Hurrikan MatthewObama ruft Notstand in zwei Staaten aus
Nach seinem tödlichen Zug durch die Karibik hat der Monstersturm Matthew Kurs auf die Ostküste der USA genommen.
- von
- chk
So wütet Hurrikan Matthew.
Auf der Karibikinsel Haiti ist die Zahl der Todesopfer durch den Hurrikan Matthew laut einem Medienbericht weiter angestiegen. Mindestens 264 Menschen seien ums Leben gekommen, meldete der Sender Radio Télévision Caraïbes am Donnerstag. Innenminister François Anick Joseph hatte zuvor von mindestens 108 Toten gesprochen.
Sturm Matthew könnte er in der Nacht zum Freitag als Hurrikan der zweitstärksten Kategorie 4 in Florida auf Land treffen und danach in unmittelbarer Küstennähe nordwärts ziehen.
US-Präsident Brack Obama hat nach Florida auch für den Staat South Carolina den Notstand ausgerufen. Er bevollmächtige das Heimatschutzministerium und andere US-Bundesbehörden am Donnerstag zur Koordinierung von Schutz- und Rettungsmassnahmen. Die gleichen Schritte hatte er bereits für Florida angeordnet.
Über zwei Millionen Menschen zwangsevakuiert
Von Miami im Süden Floridas bis hinauf nach South Carolina wurden mehr als zwei Millionen Menschen aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen – die umfassendste Zwangsevakuierung seit dem schweren Sturm Sandy im US-Osten im Jahr 2012. Insgesamt wurde für ein Gebiet mit elf Millionen Menschen eine Hurrikanwarnung ausgegeben.
Bei der Evakuierung kam es auch zu einem tödlichen Schusswechsel. Ein Autofahrer durchbrach in South Carolina eine Strassensperre der Polizei und zog eine Waffe, wie Sheriff Duane Lewis sagte. Daraufhin hätten die Beamten das Feuer eröffnet und ihn verwundet. Später sei er im Krankenhaus gestorben.
Matthew gefährlichster Sturm seit «Andrew»
Experten nannten Matthew den möglicherweise gefährlichsten Sturm seit Andrew, der Florida vor 24 Jahren traf. Er hatte damals schwere Verwüstungen angerichtet und 65 Menschen in den Tod gerissen.
Hurrikan Matthew war in der Nacht zum Donnerstag mit Windgeschwindigkeiten von 185 Kilometern pro Stunde über die Bahamas gezogen. Zuvor hatte er vor allem in Haiti schwere Überschwemmungen und Zerstörungen verursacht.
Mindestens 114 Menschen kamen durch den Sturm in der Karibik ums Leben. Nach Angaben der haitianischen Regierung alleine 108 davon in Haiti, so der Innenminister François Anick Joseph am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Kurz zuvor hatte ein Abgeordneter gesagt, allein in der Gemeinde Roche-à-Bateau im Süden Haitis habe es mindestens 50 Tote infolge des Wirbelsturms gegeben.
Gouverneur von Florida: «Der Sturm wird euch töten»
Es wird jedoch damit gerechnet, dass die Zahl der Toten weiter steigt. Im besonders schwer betroffenen Südwesten der Insel sind viele Gebiete weiterhin nur schwer oder gar nicht zugänglich. In der Dominikanischen Republik kamen vier Menschen ums Leben. 25 Häuser wurden zerstört und 54 Dörfer von der Aussenwelt abgeschnitten.
Auch Floridas Gouverneur Rick Scott warnte am Donnerstag, dass der Sturm Menschenleben kosten könne. «Bringt euch in Sicherheit, dies ist eure letzten Chance. Bleibt weg von den Stränden. Der Sturm wird euch töten», beschwor er am Donnerstag die Küstenbewohner. Erwartet würden schwerste Sturmfluten, Überschwemmungen, Zerstörungen, heftiger Regen und Stromausfälle für Hunderttausende Haushalte.
Küstennähe reicht für eine Katastrophe
Das Hurrikan-Zentrum in Miami berechnete, dass der Sturm zunächst in Küstennähe an Miami vorbeiziehen und das Auge dann zwischen Fort Pierce und Melbourne das Land streifen könnte – möglicherweise mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 230 Kilometern pro Stunde. Auch die sogenannte Space Coast mit dem Weltraumbahnhof Cape Canaveral galt als besonders gefährdet.
