Öffentlichkeitsprinzip: Regierung will Zugang zu Behördenprotokollen verhindern

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ÖffentlichkeitsgesetzRegierung schmuggelt Geheimhaltungsklausel ins Gesetz

Das Öffentlichkeitsgesetz soll totalrevidiert werden. Im Gesetzesentwurf steht neu eine Geheimhaltungsklausel, die für Kritik sorgt.

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Das Öffentlichkeitsprinzip gewährt den Bürgerinnen und Bürgern Einsicht in staatliche Dokumente. 

Das Öffentlichkeitsprinzip gewährt den Bürgerinnen und Bürgern Einsicht in staatliche Dokumente. 

IMAGO/blickwinkel
Das Öffentlichkeitsgesetz des Kantons Zürich soll totalrevidiert werden. In den nächsten Wochen stimmt der Kantonsrat über den Gesetzesentwurf ab. 

Das Öffentlichkeitsgesetz des Kantons Zürich soll totalrevidiert werden. In den nächsten Wochen stimmt der Kantonsrat über den Gesetzesentwurf ab. 

URS JAUDAS
Martin Stoll, Geschäftsführer des Vereins Öffentlichkeitsgesetz.ch, kritisiert eine Geheimhaltungsklausel, die sich bislang unbemerkt in den Gesetzesentwurf eingeschlichen hat. 

Martin Stoll, Geschäftsführer des Vereins Öffentlichkeitsgesetz.ch, kritisiert eine Geheimhaltungsklausel, die sich bislang unbemerkt in den Gesetzesentwurf eingeschlichen hat. 

SonntagsZeitung

Darum gehts: 

  • Das Öffentlichkeitsgesetz des Kantons Zürich soll totalrevidiert werden.

  • Martin Stoll, Geschäftsführer des Vereins Öffentlichkeitsgesetz.ch hat im Gesetzesentwurf eine Geheimhaltungsklausel entdeckt. 

  • Wird diese Geheimhaltungsklausel angenommen, bleiben Protokolle nicht öffentlicher Sitzungen künftig geheim. Man hat dann also trotz Öffentlichkeitsprinzip kein Einsichtsrecht mehr.

Was ist das Öffentlichkeitsgesetz?

Will eine Person die Dokumente – Protokolle, Berichte, Aufzeichnungen, Auszüge aus Datenbanken oder Agenden – des Kantons oder des Bundes einsehen, kann sie den Zugang dazu über das Öffentlichkeitsgesetz anfordern. Eine Verwaltung, die nach dem Öffentlichkeitsprinzip funktioniert, legt ihre Dokumente und Daten allen Personen offen, ohne eine Begründung zu verlangen. Sofern kein übergeordnetes Interesse, etwa die Sicherheit des Staates, im Weg steht, müssen die Behörden den Zugang gewähren.

Der Gedanke dahinter: Mithilfe der Dokumenteneinsicht soll die Bevölkerung die fertigen Beschlüsse nachvollziehen und verstehen können, wie es zu diesen Entscheiden gekommen ist. Auf das Öffentlichkeitsgesetz berufen sich häufig auch Medienschaffende.

Das Öffentlichkeitsgesetz soll im Kanton Zürich nun totalrevidiert werden. Über den Gesetzesentwurf stimmt der Kantonsrat in den nächsten Wochen ab.

Darum sorgt die Reform für Kritik

Martin Stoll, Geschäftsführer des Vereins Öffentlichkeitsgesetz.ch, hat sich den Gesetzesentwurf zur Revision angeschaut und hat dabei den Paragraph 18b entdeckt, der ihm sauer aufstösst. Er lautet: «Vom Informationszugang ausgenommen sind bei den übrigen öffentlichen Organen die Protokolle nicht öffentlicher Sitzungen.»

Einfach gesagt bedeutet dieser Paragraph nichts anderes als eine Geheimhaltungsklausel. Die Folge wäre, dass dadurch ein grosser Teil der öffentlichen Behördenarbeit künftig geheim bliebe. Als Beispiel dazu nennt die «NZZ» etwa die Aufzeichnungen von Gesprächen mit Lobbyisten, die durch diesen Paragraphen nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich wären. Auch Protokolle interner Task-Forces, wie jener zum Lehrermangel, blieben so künftig geheim. Bei letzterem Beispiel kam durch den «Beobachter» ans Licht, dass jene Task-Force während dreier Jahre nie getagt hatte – und das bei einem wachsenden Lehrpersonenmangel.

Wann und wie hat sich die Geheimhaltungsklausel eingeschlichen?

Wie die «NZZ» weiter schreibt, sei die Geheimhaltungsklausel ursprünglich gar nicht Teil des Gesetzes gewesen. So habe der entsprechende Paragraph in einem Vorentwurf der Regierung im Juni 2022 gefehlt. Die Parteien, Gemeinden und Interessengruppen diskutierten also über einen Entwurf, der noch keine Geheimhaltungsklausel enthielt. Diese sei demnach erst im Nachhinein in den fertigen Gesetzesentwurf eingefügt worden. Das bedeutet: Niemand konnte sich bisher dazu äussern.

Ebenfalls unerwähnt blieb der neue Paragraph in der Medienmitteilung, mit der der Kanton über die Revision des Öffentlichkeitsgesetzes informierte. In der über 100-seitigen Erläuterung zur Revision sei der neue Paragraph zwar erwähnt – allerdings nur in einem Satz. Stoll vermute deshalb, dass die Geheimhaltungsklausel aus der Verwaltung selbst gekommen sei.

Das sagt die Regierung zu den Vorwürfen

Regierungssprecher Andreas Melchior sagt, dass der Kanton mit der Geheimhaltung interner Protokolle die Meinungsbildung in der Verwaltung schützen wolle. Beamtinnen und Beamte sollen sich an den Sitzungen «frei äussern können».

Wie die Geheimhaltungsklausel in den Gesetzesentwurf gelangt sei, habe Melchior nicht beantwortet. Es heisst lediglich, dass ein «genereller Input» dazu geführt habe. Was das «Kollegialitätsprinzip» angehe, erklärt der Regierungssprecher, dass dieses Prinzip bereits gelte. An der Rechtslage würde sich damit nichts ändern.

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