Hier pinkelt nicht Barcelonas Bürgermeisterin auf die Strasse

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FaktencheckNein, hier pinkelt nicht Barcelonas Bürgermeisterin auf die Strasse

Auf Social Media wird im April 2023 das Bild einer auf die Strasse urinierenden Frau geteilt. Es soll sich dabei um Ada Colau, die Bürgermeisterin von Barcelona, handeln. Das ist jedoch falsch.

Fee Anabelle Riebeling
von
Fee Anabelle Riebeling
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Dieses Bild kursiert derzeit – gepaart mit einer Falschbehauptung – in den sozialen Medien. 

Dieses Bild kursiert derzeit – gepaart mit einer Falschbehauptung – in den sozialen Medien. 

Telegram
Den Beschreibungen nach zeigt es angeblich die seit dem Jahr 2015 amtierende Bürgermeisterin Barcelonas, Ada Colau, beim Wasserlassen auf der Strasse. Richtig ist das nicht. 

Den Beschreibungen nach zeigt es angeblich die seit dem Jahr 2015 amtierende Bürgermeisterin Barcelonas, Ada Colau, beim Wasserlassen auf der Strasse. Richtig ist das nicht. 

Twitter
Daran, dass es sich um eine Falschbehauptung handelt, ändert auch nichts, dass manchen Posts zusätzlich ein Screenshot vom Wikipedia-Eintrag über Ada Colau zur Seite gestellt wird. 

Daran, dass es sich um eine Falschbehauptung handelt, ändert auch nichts, dass manchen Posts zusätzlich ein Screenshot vom Wikipedia-Eintrag über Ada Colau zur Seite gestellt wird. 

Telegram

Darum gehts

  • In den sozialen Medien sorgt ein altes Foto derzeit für Aufsehen. 

  • Darauf zu sehen ist eine Frau, die sich mitten auf einer mehrspurigen Strasse erleichtert. 

  • Den Posts nach handelt es sich bei der Frau um die Bürgermeisterin Barcelonas, Ada Colau.

  • Das ist aber falsch: Tatsächlich zeigt das Bild Águeda Bañón, die seit dem Jahr 2015 Leiterin der Kommunikationsabteilung der Stadt ist.  

  • Die Aufnahme ist jedoch lange vor dieser Zeit entstanden – für eine Performance beim Sonar Festival 2004. 

  • Damals war Bañón noch als Aktivistin und Künstlerin tätig. 

  • Seit ihrer Ernennung zur Kommunikationschefin werde es regelmässig zweckentfremdet, «um mein öffentliches Image und das der Bürgermeisterin Ada Colau zu diskreditieren», so Bañón.

Immer wieder tauchen in den sozialen Medien Bilder und Videos auf, die aus dem Kontext gerissen wurden. So stammten etwa die im September 2022 geteilten Aufnahmen eines See-Elefanten, der den Beschreibungen nach von Hurrikan Ian im US-Bundesstaat Florida weit an Land gespült worden sein sollte, aus dem Jahr 2020 aus Chile (siehe Video unten). 

Vom See-Elefanten in Puerto Cisnes – und seiner Rettung – berichtete 20 Minuten schon vor zwei Jahren, als sich das Tier verirrt hatte. Mit Hurrikan Ian hat dieses Video nichts zu tun. 

20min

Bild aus dem Kontext gerissen

Auch das Foto einer Frau, die mit hochgeschobenem Rock mitten auf der Strasse auf den Asphalt uriniert – oder uriniert hat –, wurde aus dem Zusammenhang gerissen. Es wird derzeit rege auf Plattformen wie Telegram, Facebook und auch Twitter geteilt und zeigt angeblich die seit dem Jahr 2015 amtierende Bürgermeisterin Barcelonas, Ada Colau (siehe Box). Für diesen Eindruck sorgen etwa ein dem Foto zur Seite gestellter Screenshot vom Wikipedia-Eintrag über Colau und Kommentare wie «Ja, die linksradikale Bürgermeisterin von Barcelona pinkelte öffentlich auf die Strasse …» (siehe Bildstrecke oben). Doch die Behauptung ist falsch. Das Bild ist echt, zeigt aber weder Colau noch ist die Aufnahme aktuell. 

Linksgerichtet, aber nicht linksradikal

Das Bild zeigt Águeda Bañón, nicht Ada Colau

Wer auf dem Foto abgebildet ist, lässt sich mithilfe der Bilderrückwärtssuche mit wenigen Klicks herausfinden. Demnach ist darauf die Künstlerin, Aktivistin und heutige Leiterin der Kommunikationsabteilung der Stadt Barcelona Águeda Bañón zu sehen. So berichten es zum Beispiel Elpais.com, das Portal der grössten Tageszeitung Spaniens, und das Onlineportal Mundiario.com im Jahr 2015. Anlass für die Berichterstattung war in beiden Fällen die Ernennung Bañóns zur Kommunikationschefin von Barcelona, die aufgrund ihrer aktivistischen Vergangenheit lebhaft diskutiert wurde (siehe Box).

Wer ist Águeda Bañón?

Bañón war einst Mitglied der sogenannten Postpornobewegung, die sich in den 1990er-Jahren als Gegenbewegung zur konventionellen Pornografie entwickelte. Zudem hat sie zwischen 2003 und 2007 gemeinsam mit Maria Llopis, einer weiteren in Spanien bekannten alternativen Künstlerin den Blog Girlswholikeporno.com betrieben, in dem sie sich laut Elpais.com von traditionell und heterosexuell geprägten Mustern und Schönheitsbildern distanzierten. Die beiden Frauen posteten laut der katalanischen Tageszeitung Lavanguardia.com immer wieder «provokante Fotos von sich im öffentlichen Raum, auf denen sie einander rittlings und mit heruntergelassenen Hosen zeigten». Eines davon wurde im Berliner Stadtmagazin «Tip» veröffentlicht.