Aber auch wenn das Auge des Sturmes auf seinem Zug nordwärts ganz über Wasser bleiben würde, sei wegen der Küstennähe mit möglicherweise katastrophalen Auswirkungen zu rechnen, warnte das Hurrikan-Zentrum.
Millionen Menschen in Haiti betroffen
Berichte über schwerere Zerstörungen auf den Bahamas gab es zunächst nicht. Dagegen wurden in Haiti nach Angaben von Hilfsorganisationen Tausende Häuser zerstört. «Im Süden der Insel wurden wichtige Gebäude wie Kirchen, Kliniken und Gesundheitsstationen beschädigt. Millionen Menschen in Haiti sind von diesem gewaltigen Sturm betroffen», sagte der Landesdirektor der Hilfsorganisation World Vision, John Hasse, am Mittwoch.
Auch Teile der Hauptstadt Port-au-Prince wurden überflutet. Im Slum Cité Soleil seien die Abwasserkanäle übergelaufen und viele behelfsmässige Hütten weggespült worden, berichtete der Leiter der Malteser in der Region, Ravi Tripptrap. Caterina Becorpi vom Deutschen Roten Kreuz in Haiti sagte: «Zwischen Port-au-Prince und den Départements im Süden stürzte die wichtigste Brücke ein, zahlreiche Häuser und Felder wurden zerstört.»
Angst vor Cholera-Ausbruch
Sorgen bereitet den Helfern vor allem die Seuchengefahr durch stehende Gewässer und Unrat. «Wir hatten erst kürzlich wieder einen Cholera-Ausbruch, und solche Überflutungen können einen erneuten Ausbruch natürlich begünstigen», sagte die stellvertretende Care-Länderdirektorin Laura Sewell. «Es wird jetzt in den nächsten Stunden und Tagen wichtig sein, sauberes Wasser bereitzustellen.»
Die Wahlbehörde sagte die für Sonntag geplante Präsidentenwahl wegen der Folgen von Matthew ab. Ein neuer Termin soll in der kommenden Woche bekanntgegeben werden. Damit ist vorerst kein Ende der seit Monaten andauernden politischen Krise in dem völlig verarmten Karibikstaat in Sicht.
Schrecken und Chaos im Südosten der USA
Flüchtende Küstenbewohner im Verkehrsstau, hektische Hamsterkäufe, leere Zapfsäulen und verrammelte Schaufenster: Der Südosten der USA ist am Donnerstag durch den heranrasenden Hurrikan Matthew in Schrecken versetzt worden.
Schulen und Universitäten in Florida schlossen für den Rest der Woche, auch der Freizeitpark «Disney World» machte bis Freitag dicht. Die Behörden verteilten Sandsäcke, während Bewohner eilig Batterien, Transistorradios, Konserven und Trinkwasser einkauften und ihre Wagen auftankten. An einigen Tankstellen wurde bereits das Benzin knapp.
US-Behördenvertreter zeigten sich unterdessen besorgt darüber, dass nicht genügend Bewohner die Evakuierungsbefehle befolgten. In den Verwaltungsbezirken Beaufort und Charleston in South Carolina hatten laut Gouverneurin Nikki Haley zunächst 175'000 Menschen ihre Wohngebiete verlassen, obwohl dort die Anordnung für 250'000 Menschen galt.
Weiterer Hurrikan braut sich in der Karibik zusammen
Nach Angaben des UN-Büros für humanitäre Hilfe (Ocha) ist die Hälfte der elf Millionen Haitianer von dem Wirbelsturm betroffen, einige Regionen waren weiter von der Aussenwelt abgeschnitten. Die USA schickten zur Unterstützung der Rettungsmassnahmen neun Militärhubschrauber sowie drei Marineschiffe nach Haiti, wie das US-Militär mitteilte.
In der Karibik braute sich unterdessen ein weiterer Hurrikan zusammen. Der Tropensturm Nicole, der sich östlich von Matthew nahe der Bermudas befand, habe inzwischen die Stärke eines Hurrikans erreicht, teilte das US-Hurrikanzentrum mit. Nicole habe Windgeschwindigkeiten von bis zu 130 Stundenkilometern und könne innerhalb der kommenden 24 Stunden noch etwas an Stärke zunehmen.
Halten Sie sich gerade an der Atlantikküste in Florida auf? Berichten Sie uns, wie Hurrikan Matthew die Bevölkerung in Atem hält und was Sie gerade erleben.
(chk/sda/dapd/afp)