ArmutMuss in der Schweiz überhaupt jemand betteln?
Laut Experten muss grundsätzlich niemand in der Schweiz betteln. Grund: Nebst Auffangstationen und Hilfsangeboten hätten viele auch Anspruch auf Sozialhilfe.
Darum gehts
Rund 2200 Menschen sind in der Schweiz obdachlos.
Einige von ihnen gehen betteln.
Warum das grundsätzlich niemand in der Schweiz müsste, erklären Experten.
Welche Auffangstationen und Hilfsangebote gibt es?
Laut Ingrid Hess, Sprecherin bei der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS, gibt es in den meisten Städten Notunterkünfte für obdachlose Menschen. Zudem gebe es eine Reihe von NGOs, die jegliche Arten von Hilfe für Menschen in Not anbieten. Auch die Heilsarmee biete Notunterkünfte sowie Projekte für Arbeiten und Wohnen an. Ebenso verfügten Sozialdienste häufig über Notwohnungen. Gemäss Walter von Arburg, Sprecher des Sozialwerks Pfarrer Sieber, bekommen beim Sozialwerk alle Hilfe, die diese benötigen. So seien beispielsweise Notschlafstellen und weitere Hilfsmittel wie Kleidung und Essen gratis für alle Personen in Not. In einer Suppenküche bekomme zudem jede hilfsbedürftige Person eine warme Mahlzeit.
Wer hat Anspruch auf Sozialhilfe?
Einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung durch die Sozialhilfe hat laut Hess, wer nicht oder nicht rechtzeitig in der Lage ist, die materielle Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Ansprüchen zu decken und ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz hat. Um eine drohende oder vorübergehende Notlage abzuwenden, könnten Leistungen auch einmalig gewährt werden, auch wenn das soziale Existenzminimum aus eigenen Mitteln gedeckt werden kann. Gemäss den SKOS-Richtlinien erhält eine alleinlebende Person, die selbst keinerlei Einkommen hat, in der Regel 1031 Franken pro Monat plus Miete. Zudem wird die Krankenkassenprämie übernommen, soweit diese nicht von der Prämienverbilligung erfasst ist.
2200 Obdachlose in der Schweiz
Iris (52), Matthias (42) und Isabella (33) sagen im Gespräch mit 20 Minuten, ob sie lieber Geld oder Essen haben, und warum.
Muss in der Schweiz überhaupt jemand betteln?
«Grundsätzlich müsste niemand betteln, da alle in der Schweiz gemeldeten Personen mit Aufenthaltsrecht Sozialhilfe beziehen können, wenn sie die Kriterien erfüllen», sagt Gaby Szöllösy, Generalsekretärin bei der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren. Personen ohne Aufenthaltsrecht hätten Anspruch auf die sogenannte Nothilfe von acht bis zwölf Franken pro Tag plus Unterkunft und medizinische Notversorgung. Vereinzelte Personen scheuten aber den Kontakt mit den Ämtern und möchten sich den Spielregeln der Sozialhilfe nicht aussetzen. Auch Hess sagt: «Wer ein Aufenthaltsrecht hat, muss eigentlich nicht betteln gehen.» Es gebe durchaus Personen, die eigentlich Anspruch auf Sozialhilfe hätten, diese Möglichkeit aber nicht nutzen, auch wenn sie sich in einer Notlage befinden. Gründe könnten Scham sein, oder im Falle von Ausländerinnen und Ausländern die Angst, die Aufenthaltsbewilligung zu verlieren.
Wieso gehen Menschen dann betteln?
Laut von Arburg sind Schweizerinnen und Schweizer meist aufgrund von Drogenproblemen auf der Strasse und betteln, um an Stoff zu kommen. Viele von ihnen hätten ein Obdach und beziehen Sozialhilfe. Bei Ausländerinnen und Ausländern sei es oftmals so, dass sie aus Nachbarländern wie Deutschland oder Italien sowie aus Osteuropa in die Schweiz kommen, um mit Betteln Geld zu verdienen und dieses dann in die Heimat zu schicken. Einige von ihnen hätten eine Unterkunft, andere wiederum lebten auf der Strasse. «In unserer Hilfsorganisation stehen wir mit Einzelpersonen in Kontakt. Ob sie einer Gruppe angehören, wissen wir nicht.»
In mehreren Kantonen gilt ein Bettelverbot. Basel-Stadt führte beispielsweise im Jahr 2021 ein partielles Bettelverbot ein, um organisiertes Betteln zu unterbinden und aggressives und aufdringliches Betteln einzuschränken. Zuvor hatte der Kanton einen zunehmenden Betteltourismus von Roma-Gruppen aus Osteuropa verzeichnet. Seither gilt unter anderem: Wer in organisierter Art und Weise bettelt, andere Personen zum Betteln schickt oder beim Betteln täuschende Methoden anwendet, kann mit einer Busse bestraft werden. In der Stadt Bern ist Betteln hingegen grundsätzlich nicht verboten. Die Fremdenpolizei führt aber täglich Kontrollen durch und geht so gegen bandenmässiges Betteln vor.
Ist es in Ordnung, Essen statt Geld zu geben?
Bist du oder ist jemand, den du kennst, obdachlos?
Hier findest du Hilfe:
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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