Mutter wollte Sohn töten - Freispruch
Die 53-jährige Frau aus der Region Bern, die im Juni 2003 versuchte, ihren Sohn im Schlaf zu töten, wird in eine Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen.
Vom Vorwurf des Mord- und Tötungsversuchs ist die psychisch Kranke freigesprochen worden.
«Da nahm Jael, das Weib Hebers, einen Nagel von der Hütte und einen Hammer in ihre Hand und ging leise zu ihm hinein und schlug ihm den Nagel durch seine Schläfe, daß er in die Erde drang. Er aber war entschlummert, ward ohnmächtig und starb.»
Mit diesem biblischen Zitat über den Mord der Jael an einem feindlichen Feldherrn leitete Jean-Pierre Vicari, Vorsitzender des Kreisgerichts Bern-Laupen, am Mittwoch seine Urteilsbegründung ein. Das Gericht habe eine Bibel zu Rate ziehen müssen, um zu verstehen, was der Angeschuldigten die Idee für ihre Tat geliefert habe. Dies mache «betroffen wie vieles an diesem Fall».
Dieser Umstand sei genauso atypisch wie das Verhalten der Mutter. Sie war am frühen Morgen des 12. Juni 2003 ins Schlafzimmer ihres schlafenden Sohnes eingedrungen.
Sie setzte ihm ein 15 Zentimeter langes Durchschlagswerkzeug an die linke Seite des Kopfes und schlug mit einem Schlosserhammer zu. Der Sohn erwachte, es gelang ihm, die Mutter zu überwältigen. Er erlitt an der linken Kopfseite eine Stanzmarke, die jedoch verheilte.
Versuchte Tötung
Vicari stellte klar, dass die Tat als versuchte Tötung zu werten sei und nicht als Mordversuch. Zwar habe die Frau am Vorabend die Tatwerkzeuge unter ihrem Kopfkissen bereitgelegt. Dem Sohn habe sie wenige Tage zuvor geraten, jeden Tag zu geniessen, als ob es der letzte sei.
Ihre Tat zeichne sich jedoch nicht durch jene Skrupellosigkeit und Verwerflichkeit aus, die einen Mordversuch ausmachten. Angesichts des Freispruchs spiele dies jedoch eine untergeordnete Rolle.
Klar sei nämlich, dass die Frau zum Tatzeitpunkt keine Fähigkeit zur Einsicht in das Unrecht ihrer Tat besessen habe und damit schuldunfähig sei. Dies entspreche den Anträgen von Staatsanwalt und Verteidigung.
Auf Grund ihrer Aussagen sei erwiesen, dass die Frau den Sohn habe umbringen wollen, um ihm einen geplanten Frankreichaufenthalt zu ersparen. Schliesslich sei es ihr jedoch darum gegangen, ihm ihre eigenen psychischen Qualen zu ersparen, auch wenn ihre Befürchtung auf einer Fehleinschätzung beruht habe.
«Ich musste das tun»
Seit Ende der 90-er Jahre habe sich die vom psychiatrischen Gutachter diagnostizierte paranoide Schizophrenie zusammen mit den religiösen Vorstellungen zu einem «wahnhaften System» verdichtet, sagte Vicari. «Ich musste das tun, auch wenn es nicht lustig ist», habe die Frau ausgesagt. Ihr damaliger Zustand stehe mit der Tat «in direktem kausalem Zusammenhang».
Die entwaffnende Ehrlichkeit der Mutter habe verblüfft. So habe sie etwa freimütig zugegeben, bereits im Frühling 2003 daran gedacht zu haben, ihren Ehemann umzubringen.
Bei den Befragungen der Angehörigen sei zudem klar geworden, dass es diesen nicht darum gegangen sei, über einen kriminellen Akt zu berichten, sondern über ein «Unglück, das an diesem Tag über sie kam». Dass der Sohn seine Mutter angezeigt habe, sei als Hilferuf zu werten.
Auf Grund des psychiatrischen Gutachtens sei davon auszugehen, dass die verordnete Massnahme eine erfolgreiche Behandlung, wenn auch keine Heilung ermögliche. Ein Rückfall ist laut Gutachten damit nur wenig wahrscheinlich. Eine Verwahrung stand für das Gericht nicht zur Diskussion, auch der Staatsanwalt hatte diese nicht beantragt.
(sda)