Fragen und AntwortenMüssen nun die Deutschen wieder heim?
Der Bundesrat hat erstmals die so genannte Ventilklausel angewendet. Fragt sich nur, was dies bedeutet.
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Polnische Erdbeerenpflücker können trotz Anwendung der Ventilkausel weiter unbeschränkt in die Schweiz strömen: Beschränkt wird nur die Einwanderung von Leute mit Arbeitsbewilligung B.
Die Würfel sind gefallen: Nach einer monatelangen Diskussion hat Justizministerin Simonetta Sommargua am Mittwochnachmittag die Beschränkung der Einwanderung aus den Oststaaten der EU verkündet. Die wichtigsten Antworten.
Was ist die Ventilklausel?
Seit Mai 2011 können Leute aus acht osteuropäischen Staaten (EU-8) unbeschränkt einwandern, wenn sie in der Schweiz einen Job haben. Die im Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU festgelegte Ventilklausel erlaubt es dem Bundesrat, die Zuwanderung aus der EU-8 per 1. Mai 2012 auf rund 2000 Leute pro Jahr zu beschränken. Diese Regel gilt vorerst für ein Jahr.
Auf wen ist die Ventilklausel anwendbar?
Die Regel gilt für Leute aus Tschechien, Estland, Polen, Lettland, Litauen, Slowakei, Slowenien, Ungarn (EU-8), die mit der Aufenthaltsbewilligung B mindestens ein Jahr in der Schweiz arbeiten möchten. Kurzaufenthalter wie etwa polnische Erdbeerenpflücker (Aufenthaltsbewilligung L) sind von der Beschränkung nicht betroffen.
Wie wirkt sich die Ventilklausel auf die Einwanderung aus?
Seit der Anwendung der unbeschränkten Personenfreizügigkeit auf die EU-8 im Mai 2011 sind rund 7000 Arbeiter aus den entsprechenden Ländern in die Schweiz geströmt. In den drei vorangehenden Jahren erteilte der Bund 2075 Bewilligungen. Somit dürfte die Ventilklausel die Einwanderung um rund 4000 Personen pro Jahr verkleinern. Zum Vergleich: Im letzten Jahr wanderten insgesamt gegen 65 000 Bürger aus allen 27 EU-Staaten ein.
Wie kann der Bundesrat die Zuwanderung weiter bremsen?
Der Bundesrat plant, die flankierenden Massnahmen zu der EU-Einwanderung weiter zu verschärfen, indem er etwa rigoroser gegen Dumpinglöhne im Baugewerbe vorgehen will. Dies soll den Zustrom billiger Arbeitskräfte bremsen. Weiter wird eine Erweiterung der Solidarhaftung bei Subunternehmen sowie die Einführung einer vorgängigen Lohnmeldepflicht geprüft.
Müssen jetzt die Deutschen wieder heim?
Nein, die Ventilklausel gilt wie gesagt nur für die Oststaaten der EU. Einwanderer aus Deutschland, Frankreich und so weiter sind von der Beschränkung nicht betroffen.
Gibt's jetzt Krach mit der EU?
Die EU hat in einer ersten Reaktion der Schweiz «bedauert». Es sei ein Verstoss gegen das Freizügigkeitsabkommen, sagte die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton. «Diese Massnahme ist weder wirtschaftlich durch die Situation auf dem Arbeitsmarkt gerechtfertigt, noch durch die Anzahl EU-Bürger, die um einen Aufenthalt in der Schweiz nachsuchen.»
Nach Ansicht der EU hat die Schweiz nicht das Recht, die Ventilklausel lediglich für die EU-Oststaaten anzuwenden. «Dies hat uns der EU-Botschafter dargelegt», betonte Justizministerin Sommargua. Der Bundesrat interpretiere den Vertrag aber anders.