Zu früh entlassen?Nach drei Tagen verliess Franz W. die Psychiatrie
Der Motorsägen-Angreifer von Schaffhausen wurde 2016 in eine psychiatrische Klinik zwangseingeliefert. Eine umstrittene Massnahme, die oft zur Anwendung kommt.
- von
- kaf
Von ihm war keine akute Gefährdung auszugehen, so das Polizeiurteil über den mittlerweile Inhaftierten Franz W., vor seinem Angriff auf CSS-Mitarbeiter in Schaffhausen. Danach hiess es, der Mann sei gefährlich und psychisch labil. Letzteres machte sich bereits am 11. April 2016 bemerkbar.
An jenem Tag hätte Franz W., damals in Beromünster LU wohnhaft, besonders verwirrt gewirkt, worauf die Polizei ihn mit auf den Posten nahm. Das berichtet die «Zentralschweiz am Sonntag». Die Polizei stellte fest, dass er einen Elektroschocker und ein Rasiermesser bei sich hatte. Schon einmal war Franz W. wegen illegalen Waffenbesitzes aufgefallen. Damals wurden eine Pistole, ein Spitzhammer, ein Pfefferspray und Munition sichergestellt.
Aus Sorge, Franz W. könnte sich oder Dritten etwas antun, wurde er in die psychiatrische Klinik St. Urban in Luzern eingewiesen. Zur Anwendung kam die sogenannte Fürsorgerischen Unterbringung. Laut Bericht konnte Franz W. drei Tage nach seiner Einweisung die Klinik bereits wieder verlassen. Offenbar waren Ärzte zum Schluss gekommen, dass bei ihm keine akute Selbst- oder Fremdgefährdung mehr vorliegt. Ein Fehleinschätzung, wie die jüngsten Ereignisse gezeigt haben.
14'000 Einweisungen
Gelangt das Gesundheitswesen an die Grenzen seiner Kapazität? Die Zahl der Fürsorgerischen Unterbringungen sind in einem Jahr um 30 Prozent gestiegen, wie die «SonntagsZeitung» schreibt. So wurden 2015 über 14'000 Personen gegen ihren Willen in bewachte Einrichtungen eingeliefert. Die Zahlen stammen aus einem Psychiatrie-Datensatz der medizinischen Statistik der Krankenhäuser. Eine Fürsorgerische Unterbringung ist für Notfälle gedacht und dauert durchschnittlich 20 Tage, wie aus einer noch nicht publizierten Studie der psychiatrischen Universitätsklinik Zürich hervorgeht.
Matthias Jäger, leitender Arzt an der psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, steht der Entwicklung kritisch gegenüber. «Studien zeigen, dass der Krankheitsverlauf nach einer Fürsorgerischen Unterbringung nicht besser ist, als bei freiwilliger Behandlung», sagt er zur «SonntagsZeitung». Im Gegenteil: Die Prognosen würden sich verschlechtern, weil die Betroffenen nach einer Zwangserfahrung keine Hilfe mehr in Anspruch nehmen wollten.
Häufiger Wohnortwechsel
Auch Franz W. schien nach seinem Klinikaufenthalt den Behörden gezielt aus dem Weg zu gehen. So hatte er innert kurzer Zeit mehrere Male den Wohnort gewechselt und lebte unter anderem in den Kantonen Zürich, Basel, Luzern und Graubünden.
Auch wenn der Motorsägen-Angreifer wegen seinen verbalen Attacken oder verwahrlosten Erscheinung seinen Mitmenschen aufgefallen war: Er hatte sich bis November 2016 immer korrekt angemeldet. Die Behörden hatten ihn nicht im Visier. Auch die CSS hatte laut eigenen Angaben zuvor keine negativen Erfahrungen mit Franz W. gemacht. Seine Tat kam für sie völlig überraschend.