LGBTQI+ im Job - «Mir war es wichtig, mich als schwuler Mann bei der Arbeit vorzustellen»

Publiziert

LGBTQI+ im Job«Mir war es wichtig, mich als schwuler Mann bei der Arbeit vorzustellen»

Die Mehrheit der LGBTQI+-Menschen in der Schweiz reden im Job nicht über die sexuelle Orientierung und das Geschlecht. Dabei wäre das wichtig für das Unternehmen.

von
Barbara Scherer
1 / 9
39 Prozent der Arbeitnehmenden in der Schweiz teilen ihren LGBTQI+-Status mit den Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz.

39 Prozent der Arbeitnehmenden in der Schweiz teilen ihren LGBTQI+-Status mit den Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz.

The Gender Spectrum Collection
Dabei legen Mitarbeitende die sexuelle Orientierung und das Geschlecht nicht offen, weil sie das berufliche und private Leben trennen möchten.

Dabei legen Mitarbeitende die sexuelle Orientierung und das Geschlecht nicht offen, weil sie das berufliche und private Leben trennen möchten.

The Gender Spectrum Collection
Gerade im Lebenslauf kommt es durch die Angabe des Zivilstands aber oft zu einem Outing.

Gerade im Lebenslauf kommt es durch die Angabe des Zivilstands aber oft zu einem Outing.

The Gender Spectrum Collection

Darum gehts

  • Schweizer Arbeitnehmende sprechen selten über ihren LGBTQI+ Status bei der Arbeit.

  • Sie wollen Privates und Berufliches trennen.

  • Eine betroffene Person erklärt, warum es trotzdem wichtig ist über sexuelle Orientierung und Geschlecht im Job zu sprechen.

Wer ist verheiratet oder in einer Partnerschaft und wer hat Kinder: Diese Informationen sind nicht wichtig für den Job – werden aber unter Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen gerne besprochen. Die Mehrheit der Schweizer Arbeitnehmenden trennen Berufliches und Privates aber gerne. Darum teilen auch die wenigsten ihre sexuelle Orientierung am Arbeitsplatz mit.

So informieren gerade einmal 39 Prozent der LGBTQI+-Menschen in der Schweiz ihre Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz über die sexuelle Orientierung und das Geschlecht. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Personaldienstleisters Manpower. In Deutschland sind es hingegen 80 Prozent.

Outing findet im Lebenslauf statt

Gerade im Lebenslauf kommt es durch die Angabe des Zivilstands zu einem Outing: Verheiratet können bisher nur heterosexuelle Personen sein, ansonsten wird eine eingetragene Partnerschaft aufgeführt. «Diese Form des Zwangsoutings würde mit der Annahme der Ehe für alle wegfallen», sagt Maria von Känel, Geschäftsleiterin vom Dachverband Regenbogenfamilien.

Es müsse immer den betroffenen Personen selbst überlassen sein, ob sie sich bezüglich ihrer sexuellen Orientierung und ihres Geschlechts im Arbeitsumfeld outen wollen. «Denn beim Job muss die Leistung im Zentrum stehen, nichts anderes», sagt von Känel.

Es sei wichtig, dass Unternehmen eine inklusive Sprache verwenden und Vielfältigkeit thematisieren, erklärt von Känel. So fühlen sich LGBTQI+-Personen wahrgenommen und outen sich eher. Firmen sollten sich laut von Känel immer für mehr Vielfalt einsetzen: «Das fördert die Kreativität der Arbeitnehmenden und das zahlt sich wiederum fürs Unternehmen aus.»

Schräge Blicke in der Kaffeepause

Dass sich in der Schweiz nur so wenige LGBTQI+-Menschen am Arbeitsplatz outen wollen, kann Jan Müller (23) verstehen. Denn es gebe Bereiche und Arbeitskulturen, die ein Outing schwierig und unangenehm machen. Das könne in jeder Branche der Fall sein, wenn die Firmen wenig Wert auf Vielseitigkeit legen.

