Internet, Telefon & Co.Obamas Spitzelskandal weitet sich aus
Der US-Geheimdienst zapft auch die Server der Internet-Giganten an. Mitgelesen werden die Daten von allen Grossen: Microsoft, Yahoo, Google, Facebook und Co.
- von
- bem
Der US-Geheimdienst hat der «Washington Post» zufolge direkten Zugang zu den Computersystemen von neun der führenden Internet-Konzerne des Landes. Auf diese Weise greife er massenweise auf E-Mails, Fotos, Videos, Dokumente und Audio-Dateien zu.
Wie die «Washington Post» am Donnerstag berichtete, arbeiten die Unternehmen Microsoft, Yahoo, Google, Facebook, PalTalk, AOL, Skype, YouTube und Apple wissentlich als Teil des PRISM-Programms mit dem Nachrichtendienst NSA und der Bundespolizei FBI zusammen. In ersten Stellungnahmen wiesen mehrere der Konzerne den Vorwurf zurück, direkten Zugang zu ihren Servern zu gewähren.
Ein Whistleblower gelangte an die «Post»
Die «Washington Post» schreibt, die ihr vorliegenden Dokumente und PowerPoint-Vorlagen zu dem bislang streng geheimen Programm seien ihr von einem Geheimdienstmitarbeiter zugespielt worden, der über die nach seiner Sicht grobe Verletzung der Privatsphäre der Nutzer entsetzt gewesen sei.
«Die können im wahrsten Sinne des Wortes sehen, wie Sie beim Tippen Ihre Gedanken ausformulieren», wurde der Insider zitiert. Wer als Kongress-Abgeordneter von dem Programm wisse, unterliege einer Schweigepflicht.
In US-Kreisen wurde die Existenz des Programms bestätigt. Ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter sagte der Nachrichtenagentur Reuters, erfasst würden nur die Daten von Nicht-US-Bürgern, die ausserhalb des Landes lebten. Der Kongress habe das Programm jüngst «nach ausführlichen Anhörungen und Debatten» verlängert.
Apple wehrte sich fünf Jahre lang
Microsoft habe 2007 als erster sogenannter «Partner im Privatsektor» am Programm teilgenommen, schreibt die «Washington Post» weiter. Apple verweigerte demnach fünf Jahre lang die Mitarbeit, bevor der Konzern auch beigetreten sei.
Zwar sei PalTalk ein deutlich kleinerer Dienst als die anderen. Er sei jedoch während des arabischen Frühlings und des Bürgerkriegs in Syrien rege genutzt worden. Der Online-Speicherdienst DropBox solle «in Kürze» dazustossen. Twitter war auf der Liste nicht vertreten.
Unternehmen dementieren Teilnahme
Facebook, Google, Yahoo, Apple und Microsoft teilten am Freitag mit, sie hätten keine «Hintertür» installiert, über die Behörden direkt auf ihre Server zugreifen könnten. Die Unternehmen erklärten, dass Daten an Behörden nur auf der Basis eines Gerichtsbeschlusses übergeben würden. Dieses Verfahren ist bekannt, Google etwa veröffentlicht in seinen Transparenz-Berichten regelmässig eine Statistik zu solchen Anfragen.
«Wir übergeben Daten der Regierung in Einklang mit dem Gesetz und wir prüfen alle solchen Anfragen gründlich. Von Zeit zu Zeit wird behauptet, dass wir für die Regierung eine ‹Hintertür› zu unseren Systemen geschaffen haben, aber Google hat keine Hintertür, über die die Regierung Zugriff auf private Daten der Nutzer hat», sagte jetzt Sprecher Kay Oberbeck.
Apple: «Noch nie von PRISM gehört»
Das weltgrösste Online-Netzwerk Facebook gab eine ähnliche Erklärung ab: «Wir gewähren keiner Regierungsorganisation direkten Zugang zu Facebook-Servern.» Jede Anfrage nach Daten oder Informationen zu bestimmten Personen werde gründlich nach der Gesetzeslage geprüft und nur so weit wie rechtlich nötig erfüllt.
Apple erklärte, nie von PRISM gehört zu haben. «Wir geben keiner Regierungsbehörde direkten Zugang zu unseren Rechnern. Und jede Regierungsbehörde, die Kundendaten anfordert, muss eine entsprechende Gerichtsanweisung haben», sagte ein Sprecher dem «Wall Street Journal«-Blog «All Things D».
Microsoft betonte ebenfalls, man gebe Daten von Kunden auf Grundlage von rechtlich bindenden Forderungen weiter. «Wenn die Regierung ein breiter angelegtes nationales Sicherheitsprogramm zur Sammlung von Kundendaten hat, nehmen wir nicht daran teil», hiess es in einer vom Blog «TechCrunch» veröffentlichten Erklärung.
Auch Yahoo erklärte: «wir gewähren der Regierung keinen direkten Zugang zu unseren Servern, Systemen oder Netzwerken.»
Zweite Enthüllung
Der Bericht über das PRISM-Programm wurde nur Stunden nach der Enthüllung einer grossangelegten Sammlung von Telefon-Verbindungsdaten durch die US-Geheimdienste veröffentlicht. Obama stand schon vorher in der Kritik, weil sich seine Regierung heimlich Telefon-Daten von Journalisten der Nachrichtenagentur AP und zu E-Mails eines Fox-Fernsehreporters verschaffte. (bem/sda)