Kampusch-Biografie, Teil 3: «Nenn mich deinen Gebieter»

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Kampusch-Biografie, Teil 3«Nenn mich deinen Gebieter»

Wolfgang Priklopil wollte Natascha Kampusch zur Sklavin machen – doch sie liess sich lieber blutig schlagen, als auf die Knie zu gehen.

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Ein Leben im Verlies: Natscha Kampusch schreibt über ihr Martyrium und wie sie die Zeit in Gefangenschaft überstand. (Bild: Keystone)

Ein Leben im Verlies: Natscha Kampusch schreibt über ihr Martyrium und wie sie die Zeit in Gefangenschaft überstand. (Bild: Keystone)

«Ich habe nie vor ihm gekniet», schreibt Natascha Kampusch stolz im dritten Kapitel ihres Buches «3096 Tage», das heute in den Handel kommt. Wolfgang Priklopil habe mehrmals versucht, sie zu seiner Sklavin zu machen. «Ich bin ein ägyptischer Gott», habe er ihr einmal sogar gesagt. «Du bist meine Sklavin. Du gehorchst.» Doch trotz Gewaltanwendung habe sie nie nachgegeben. «Er sprang wütend auf und drückte mich auf den Boden. Er packte mich, drehte mich auf die Seite und verbog mir die Beine, als wäre ich eine Gummipuppe. Er boxte und trat. Aber am Ende behielt ich die Oberhand.»

Priklopil sei politisch extrem rechts orientiert gewesen, erzählt sie weiter. Sein politisches Idol der Gegenwart sei der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider gewesen. «Eines der Bücher, auf das der Täter besonderen Wert legte, war 'Mein Kampf' von Adolf Hitler. Er sprach oft und mit Bewunderung von Hitler und meinte: 'Der hatte recht mit der Judenvergasung.'»

«Wie in einer Strafanstalt»

Der Täter habe Kampusch immer mehr kontrolliert. Mit einer Zeitschaltuhr weckte er sie um 7 Uhr morgens. Um 20 Uhr schaltete sich alles aus – auch den Fernseher, oftmals «mitten in der Serie». Zudem installierte Priklopil ein Mikrofon in ihrem Radio. So konnte er von oben alles hören, was im Verlies passierte. Auf die gleiche Weise habe sie alles mitbekommen, was oben geschah. «Wenn er nicht schlief, dann sollte ich auch nicht schlafen.»

Disziplin und Gehorsam hätten in der Zeit der Gefangenheit Kampusch das Leben geregelt. In Auszügen, die die «Bild»-Zeitung veröffentlicht, schreibt sie: «Ich musste immer im gleichen Abstand zu ihm stehen und gehen – einen Meter, nicht mehr, nicht weniger, sonst rastete er sofort aus. Er verlangte, dass ich den Kopf immer gesenkt halte, den Blick nie hebe.»

«Ich habe dich erschaffen»

Zudem zwang er Kampusch, ihre Eltern zu vergessen. Priklopil pflegte zu sagen: «Du hast keine Familie mehr. Ich bin dein Vater, deine Mutter, deine Oma und deine Schwestern. Ich bin jetzt alles für dich. Du hast keine Vergangenheit mehr. Du gehörst nur mir. Ich habe dich erschaffen.» Dazu gehörte auch ein Namenswechsel: Gegen Ende 1999 zwang er sie, sich einen neuen Namen auszusuchen. Natascha wurde «für die nächsten sieben Jahre Bibiana».

Weinen durfte das Mädchen nie. «Wenn ich weinte, strich er mir für Tage alle Annehmlichkeiten wie die lebensnotwendigen Bücher und Videos.» Oder er rieb ihr Gesicht mit kaltem Wasser ab, «bis ich fast die Besinnung verlor.»

«Wenn du nicht tust, was ich dir sage, dann muss ich dir das Licht abdrehen. Wenn du nicht brav bist, dann muss ich dich fesseln», drohte Priklopil. Neben Fernsehverbot war Essensentzug eine seiner effektivsten Strategien gewesen. Bald sollte Kampusch' Körper «deutliche Spuren des Essens- und Lichtentzugs» zeigen. «Ich war nur noch Haut und Knochen, auf den Waden zeichneten sich schwarz-blaue Flecken auf meiner weissen Haut ab. Ich weiss nicht, ob sie vom Hunger oder von den langen Zeiten ohne Licht kamen – doch sie sahen beunruhigend aus – wie Leichenflecken. Ich wog nur noch 38 Kilo, war 16 Jahre alt und einen Meter siebenundfünfzig gross.»

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