Zeit- und GeldmangelNach der Trennung sind Tierhalter oft überfordert
Schafft sich ein Paar ein Haustier an, kann das im Trennungsfall zum Problem werden: Einzelne Besitzer haben keine Zeit oder Geld für ihre Vierbeiner und müssen sie ins Tierheim geben.
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- vro
Ein Haustier bringt viel Arbeit und Verantwortung mit sich. Dessen ist sich nicht jeder bewusst, der sich einen vierbeinigen Begleiter wünscht. Charlott Friederich, Autorin beim deutschen Onlineportal ze.tt, findet sogar, dass sich immer mehr junge Paare vorschnell ein Haustier anschaffen. Gerade im Trennungsfall leide dann das Tier, weil derjenige, der es behalte, überfordert sei.
Auch beim Zürcher Tierschutz kennt man das Problem: «Bei uns werden immer mal wieder Tiere abgegeben, weil sich die Besitzer getrennt haben», sagt Nadja Brodmann, Leiterin Bereich Tierschutz. Oft könnten oder wollten sich die Ex-Partner nicht allein um ein Tier kümmern. «Wir sagen deshalb immer: Augen auf vor dem Kauf», sagt Brodmann. Es gebe aber auch den umgekehrten Fall, also, dass die Ex-Partner den Streit um ein Haustier bis vor Gericht ziehen (siehe Box).
Betreuung ist zeit- und kostenintensiv
Beim Tierschutz Luzern verwendet man den Begriff «Scheidungstiere». Im Tierheim an der Ron in Root LU wurden auch schon Tiere abgegeben, nachdem sich Paare getrennt hatten. «Die Ex-Partner müssen dann beispielsweise mehr arbeiten und sind dann überfordert mit dem Tier», sagt Petra Roos, Geschäftsleiterin des Tierheims. Das gelte aber nicht nur für Paare: «Allgemein sollte man sich gut überlegen, ob man sich ein Tier anschaffen will.» Gerade bei Hunden würden viele unterschätzen, wie zeit- und kostenintensiv die Betreuung sei.
Darauf verweist auch Lukas Bircher, Geschäftsführer des Berner Tierschutzes und Leiter des Tierheims Oberbottingen. «Vor der Anschaffung eines Tieres sollte man sich fragen, was da eigentlich auf einen zukommt.» Gerade jetzt, wenn Leute in den Ferien einem verwahrlosten Tier begegneten, sei die Gefahr gross: «Viele denken zwar noch daran, dass das Tier einen Impfpass braucht, aber dass sie es auch verzollen müssen, geht oft vergessen.»
Auch im Tierheim Oberbottingen würden immer wieder Tiere abgegeben, weil sich die Besitzer getrennt hätten, sagt Bircher. Die Gründe seien unterschiedlich. So könne es auch sein, dass der neue Partner keine Tiere möge oder die Kosten für einen einzelnen Halter höher seien, als wenn sich ein Paar die Ausgaben teilen würde.
«Für Tiere ist die Umstellung Stress»
Astrid Becker, Präsidentin des Aargauer Tierschutzes, kennt auch Fälle von Katzen, die nach einer Trennung im Tierheim abgegeben worden sind. Dies sei jedoch nicht einfach ein Phänomen unter jungen Leuten, sondern betreffe alle Altersgruppen. «Gründe für die Abgabe im Tierheim sind meist Trennungen, Wohnungswechsel oder generelle Überforderung», sagt Becker. Vielen sei nicht bewusst, wie viel Arbeit und Zeit ein Tier bedeute. «Das ist ein Problem der heutigen Gesellschaft: Man will alles, informiert sich aber nicht und zieht es dann nicht durch.»
Die Mitarbeiter des Tierheims würden den künftigen Besitzern immer genau erklären, wie der Charakter des Tieres ist. «Oft hören sie aber gar nicht richtig zu», sagt Becker. Es komme vor, dass ein Tier dann wieder zurückgegeben werde, weil es nicht den Vorstellungen entspreche oder der Besitzer überfordert sei. Das habe auch für die Vierbeiner Folgen: «Für die Tiere ist die Umstellung ein Stress», sagt Becker.
Leute denken nicht zu Ende
Doch ein Tier könne schon selbst das Aus einer Beziehung bedeuten, sagt der Paarpsychologe Erhard Grieder. «Wenn die Liebe eines Partners zu einem Haustier zu stark ist, kann das ein Grund für eine Trennung sein.» Er kenne Fälle, in denen die Leute nicht bemerkt hätten, dass die Tierliebe beim Partner Eifersucht hervorrufe oder die Zuneigung dann in der Partnerschaft fehle.
Auch Grieder rät, sich die Anschaffung eines Haustieres gut zu überlegen. Oft würden die Leute das Vorhaben nicht zu Ende denken. «Sie überlegen sich nicht, was das für sie oder das Tier bedeutet. Sie sollten sich fragen, warum sie die Zuneigung nicht beim Partner suchen.» Junge Paare würden sich zwar über den Aufwand Gedanken machen, doch manchmal sei «der innere Drang irrational unvernünftig stark».
Es darf nicht nur ums Tier gehen
Es gebe aber auch das umgekehrte Phänomen: «Sind beide Partner Katzennarren, kann das verbinden. Dann wird es ein Teil der Beziehung», sagt Grieder. In diesem Fall könne es vorkommen, dass Partner gerade wegen des Tieres zusammenblieben.
Oft würden sich Paare auch Haustiere als Kinderersatz anschaffen. Das sei aber auch mit Gefahren verbunden. Grieder: «Geht es nur noch um das Tier, ist das ein Problem – für den Menschen und für das Tier.»
Wenn Ex-Partner das Tier nicht hergeben wollen
In der Schweiz lebten 2016 551'953 Hunde, am beliebtesten waren Mischlinge, wie aus der Tierstatistik von Amicus hervor geht. Registriert waren zudem 445'954 Katzen. Ihre tatsächliche Anzahl dürfte aber deutlich höher liegen. Nicht immer wollen ehemalige Partner sich von den Haustieren trennen. Manchmal geht es gar soweit, dass die Fälle vor Gericht landen. 2006 musste etwa das Thurgauer Obergericht in einem Sorgerechtsstreit um einen Hund Recht sprechen. Dies, nachdem sich seine Besitzerin – eine Hundeliebhaberin – und ihr Mann – ein Polizist, der den Hund schliesslich zum Polizeihund ausbildete – getrennt hatten. Damals erhielt die Frau den Hund, ein Jahr später fiel das Sorgerecht dann aber dem Mann zu, wie der «Beobachter» damals berichtete.