Lovely Me: «Mir wurde der gesamte Magen rausoperiert»

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Lovely Me«Mir wurde der gesamte Magen rausoperiert»

Sina (22) bekam plötzlich Probleme mit saurem Aufstossen, teilweise erbrach sie Blut. Schnell zeigte sich, dass ihre Magensäure anfing, ihre Speiseröhre zu zersetzen. Nach mehreren erfolglosen Operationen war klar: Ihr Magen muss komplett raus.

Vincent Vogler
von
Vincent Vogler
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Sina wurde im vergangen Oktober im Alter von 22 Jahren der gesamte Magen entfernt.

Sina wurde im vergangen Oktober im Alter von 22 Jahren der gesamte Magen entfernt.

privat
Der Grund: Ihr Körper produzierte zu viel Magensäure, sodass diese bis in ihre Speiseröhre und ihren Mund floss.

Der Grund: Ihr Körper produzierte zu viel Magensäure, sodass diese bis in ihre Speiseröhre und ihren Mund floss.

privat
Mit 17 Jahren traten die ersten Symptome wie aus dem Nichts auf. 

Mit 17 Jahren traten die ersten Symptome wie aus dem Nichts auf.

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Darum gehts!

  • Sinas Körper begann vor fünf Jahren, zu viel Magensäure zu produzieren.

  • Medikamente haben nicht geholfen: Ihr gesamter Magen musste entfernt werden.

  • In der Operation wurde ihre Speiseröhre direkt mit dem Darm verbunden.

Sina, was macht dich besonders?

Vor etwa fünf Jahren, als ich 17 war, hatte ich plötzlich regelmässig saures Aufstossen. Anfangs ignorierte ich das, doch es wurde nicht besser, im Gegenteil: Ich habe teilweise sogar Blut erbrochen. Eine Magenspiegelung ergab, dass meine Magenschleimhaut und Speiseröhre entzündet waren. Grund: Mein Körper produzierte zu viel Magensäure, sodass diese in meine Speiseröhre und teilweise sogar bis in meinen Mund gelangte. Das führte zu wahnsinnigen Schmerzen, es fühlte sich an, als hätte ich innere Schürfwunden. Anfangs machte ich mir aber nicht allzu viele Sorgen und dachte, mit Medikamenten könne man das wieder in den Griff bekommen, da die Reflux-Krankheit ja sehr häufig vorkommt. Leider haben die medikamentösen Therapien nicht angeschlagen, obwohl viele verschiedene Wirkstoffe ausprobiert wurden.

In den kommenden Jahren folgten dann sechs Operationen, in denen man versuchte, die Säure unter Kontrolle zu bekommen. Unter anderem setzen mir die Ärzt*innen ein Implantat ein, das verhindern sollte, dass Magensäure in die Speiseröhre gelangt. Sämtliche Eingriffe blieben allerdings längerfristig erfolglos. Der Reflux schränkte mich in meinem Alltag stark ein. Ausserdem bestand die Gefahr, dass ich mit den Jahren durch das ständig entzündete Gewebe Magenkrebs entwickle. Mitte 2020 haben wir dann entschieden, dass es gegen die Entzündung nur noch eine einzige Behandlungsmöglichkeit gibt: Mir wurde im Alter von 22 Jahren der gesamte Magen entfernt.

Was ist Reflux?

Mediziner sprechen von der Refluxkrankheit, wenn Magensäure in Speiseröhre oder Mund und Rachen fliesst und zu Magenbrennen führt. Normalerweise verhindert ein Schliessmuskel zwischen Magen und Speiseröhre diesen Rückfluss. Grosse Mahlzeiten, starkes Übergewicht, Rauchen und Alkohol, aber auch Stress können dafür verantwortlich sein, dass der Magen nicht mehr richtig abgedichtet wird. Gelegentlich saures Aufstossen ist aber normal: Jeder Siebte leidet ein- bis zweimal pro Woche darunter. Die Refluxkrankheit gehört damit zu den häufigsten Magen-Darm-Beschwerden. Es ist wichtig diese Beschwerden zu behandeln, da es sonst zu unangenehmen Komplikationen wie einer Entzündung der Speiseröhre kommen kann.

Wie geht es dir jetzt?

Ich habe mich von der OP erholt. Die Schmerzen sind deutlich weniger geworden und ich fühle mich besser. Leider habe ich immer noch regelmässiges Aufstossen, zum Glück aber ohne die aggressive Magensäure, dadurch ist die Entzündung auch kaum mehr ausgeprägt. Es ist unangenehm und hindert mich vor allem beim Laufsport und beim Essen. Neben den körperlichen Beschwerden belastete es mich lange natürlich auch mental, wenn ich daran denke, dass mir in diesem Alter schon ein wichtiges Organ operativ entfernt werden musste. Letztlich ist es aber ein grosser Fortschritt im Vergleich dazu, wie es mir mit dem Magen ging und mittlerweile bin ich froh, dass ich den Mut für diesen Eingriff hatte.

Inwieweit beeinflusst dich der Eingriff?

Nachdem sie mir den Magen entfernt hatten, nähten die Ärzt*innen meine Speiseröhre direkt an den Darm an. Dadurch kann ich weiterhin Nahrung zu mir nehmen und verdauen. Da mein Körper keine Magensäure mehr produzieren kann, die die Verdauung ankurbelt, lebe ich mit ein paar Einschränkungen: Ich muss streng auf meine Ernährung achten und kann nicht mehr alles essen. Salat ist beispielsweise nicht mehr verdaulich für meinen Körper. Da die Nahrung nun direkt in den Darm geht, kann ich nur langsam essen und nur kleine Mengen zu mir nehmen. Insgesamt gewöhne ich mich aber immer besser an die besonderen Verhältnisse. Mein Alltag ist mittlerweile wieder normal, ich kann auch meiner Arbeit im Verkauf bei einer Bergbahn uneingeschränkt nachgehen.

Was hat dir geholfen, diese schwere Zeit zu überstehen?

Meine Freund*innen, Familie und Arbeitskolleg*innen haben mich sehr unterstützt und mir viel Kraft gegeben. Mir hat es auch sehr geholfen, wenn ich mich abgelenkt habe und so den Kopf lüften konnte. Sport und das Produzieren von Musik waren da der Schlüssel für mich. Im letzten Jahr habe ich meine erste Single veröffentlicht. Das hat mir viel Freude bereitet und Kraft gegeben. Ich möchte anderen Betroffenen Mut machen, auch bei schweren Entscheidungen nicht den Kopf hängen zu lassen, sondern das Beste aus der Situation zu machen.

Entsprichst du nicht den klassischen Schönheitsidealen, hast du viele Tattoos oder auch Body-Modifications? Hast du eine Krankheit, mit der du zu leben gelernt hast, oder hattest du einen Unfall und seither ist alles anders, aber nicht unbedingt schlechter? Dann erzähle uns davon! Für unser Format «Lovely Me» suchen wir Männer und Frauen, die nicht den klassischen Schönheitsidealen unserer Zeit entsprechen und sich trotzdem – oder gerade deswegen – wohlfühlen. Zeig dich, erzähle uns hier von deinen Erfahrungen mit Selbstliebe und Body-Positivity:

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