«Mir persönlich war es immer wichtig, mich als schwulen Mann bei der Arbeit vorstellen zu können. Diese Entscheidung ist ein Privileg, das allen zustehen sollte», so Müller, der im Vorstand von Pink Cross, dem Dachverband für schwule und bisexuelle Männer, ist.

Darum habe er sich auch nur bei Unternehmen beworben, die Wert auf Offenheit und Vielseitigkeit legen. So machte Müller eine Lehre bei einem grossen Möbelhaus. Dort seien Personen aus vielen verschiedenen Kulturen und Religionen vertreten. «In der Kaffeepause kam es dann schon auch mal vor, dass mich Mitarbeitende schräg angeschaut haben, als ich von meinem Freund gesprochen habe», erklärt Müller.

Abwertende Bemerkungen habe er aber nie direkt miterlebt. «In anderen Abteilungen sind vielleicht mal dumme Sprüche und Witze über homosexuelle Männer gefallen», so Müller. Diese seien zwar nicht direkt gegen ihn gerichtet gewesen – getroffen habe es ihn trotzdem.

Vorbildfunktion bei der Arbeit übernehmen

Inzwischen arbeitet Müller bei der SBB in der Personalabteilung und teilt aktiv mit, dass er homosexuell ist. «Ich übernehme damit eine Vorbildfunktion und möchte andere Mitarbeitende ermutigen, dass sie am Arbeitsplatz sich selber sein können», erklärt Müller.

Zwar sei sexuelle Orientierung und Geschlecht eine private Angelegenheit. Jedoch verbringe man sehr viel Zeit bei der Arbeit und das Privatleben werde automatisch besprochen. «Dann möchte ich von meinen Ferien mit einem Partner sprechen können, wie alle anderen das auch tun.» Wäre das nicht möglich, bedeutet das Stress.

«Können Arbeitnehmende sich selber sein, sind sie motivierter»

Daniela Frau ist Diversity Management Beauftragte an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW School of Management & Law.

Daniela Frau ist Diversity Management Beauftragte an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW School of Management & Law.

ZHAW

Warum sollten sich Menschen am Arbeitsplatz outen?

Daniela Frau: «Die Sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität bei der Arbeit zu verstecken, braucht viel Energie. Diese geht dann bei der Arbeit verloren. Können Arbeitnehmende sich selber sein, sind sie motivierter und leistungsbereiter. Davon profitiert das Unternehmen. Auch kann eine Firma von der Sichtweise der LGBTQI+-Personen profitieren. Denn sie können sich besser in homosexuelle oder transsexuelle Kunden versetzen und diese dadurch besser beraten.»

Warum wollen dann viele Schweizerinnen und Schweizer Privates und Berufliches getrennt halten?

«Das könnte an der schweizerischen Arbeitskultur liegen. Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität werden in vielen Firmen als Privatsache angesehen. Doch gerade für LGBTQI+-Menschen ist diese ein Teil der eigenen persönlichen Identität. Internationale Firmen wissen das und thematisieren Vielfalt darum aktiv. Schweizerische Unternehmen haben in diesem Bereich Aufholbedarf.»

Was können Unternehmen tun, damit sich LGBTQI+-Menschen outen?

«Firmen müssen bereit sein, Vielfalt zu thematisieren und aktiv zu leben. Dafür müssen die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit Expertinnen und Experten zu Rat gezogen werden können und Führungskräfte sowie Angestellte geschult werden. Ein Outing sollte am Arbeitsplatz auch professionell begleitet werden. Denn gerade bei Transmenschen handelt es sich um ein hochsensibles Thema.»

LGBTIQ: Hast du Fragen oder Probleme?

Hier findest du Hilfe:

LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133

Du-bist-du.ch, Beratung und Information

Lilli.ch, Information und Verzeichnis von Beratungsstellen

Milchjugend, Übersicht von Jugendgruppen

Elternberatung, Tel. 058 261 61 61

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

My 20 Minuten

Als Mitglied wirst du Teil der 20-Minuten-Community und profitierst täglich von tollen Benefits und exklusiven Wettbewerben!

Deine Meinung

2 Kommentare