Big BrotherNeuer Fichen-Skandal im Kanton Jura
Die jurassische Behörden haben ein Register mit tausenden Automobilisten erstellt, die wegen kleiner Vergehen verwarnt, aber nie gebüsst worden sind.
Eingerichtet hat das Register im Jahr 2006 der zurzeit wegen anderer Vorwürfe suspendierte Polizeikommandant Henri-Joseph Theubet. Der interimistische Präsident der jurassischen Polizeigewerkschaft, Antonio Dominguez, bestätigte am Samstag der Nachrichtenagentur SDA entsprechende Berichte der Zeitungen «L'Impartial», «Journal du Jura» und «L'Express».
Die Gewerkschaft sei nicht für die Bekanntmachung der Affäre in den Medien verantwortlich, hielt Dominguez fest. «Es ist nicht unsere Aufgabe, die Arbeitsinstrumente unserer Chefs zu kontrollieren», sagte er.
Ohne gesetzliche Grundlage
Die fichierten Automobilisten erhielten nach ihren Vergehen von der jurassischen Polizei eine Verwarnung wegen geringer Vergehen im Strassenverkehr. Das Problem dabei: Das Strassenverkehrsgesetz sieht keine solche Verwarnungen vor. Eine Massnahme ohne gesetzliche Grundlage dürfe nicht zu einer Fichierung führen, sagte Jean Moritz, Präsident der kantonalen Datenschutzkommission.
Moritz selbst erfuhr erst am Samstag von dem Register - durch die Medien. Eine Fichierung wäre nur dann erlaubt, wenn der Kanton im Auftrag des Bundes handeln würde, erklärte er. Auf jeden Fall aber hätte seine Behörde über das Register informiert sein müssen - wie jede der registrierten Personen. Das sei aber nicht der Fall gewesen.
Die Behördenvertreter versuchten sich am Samstag aus der Affäre zu ziehen: Der Sprecher des Kantons Jura konnte auf Anfrage keine Informationen über die Fichen geben. Er wisse nichts davon, sagte Pierre-Alain Berret. Ähnliche Aussagen machte der Polizeiminister Charles Juillard gegenüber «Radio Fréquence Jura».
Für den verantwortlichen Polizeioffizier und Ermittlungsrichter Jean Crevoisier sind dies Ausreden: Die beiden wollten keine Aussage machen, sagte Crevoisier der SDA.
Verantwortlicher suspendiert
Der jurassische Polizeikommandant Henri-Joseph Theubet ist bereits Ende August wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch suspendiert worden. Der frühere jurassische Staatsanwalt Arthur Hublard hatte in einem offenen Brief Bedenken geäussert, dass es bei einer Untersuchung über die Amtsführung von Theubet allenfalls nicht mit rechten Dingen zu und her gegangen sein soll.
Später beschuldigte Hublard den Polizeikommandanten des Mobbings und der Justizbehinderung. Auch warf er ihm nicht funktionierende Zusammenarbeit im Polizeikorps vor. Nachdem die jurassische Staatsanwaltschaft Hublard einvernommen hatte, wurde Theubet krank geschrieben, und die Staatsanwaltschaft eröffnete die Untersuchung. (sda)