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Ohne BéretNacktwandern auf französisch

Was in den vergangenen Jahren im Appenzell für rote Köpfe sorgte, wird nun auch in Frankreich zum Trend. Nacktwanderer erobern die französische Natur - stören tut's offenbar kaum jemanden.

von
jbu
Nackt-Ausflüge sind in Frankreich offenbar schwer im Trend.

Nackt-Ausflüge sind in Frankreich offenbar schwer im Trend.

Während der Nacktwander-Trend in der Schweiz Medien und Behörden in helle Aufregung versetzte und eine heftige Debatte über Moral und Recht entfachte, scheinen unsere westlichen Nachbarn ein wesentlich entspannteres Verhältnis zu Ausflügen im Adamskostüm zu haben. In Frankreich findet der Trend immer mehr Anhänger – das aufgeregte Rascheln im Blätterwald bleibt aber aus und auch aus der Bevölkerung der Grande Nation regt sich offenbar kein Widerstand.

Wer in Frankreich frische Luft und Sonne textilfrei geniessen will, muss sich von Gesetzes wegen zwar eigentlich auch in eingegrenzten Bereichen aufhalten. Immer mehr Franzosen wagen sich trotzdem nackt in die freie Natur - und gehen wandern. Angeboten werden die Ausflüge beispielsweise von der Organisation «vivrenu». Ihr Initiator, der Pariser Architekt Gilles Bauchart, ist selbst ein begeisterter Anhänger des textilfreien Gruppenlebens, wie die übrigen rund 200 Mitglieder der französischen Vereinigung für die Förderung der Freikörperkultur in Freiheit (Apnel).

Ein Trend für Jung und Alt

So versammelten sich rund 30 von ihnen Ende Juli im südfranzösischen Dorf Lussan für eine Gruppenwanderung. Männer und Frauen zwischen 35 und 60 Jahren, Dicke und Dünne, bekleidet mit Wanderschuhen oder festen Sandalen, wagten sich auf den kleiderlosen Ausflug. Ausgestattet waren sie mit Sonnenhüten, Rucksäcken und Stöcken - und ansonsten so, wie Gott sie schuf.

Sie wanderten durch das zu dieser Jahreszeit ausgetrocknete Bett des Flüsschens L'Aiguillon, durch eine karge Mondlandschaft mit tiefen Schluchten.

Ohne das Gewicht der Kleidung fühle sie sich «wirklich frei, in Kontakt mit der Natur», begeisterte sich Louise. Thomas aus Paris schätzte vor allem den «leichten Wind, überall auf dem Körper». Das Gefühl sei einzigartig, schwärmte auch Sylvie Fasol, die Vorsitzende der Apnel. Veranstalter Bauchart filmte die Gruppe für die Internetseite seiner Organisation.

Nackt aus Überzeugung

Der 51 Jahre alte Vater von vier Kindern macht seit Jahren gegen das Verbot des textilfreien Auftretens in der Öffentlichkeit mobil. Gemeinsam mit seiner Familie verbringt er seine Ferien meist an FKK- Stränden. Bauchart selbst schwört auf unbekleidete Ausflüge selbst bei winterlichen Temperaturen.

Er sei schon bei minus fünf Grad mit Schneeschuhen in den Alpen gewandert, versichert Bauchart. Auch an Nacktradler-Touren, etwa nach Brüssel und London, nimmt der Franzose oft teil. Die Wandertouren organisiert Bauchart seit sieben Jahren - und von allen Ausflügen hat er Fotos und Videos ins Internet gestellt.

Allzeit bereit, die Blösse notfalls zu bedecken

Um bekleidete Wanderer, die ihnen begegnen könnten, nicht zu schockieren, treffen die FKK-Anhänger immerhin einige Vorkehrungen. Sie halten etwa ein Kleidungsstück bereit, mit dem sie im Notfall ihre Blösse bedecken können. Ausserdem stellt Bauchart zu Beginn der Wanderung ein Warnschild auf: «Von hier an können Sie auf Naturisten treffen».

Die Gruppe hat mittlerweile viele Nachahmer gefunden, die sich nackt in den Wäldern von Fontainebleau bei Paris tummeln, in der Bretagne oder in den Felsen nahe der Mittelmeerstadt Marseille. Ärger mit der Justiz habe die Apnel seit ihrer Gründung vor fünf Jahren noch nie gehabt, versichert ein Sprecher.

Filmen für den Gesetzgeber

Bekleidete Spaziergänger reagierten meist eher erstaunt oder amüsiert denn geschockt, wenn sie den Nackedeis begegneten.

FKK-Kämpfer Bauchart filmt auch solche Begegnungen mit Vorliebe - in der Hoffnung, dass einmal ein Abgeordneter diese Videos im Internet entdeckt. Dann werde er sehen, dass sich niemand über die textilfreien Naturfreunde aufrege. Vielleicht sage sich ja eines Tages der Gesetzgeber, «lassen wir sie doch einfach machen».

(jbu/sda)

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