Obamas Kampf gegen die «dunkle Seite»
Der Vorwahl-Zirkus der Demokraten ist noch nicht vorbei, doch Barack Obama konzentriert sich bereits auf die Wahl im November gegen John McCain. Eine Frage wird dabei im Zentrum stehen: Kann ein Schwarzer überhaupt US-Präsident werden?
- von
- Peter Blunschi
Der prominente Ökonom Paul Krugman ist nicht begeistert. Für ihn fordern die Demokraten «das Schicksal heraus, indem sie einen Schwarzen zu ihrem Präsidentschaftskandidaten küren», sagte er in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger». Es gebe immer noch «diese dunkle Seite der amerikanischen politischen Psyche», meinte Krugman, der als Kolumnist der «New York Times» die Republikaner immer wieder scharf kritisiert. Ihnen biete Obama die letzte Chance, damit zu spielen.
Die Ergebnisse der Vorwahl in Kentucky scheinen Krugman Recht zu geben. Hillary Clinton gewann in dem Staat mit vielen weissen Unterschichts-Wählern haushoch. In Nachwahl-Befragungen gaben 20 Prozent der Wähler offen zu, dass die Hautfarbe der Kandidaten bei ihrer Entscheidung eine Rolle spielte. Ein ähnliches Bild zeigte sich zuvor in Pennsylvania, Indiana und West Virginia. Die «Washington Post» berichtete letzte Woche, dass Obama-Wahlhelfer in diesen Staaten häufig mit Rassismus konfrontiert werden.
Überraschend ist dieser Befund nicht. In ländlichen, mehrheitlich weissen Gebieten ist Krugmans «dunkle Seite» besonders lebendig. Für Beobachter stellt sich die Frage, ob Barack Obama unter diesen Umständen Präsident werden kann. «Obama muss entweder einen Weg finden, diese Wähler von sich zu überzeugen, oder er muss im November die Landkarte neu zeichnen, indem er in Staaten wie Colorado, North Carolina oder Virginia gewinnt, die selten demokratische Kandidaten wählen», so die Analyse von CNN.
Schwarze im Süden mobilisiert
Letzteres scheint nicht unmöglich. Colorado hat eine ähnliche Wählerschaft wie der Staat Orgeon, in dem Obama am Dienstag deutlich gewann und auch bei weissen Wählern mit niedriger Schulbildung gut abschnitt. Und in North Carolina und Virginia könnte sich ausgerechnet seine Hautfarbe als Pluspunkt erweisen. Denn im Süden hat der Senator aus Illinois die schwarzen Wähler in Rekordzahl mobilisiert. In den meisten Staaten hat sich ihre Zahl gegenüber 2004 verdoppelt. David A. Bositis, ein Experte für afroamerikanische Politik, bezeichnete dies gegenüber der «New York Times» als «absolut erstaunlich».
Barack Obama scheint zu gelingen, was der Bürgerrechtler Jesse Jackson bei seiner Kandidatur in den Achtzigerjahren vergeblich versucht hatte: die Schwarzen in den ehemaligen Sklavereistaaten in die Wahllokale zu locken. Einige Analysten vermuten gemäss «New York Times», dass North Carolina und Virginia tatsächlich «in Reichweite des demokratischen Kandidaten» liegen. Im tiefen Süden, in Staaten wie Alabama oder Mississippi, dürfte es Obama jedoch weiterhin schwer haben, glaubt David A. Bositis. Zu gross sind dort die Widerstände der weissen Wähler.
Werben um Latinos in Florida
In Obamas Wahlkampfteam ist man sich der Herausforderung bewusst. Mit Blick auf den November soll die ganze Maschinerie neu aufgebaut werden, berichtet die «Los Angeles Times». Begonnen damit wird in Florida, jenem Staat, der bei der Wahl 2000 zwischen George W. Bush und Al Gore zur Hauptkampfzone wurde. Obama ignorierte den Staat bislang weitgehend, nachdem die demokratische Partei die dortige Vorwahl für ungültig erklärt hatte. Nun wird er gleich die nächsten drei Tage dort verbringen.
In den letzten Tagen haben seine Mitarbeiter gemäss «Los Angeles Times» eine gross angelegte Kampagne für die Registrierung junger und schwarzer Wähler gestartet. Der Kandidat selber wolle in erster Linie um Latinos werben, bei denen er bislang einen schweren Stand hatte. Am Mittwoch werde er sich an die Puertoricaner wenden und am Freitag an die Exilkubaner, die in der Vergangenheit stramm rechts wählten. Jüngere Vertreter allerdings zeigen sich offener, sie verlangen etwa eine Lockerung der strikten Reisebeschränkungen auf die kommunistische Insel. Hier werde Obama ansetzen, «im Kontrast zu John McCains Hardliner-Haltung», schreibt die «Los Angeles Times».
Wirtschaft als Vorteil
Ein weiterer Punkt in Obamas Strategie ist die Einbindung seiner Rivalin Hillary Clinton. Sie zeigte sich am Dienstag gewillt, sich für die Einheit der Partei einzusetzen, «damit im Herbst ein demokratischer Präsident gewählt wird». Und schliesslich dürfte ihm ein weiterer Faktor in die Hände spielen: die miese Wirtschaftslage. Paul Krugman bezeichnet sie im «Tages-Anzeiger»-Interview als «enormen Vorteil für die demokratische Partei». Selbst der Obama-Skeptiker vermutet deshalb, dass dessen Herkunft für die Republikaner nicht genügt: «Sie verlieren trotzdem.»