die gesamte Schweiz und senkte das aktive Stimm- und Wahlrechtsalter von 18 auf 16 Jahre.
In rund der Hälfte aller Kantone wurde vor und nach dem Glarner Entscheid über eine Senkung diskutiert und teilweise abgestimmt. Angenommen hat sie noch keiner. Und nicht nur das: In den meisten Kantonen fiel die Ablehnung massiv aus. In Basel etwa schickte das Stimmvolk im März einen entsprechenden Vorschlag mit 70 Prozent Nein-Stimmen bachab. Und auch auf Bundesebene scheiterten mehrere Bemühungen, das Stimmrechtsalter zu senken. Der Nationalrat lehnte erst vergangenen September eine parlamentarische Initiative der Berner SP-Nationalrätin Evi Allemann ab.
Glarus: «Das Geheimnis ist die Landsgemeinde»
Für die Pioniere aus Glarus ist die Ablehnung keine Überraschung: «Hätten wir an der Urne abstimmen müssen, wäre der Antrag chancenlos geblieben», sagt der Glarner Ratsschreiber Hansjürg Dürst. Er ist überzeugt, dass der progressive Entscheid auf die konservative Abstimmungsform zurückzuführen ist. Die Gegner des Vorstosses hätten sich an der Landsgemeinde ungeschickt geäussert, während sich die Redner der Jungen wortgewandt präsentierten. «Letztlich ist die Stimmung zu Gunsten der Jugendlichen gekippt», so Dürst.
Der fortschrittliche Entscheid zu Gunsten der Jugend hatte positive Folgen für den Kanton: «Die Jungen kommen seither zahlreich und gerne an die Landsgemeinde», sagt Dürst. Dies merke man auch an den Abstimmungsresultaten. Im Gegensatz zu eidgenössischen Abstimmungen, wo die 16- und 17-Jährigen nicht stimmen dürfen, fielen Entscheide an der Landsgemeinde laut Dürst weniger deutlich und konservativ aus. «Die Jungen bringen frischen Wind in das politische Leben.» Deshalb könne er mit ruhigem Gewissen jedem Kanton empfehlen das Stimmrechtsalter 16 anzunehmen, sagt Dürst. «Die Senkung motiviert politisch interessierte Jugendliche und bietet ihnen eine Partizipationsmöglichkeit.»
«Die Zeit ist einfach noch nicht reif»
Genau diese Möglichkeit fehle den Jungen im Moment, findet Evi Allemann. Für die SP-Nationalrätin ist das Stimmrechtsalter 16 wichtig für die Einbindung der Jungen in die Politik: «Ein tieferes Stimmalter schliesst die Lücke zwischen politischer Bildung in der Schule und der Möglichkeit, selbst abzustimmen», sagt sie. Dies verhindere, dass die Jugendlichen das Interesse an der Politik verlieren und das Gefühl haben, politische Entscheide beträfen sie nicht. «Junge interessierte Menschen können sich politisch engagieren und so Kollegen anstecken.»
Vom begrenzten Erfolg der bisherigen Vorstösse lässt Allemann sich nicht entmutigen. Das Frauenstimmrecht habe auch mehrere Anläufe und Jahrzehnte gebraucht, bis es angenommen wurde, sagt Allemann. «Die Zeit ist einfach noch nicht reif für eine Senkung des Stimmrechtsalters.»
Bier gegen Stimme
Das Urner Jugendkomitee für das Stimmrechtsalter 16 hat vergangenen Freitag an einem Stand Abstimmungsbriefe frankiert und dazu Freibier angeboten. Die Aktion stiess bei der örtlichen SVP auf heftige Kritik. Diese monierte, es handle sich um Stimmenfang und sei klar widerrechtlich.
«Wir stehen voll und ganz hinter dieser Aktion», sagt Flavio Gisler, Präsident der Jungen CVP Uri und Mitorganisator. Er versteht den Ärger der SVP nicht: Die Aktion sei keinesfalls Stimmenfang gewesen. Die Leute seien mit geschlossenen Couverts gekommen und seien lediglich dafür belohnt worden, dass sie überhaupt abstimmen. «Es hätte jeder ein Nein einlegen können», so Gisler. Man habe nur grundsätzlich zum Abstimmen animieren wollen. Gisler: «Die SVP Uri fürchtet wohl eher, dass die Initiative am Sonntag nicht abgelehnt wird.» (amc)