Das Bild ist knapp 20 Jahre alt

Die Bilderrückwärtssuche offenbart nicht nur, dass nicht wie behauptet die Bürgermeisterin Barcelonas mit hochgeschobenem Rock abgelichtet wurde, sondern auch, dass das Foto von der urinierenden Águeda Bañón seit einigen Jahren immer wieder auftaucht: Als frühester Fund gibt die Plattform Tineye.com den 29. April 2008 an. Damals enthielt das Bild am unteren Rand noch den Schriftzug des Blogs «Girls who like porno». Dass das nicht von ungefähr kommt, bestätigt die Abgebildete selbst gegenüber dem Faktencheck-Team der Nachrichtenagentur AFP. Das Bild «war Teil einer künstlerischen Arbeit, die ich 2004 mit dem Kollektiv Girlswholikeporno für unsere Performance beim Sonar Festival angefertigt habe».

Das Foto wurde in Murcia geschossen

Auch zu dem Aufnahmeort äussert sich Bañón in ihrer Mail. Ihr zufolge wurde das Foto während der Osterzeit in der spanischen Stadt Murcia geschossen und ist unbearbeitet. Der genaue Ort lässt sich unter anderem via Google Earth Pro bestimmen: Es ist die Gran Vía del Escultor Francisco Salzillo. Deutlich zu erkennen an den markanten und bis heute unveränderten Gebäudefassaden (siehe folgende Bildstrecke).

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Die Aufnahme von der vermeintlich auf die Strasse pinkelnden Águeda Bañón wurde hier aufgenommen: In der Gran Vía del Escultor Francisco Salzillo in Murcia. (Im Bild: Streetview-Ansicht, Februar 2023)

Die Aufnahme von der vermeintlich auf die Strasse pinkelnden Águeda Bañón wurde hier aufgenommen: In der Gran Vía del Escultor Francisco Salzillo in Murcia. (Im Bild: Streetview-Ansicht, Februar 2023)

Google Earth Pro
Das zeigt der Vergleich mit via Streetview verfügbaren Aufnahmen des Orts deutlich. Nicht nur die Anordnung grosser Orientierungspunkte wie Häusern, Strasse und Palmen ist dieselbe. (Im Bild: Streetview-Ansicht, November 2008)

Das zeigt der Vergleich mit via Streetview verfügbaren Aufnahmen des Orts deutlich. Nicht nur die Anordnung grosser Orientierungspunkte wie Häusern, Strasse und Palmen ist dieselbe. (Im Bild: Streetview-Ansicht, November 2008)

Google Maps
Auch die Details stimmen überein. Dazu zählen etwa die Fassade des vor Kopf befindlichen Gebäudes und der daran angebrachte Schriftzug der Grupo Graphic Publicidad. 

Auch die Details stimmen überein. Dazu zählen etwa die Fassade des vor Kopf befindlichen Gebäudes und der daran angebrachte Schriftzug der Grupo Graphic Publicidad. 

Google Earth Pro

Der Ort stimmt auch mit den Angaben Bañóns überein: Hier zieht jeweils am Palmsonntag, dem Anfang der Karwoche, die Procesión de la Cofradía del Santísimo Cristo de la Esperanza vorbei. Die in dem Kontext geschossene Aufnahme von Águeda Bañón zu beiden Seiten der Strasse zu sehenden bestuhlten Podeste stützen das. Sie sind auch in Berichten über die Prozession zu sehen, zum Beispiel hier.

(Im Bild: Route der Palmsonntag-Prozession im Juni 2015)

(Im Bild: Route der Palmsonntag-Prozession im Juni 2015)

Google Maps via laverdad.es

Nicht das erste Mal aus dem Zusammenhang gerissen

Wie die AFP unter Berufung auf Bañón schreibt, wurde das Bild seit seiner Entstehung schon mehrfach aus dem Zusammenhang gerissen. Insbesondere seit dem Jahr 2015, als Águeda Bañón von der damals neu ins Amt gewählten Ada Colau zur Leiterin der Kommunikationsabteilung Barcelonas ernannt wurde. Dies, «um mein öffentliches Image und das der Bürgermeisterin Ada Colau zu diskreditieren», so Bañón in ihrer Mail. Die zum Anfang der Recherche durchgeführte Bilderrückwärtssuche bestätigt das. Sie hat einige Beispiele zutage gefördert, die zeigen, dass die Aufnahme in den letzten Jahren mehrfach mit abwertenden Kommentaren über Colau und Bañón auf Social Media verwendet wurde (etwa hier, hier, hier oder hier).

Fazit

Das aktuell auf Social Media verbreitete Foto einer mitten auf der Strasse urinierenden Frau zeigt nicht wie in den Posts behauptet die bar­ce­lo­nische Bürgermeisterin Ada Colau, sondern die von ihr im Jahr ihrer Wahl zur Leiterin der Kommunikationsabteilung Barcelonas ernannte Águeda Bañón. Die Aufnahme stammt aus einer Zeit, lange bevor Bañón dieses Amt bekleidete. Sie wurde im Jahr 2004 gemacht. Damals war Bañón noch als feministische Aktivistin und Künstlerin unterwegs. Laut ihr entstand das Bild im Kontext des Sonar Festivals im Jahr 2004.

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