Andy MurrayNach langem Anlauf alleine auf dem Olymp
Andy Murray musste lange hintenanstehen, wenn die grossen Titel vergeben wurden. Nun ist er der Mann der Stunde.
- von
- Kai Müller
- Rio
Es ist ein hartes Los für jeden Sportler, wenn seine Karriere parallel zu jener einer Überfigur verläuft. Oder wie viele Grand-Slam-Titel hätte Andy Roddick wohl gewonnen, wäre ihm Roger Federer nicht ständig vor der Sonne gestanden? Bestimmt mehr als einen. Einen Namensvetter des Amerikaners traf es noch weit härter: Andy Murray.
Der Schotte kämpft seit jeher gegen gleich drei der ganz Grossen um Titel, gegen Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic. Zwar wurde der Schotte jeweils in einem Atemzug mit ihnen genannt, wenn man von den «Big Four» sprach, doch wenn die bedeutendsten Pokale vergeben wurden, gingen sie in die Hände der anderen drei.
Mit Lendl zur Wende
Es brauchte mit Ivan Lendl einen neuen Coach, der den pfeilschnellen Verteidigungskünstler dazu brachte, öfters selbst die Initiative zu übernehmen, um den Bann zu brechen. Mit neuem Mut gewann Murray 2012 in London als erster Brite seit 104 Jahren Olympia-Gold im Einzel, wenige Wochen später schenkte er dem Vereinigten Königreich am US Open den ersten Grand-Slam-Titel seit Fred Perry 1936 in Wimbledon. Im Folgejahr legte er auf dem Rasen an der Church Road nach. Es sollte für eine Weile der letzte grosse Titel bleiben.
Nach einer Rückenoperation im Herbst 2013 und der Trennung von Lendl im März 2014 brauchte Murray einige Zeit, um zur alten Form zu finden. Doch dann war da Novak Djokovic, der zum alles verschlingenden Monster mutiert war. Der Konkurrenz blieben lediglich Brosamen. Der US-Open-Sieg von Marin Cilic und der Triumph von Stan Wawrinka 2015 in Paris waren Ausnahmen.
Zur Stelle, als Djokovic patzte
Der Serbe dominierte weiter, doch in den vergangenen Wochen leistete er sich zwei seiner seltenen Niederlagen an wichtigen Anlässen. Zuerst in Wimbledon, dann in Rio. Der Profiteur hiess beide Male Andy Murray. Der 29-Jährige weiss inzwischen nicht nur drei Major-Titel in seinem Palmarès, sondern ist nach dem Finalsieg in Rio gegen Juan Martín del Potro auch der erste Tennisspieler überhaupt, der zweimal Olympiagold im Einzel gewonnen hat.
«Dieses Turnier war einiges härter als London. Und auch der Match heute war einer meiner schwierigsten, um einen Titel zu gewinnen, emotional und physisch», sagte Murray. Dass er nun in der olympischen Tennisgeschichte über allen thront, bedeutet ihm viel. «Dass das noch niemand zuvor geschafft hatte, sagt alles. Ich bin sehr stolz, dass ich es vollbracht habe.»
Lange musste er hintenanstehen. Nun ist Andy Murray der Mann der Stunde. Sein Trainer heisst seit zwei Monaten übrigens wieder: Ivan Lendl.