SpanienMit 22 Jahren sind viele schon sexsüchtig
Spanische Teenager finden es völlig normal, für Sex zu bezahlen. Anfang zwanzig kommen die ersten von ihnen schon in die Sexsucht-Klinik.
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Wenn Lucas und Javier, zwei 21-jährige Studenten aus Madrid, an einem Samstagabend nichts zu tun haben, steigen sie in Lucas' Auto und fahren zum Strassenstrich in Colonia Marconi südlich der Stadt. Sie drehen ein paar Runden, überprüfen «die Ware». Sie suchen sich eine Frau aus, die ihnen gefällt, und verhandeln den Preis. Dann steigt einer von ihnen aus dem Wagen, während sich der andere mit der Prostituierten vergnügt. Sobald er fertig ist, kommt der andere dran.
Szenen wie diese sind unter jungen Spaniern bereits üblich. Laut einem Bericht der Zeitung «El Mundo» wird der Gang zur Prostituierten als eine normale Freizeitaktivität verstanden. Nicht nur das: Die Freier werden immer jünger. Jünger werden auch jene, die wegen ihrer Sexsucht behandelt werden müssen. Die Freier sind oft erst 19 oder 20 Jahre alt. Mit 22 kommen die ersten schon in die Sex-Therapie.
Viele Freier sind Studenten
Europaweit ist Spanien das Land mit der höchsten Nachfrage nach käuflichem Sex. Neu ist aber, dass es auch schon für Teenager völlig normal ist, für Sex zu bezahlen. «Es ist für sie wie Alkoholtrinken oder Marihuanarauchen», zitiert «El Mundo» Luis Mariano García Vicente, Professor für Sozialarbeit an der Universität Madrid.
Viele junge Sex-Kunden sind Studenten der Fächer Rechtswissenschaften, Wirtschaft, Sozialarbeit und Psychologie. Das Paradoxe: Einige dieser künftigen Psychologen und Sozialarbeiter werden sich später im Berufsleben mit dem Thema Prostitution auseinandersetzen.
In einer Umfrage, die Professor Vicente unter Jusstudenten durchführte, stellte er fest, dass nur wenige «einen moralischen, politischen oder religiösen Konflikt» im käuflichem Sex sahen. 89 Prozent der Befragten sprachen sich für eine Legalisierung der Prostitution aus.
«Sie betrachten Sex als Unterhaltung»
Die Sozialarbeiterin María José Barahona begegnete Gruppen von 14- bis 15-jährigen Buben, die untereinander Oralsex bei einer Prostituierten verlosten. «Diese Kids machen sich überhaupt keine Gedanken darüber, was es bedeutet, für Sex zu bezahlen. Sie betrachten es als eine Unterhaltung. Und sie wollen erst gar nicht wissen, ob eine Frau aus dem Menschenhandel stammt.»
Der Psychologe Fernando Botana arbeitet in einem Suchttherapiezentrum in Madrid. Er behandelt heute viel mehr junge Menschen wegen Sexsucht als noch vor drei Jahren. Mittlerweile seien rund 30 bis 40 Prozent der Fälle Männer zwischen 22 und 24 Jahren, «die schon mit 16 oder 17 Jahren begonnen haben, Pornografie zu konsumieren oder Sex-Dates zu haben», erklärt Botana der spanischen Zeitung. Diese Jungs hätten monatlich durchschnittlich 600 Euro zur Verfügung, sagt der Psychologe, «und sie geben alles für Prostituierte aus».
Warum keine Freundin haben?
Die Frage ist, warum die jungen Männer lieber Geld für Sex ausgeben, statt eine Freundin zu haben. «Diese Teenager haben einen Mangel an emotionalen Fähigkeiten», lautet die Antwort von Psychologe Fernando Botana. Sie würden lieber bezahlen, als sich mit dem anderen Geschlecht abzugeben. «Eine Freundin zu haben, würde bedeuten, mit ihr ins Kino gehen zu müssen, mit ihr essen zu gehen.»
Diese soziale Aktivitäten betrachten die Jugendlichen als anstrengend. «Lieber bezahlen sie 20 Euro und gehen direkt zur Sache», meint der Experte. Ausserdem bringe das Bezahlen sie in eine Machtposition gegenüber den Frauen. «Weil ich dir Geld gebe, kann ich über dich bestimmen» – dies sei die Haltung der jungen Freier.
Ihr Verhalten komme oft aus dem Gruppendruck heraus. «Viele Jugendliche gehen in Gruppen in Bordelle, um dazuzugehören. Sie meinen, es sei eine harmlose Sache, aber in diesem Alter kann es sie destabilisieren», sagt Botana.
Sind Sie sexsüchtig oder besuchen Sie regelmässig Bordelle? Schildern Sie uns Ihre Erfahrungen.