Noch immer «strahlt» der Sarkophag
In Tschernobyl arbeiten in und um den explodierten Reaktorblock über 4000 Menschen. Sie sind damit beschäftigt, den vor 20 Jahren hektisch erbauten Sarkophag um den Reaktor in der Ukraine zu stabilisieren.
Am 26. April 1986 geriet der Reaktor bei einem Test ausser Kontrolle; um 01.23 Uhr (Ortszeit) explodierte er. Das Betondach und Teile der Seitenwände stürzten ein. Es brannte; die Radioaktivität entwich. Erst nach 10 Tagen brachten die Retter den Brand unter Kontrolle.
Im folgenden halben Jahr bauten 90'000 sowjetische Soldaten, Ingenieure und Arbeiter in einem Kraftakt den Sarkophag. Die Schutzhülle aus Stahlbeton-Platten wurde auf den Resten von Block 4 abgestützt. Der Not-Bau sollte 20 bis 30 Jahre halten.
Die Behörden gehen davon aus, dass noch 2000 Tonnen radioaktiver Brennstoff im Innern sind. Dem gegenüber steht die Aussage einiger Wissenschaftler, der grösste Teil der Strahlung sei entwichen.
Julia Marusitsch vom Informationszentrum neben dem Sarkophag sagt, niemand könne wissen, wieviel Brennstoff noch im Reaktor sei. Nur 25 Prozent seien begehbar. Der Rest ist entweder zu stark verstrahlt oder zu zerstört.
Löcher und Risse
Aus dem Sarkophag in Tschernobyl entweicht täglich Radioaktivität. Er hat Risse, die zusammengezählt eine Grösse von 100 Quadratmetern haben, wie Marusitsch erklärt.
Die Wände wackeln und Regenwasser dringt ins Innere des Reaktors ein, in dem eine Temperatur von bis zu 29 Grad herrscht. Es wird befürchtet, dass der Bau einstürzt.
Deshalb wird seit 1999 wieder am Sarkophag gearbeitet. Bis Ende Jahr soll er stabilisiert sein. Die Ukraine hofft, dass er bis ins Jahr 2021 standhält.
Zweiter Sarkophag
Bis dahin soll ein zweiter Sarkophag Mensch und Umwelt vor der Strahlung schützen - diesmal für 100 Jahre. Internationale Geber haben dafür 1,091 Mrd. Dollar gesprochen. Die Schweiz will ein Prozent der Kosten tragen.
Eine Halle aus Stahl soll ab 2010 im Baukastensystem gebaut und über den Sarkophag geschoben werden. Geplant ist die grösste ihrer Art weltweit: fast 260 Meter breit, 108 Meter hoch und 150 Meter lang.
Wohin mit dem Atommüll?
Im Innern sollen Messstationen Temperatur und Radioaktivität überwachen. Kräne werden eingebaut, um die geschmolzenen Brennstäbe zu bergen.
Wohin die strahlenden Überreste gebracht werden sollen, ist unklar. Pläne bei Tschernobyl ein Atommüll-Endlager zu bauen, stossen im benachbarten Weissrussland auf heftigen Widerstand. (sda)