Menschenhandel: «Opfer werden von Tätern oft eingeschüchtert»

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Menschenhandel«Opfer werden von Tätern oft eingeschüchtert»

Der Kanton Solothurn verzeichnet schweizweit am meisten Fälle von Frauenhandel. Kapo-Sprecher Bruno Gribi erzählt im Interview, wieso dies so ist.

Mira Weingartner
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Mira Weingartner
Bruno Gribi, Sprecher Kapo Solothurn, erklärt, die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Solothurn wollten gezielt gegen den Menschenhandel vorgehen.

Bruno Gribi, Sprecher Kapo Solothurn, erklärt, die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Solothurn wollten gezielt gegen den Menschenhandel vorgehen.

Nirgends in der Schweiz gibt es im Verhältnis zur Einwohnerzahl mehr Fälle von Frauenhandel als im Kanton Solothurn, berichtete die «Solothurner Zeitung». 20 Minuten hat bei Bruno Gribi, Mediensprecher der Kantonspolizei Solothurn, nachgefragt.

20 Minuten: Üben im Kanton Solothurn tatsächlich mehr Menschenhändler ihre Machenschaften aus oder ermitteln Ihre Polizisten intensiver als anderswo in der Schweiz?

Bruno Gribi: In den letzten Jahren wurden der Polizei Kanton Solothurn vermehrt Fälle von Menschenhandel und Förderung der Prostitution bekannt. Entsprechende Anzeigen gingen unter anderem von Opfern ein, die aus dem Milieu geflüchtet sind. Mit dieser Ausgangslage wurde gegen verschiedene Gruppierungen ermittelt, die im Rotlichtmilieu tätig sind.

Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Solothurn haben sich zum Ziel gesetzt, gezielt gegen den Menschenhandel vorzugehen, und setzen dafür auch entsprechende personelle Ressourcen ein.

Wurde die solothurnische Kantonspolizei denn auch für solche Fälle speziell geschult?

Die zuständigen Ermittler verfügen über Spezialwissen in diesem Bereich. Dieses wurde durch Kurse, den Austausch mit anderen Spezialisten und durch verschiedene Ermittlungsverfahren angeeignet. Sie kennen sich mit der Vorgehensweise der Täter aus und wissen, wie man im Strafverfahren mit Opfern umgehen muss.

Wie aufwendig sind die Ermittlungen in solchen Fällen?

Die Ermittlungen gestalten sich sehr schwierig und zeitaufwendig, da die Täter sehr gut vernetzt und organisiert sind. Eine grosse Herausforderung stellt vor allem die Arbeit mit den Opfern dar, da diese von den Tätern oftmals eingeschüchtert und instruiert werden, was sie bei der Polizei aussagen – oder eben nicht sagen – sollen. Zudem existiert zwischen Täter und Opfer meist eine gewisse Abhängigkeit: Die Opfer kommen aus ärmlichen Verhältnissen und sehen die Prostitution als einzigen Weg, ein Einkommen zu haben und so Geld für die Familie zu verdienen. Ohne entsprechende Opferaussagen ist es für die Strafverfolgungsbehörden teilweise schwierig, einen Beschuldigten überführen zu können. Ermittlungen in diesem Bereich dauern daher meist Monate oder Jahre.

Wie hoch sind die Kosten solcher Einsätze in etwa?

Die Kosten können nicht beziffert werden. Durch oft notwendige Dolmetscher, die Unterbringung der Opfer in entsprechenden Institutionen und zeitaufwendige Ermittlungen sind sie aber auch entsprechend hoch. Zudem sind nebst der Kapo auch weitere Partner an den Ermittlungen beteiligt, etwa Fedpol, die Opferhilfestelle des Kantons oder die Fachstelle für Frauenhandel und Frauenmigration aus Zürich.

Woher stammen Opfer und Täter?

Menschenhandel existiert fast überall. Oft stammen Täter und Opfer aus dem gleichen Land, der gleichen Region oder aus dem gleichen Dorf. Der Druck auf die Opfer wird somit auch im Heimatland ausgeübt. Dann man kennt sich und weiss, wer die Familie des Opfers ist. Teilweise sind Täter und Opfer sogar verwandt.

Wo werden diese Frauen zum Arbeiten gezwungen?

Im Kanton Solothurn existiert nach wie vor der Strassenstrich Olten, wo sich die Frauen prostituieren. Ferner finden sich Opfer in Bordellen, Privatwohnungen und Mehrfamilienhäusern.

Bis 3000 Opfer

1500 bis 3000 Menschenhandel-Opfer soll es laut Schätzungen des Bundes in der Schweiz geben. Von den Solothurner Behörden werden schweizweit am meisten Fälle aufgedeckt. Ein Grund dafür sei etwa die geographische Lage an der Hauptverkehrsachse der Schweiz, die für ein florierendes Sexgewerbe sorge, schreibt die «Solothurner Zeitung».

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