Jahrzentelang vertuscht: Missbrauchs-Skandal erschüttert BBC

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Jahrzentelang vertuschtMissbrauchs-Skandal erschüttert BBC

Über 200 Kinder soll BBC-Legende Jimmy Savile missbraucht haben – im Wissen seiner Kollegen. Eine kritische Doku wurde im letzten Moment gestoppt. Jetzt ist die Glaubwürdigkeit der Institution in Gefahr.

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Der eigentliche Skandal ist schlimm genug und beschäftigt die britische Öffentlichkeit seit Wochen (20 Minuten Online berichtete): Die 2011 verstorbene TV-Legende Jimmy Savile soll über Jahrzehnte Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht haben. Langsam sickerte durch, dass auch dass sein Arbeitgeber, die hoch angesehene BBC, offenbar davon wusste und trotzdem nichts unternahm. Nun wurde auch noch bekannt, dass im vergangenen Dezember eine BBC-Dokumentation über die dunkle Seite des Nationalhelden erscheinen sollte. Doch Peter Rippon, der verantwortliche Chefredaktor, stoppte die Ausstrahlung kurzfristig. Jetzt hat die BBC zwei Skandale am Hals.

Am Montag musste Rippon zurücktreten. Er hatte den besagten Beitrag in der Sendung «Newsnight» im Dezember 2011 gestrichen. Die BBC-Sendung «Panorama» nahm den Ball noch am selben Abend auf: Rippon habe auf Druck von oben gehandelt, behaupteten die Kollegen. Die für Weihnachten geplanten Gedenksendungen des kurz zuvor verstorbenen Savile hätten nach dieser Dokumentation unmöglich gezeigt werden können. Der Vorgang ist beispiellos: Man stelle sich vor, «10vor10» würde schonungslos über einen Skandal in der Redaktion der «Rundschau» berichten.

«Kulturproblem» der BBC

Ehemalige Mitarbeiter sagten in der Panorama-Sendung vom Montag aus, dass sie von Saviles Verbrechen wussten, aber hilflos waren. Bob Langley, ein ehemaliger Reporter, erinnerte sich an eine Veranstaltung, an der er Mädchen aus dem Wohnwagen Saviles aussteigen sah. Dieser soll später geprahlt haben, Sex mit ihnen gehabt zu haben. «Nehmen wir an, ich wäre zur BBC gegangen. Nichts wäre passiert, er hätte gesagt, es sei alles ein Witz gewesen», sagte Langley.

«Das ist die schlimmste Krise, die ich in meinen 50 Jahren bei der BBC erlebt habe», sagte der langjährige Auslandkorrespondent John Simpson. Wenn die Zuschauer dem Sender nicht mehr vertrauten, wäre das «sehr gefährlich» für die BBC.

Unabhängige Untersuchung

Der Fall beschäftigt auch die Politik. Am Dienstag musste BBC-Generaldirektor George Entwistle vor der Kulturkommission des britischen Unterhauses Rede und Antwort stehen. Er sprach von einem «Kulturproblem» der BBC, das Savile erlaubt habe, seine Schandtaten ungestraft zu begehen. Gleichzeitig lobte er die Belegschaft. Dass eine Sendung eine andere untersucht und kritisiert, sei nicht Ausdruck des «Chaos» sondern der «Gesundheit» eines Medienunternehmens.

Neben den Ermittlungen der Polizei – über 200 angebliche Opfer Saviles haben sich gemeldet – hat auch die BBC eigene Untersuchungen eingeleitet. Nick Pollard, der ehemalige Nachrichtenchef des privaten Konkurrenzsenders Sky, soll herausfinden, warum die ursprüngliche Dokumentation vergangenen Dezember gestrichen wurde.

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