Fall Kampusch: Parlamentarier im Zweifel vereint

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Fall KampuschParlamentarier im Zweifel vereint

Im Untersuchungsausschuss des österreichischen Parlaments herrscht offenbar Einigkeit über sämtliche Fraktionen hinweg, dass es mehr als einen Täter im Fall Kampusch gibt.

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Natascha Kampusch gab am 4. März 2012 ein Exklusiv-Interview im ORF.

Natascha Kampusch gab am 4. März 2012 ein Exklusiv-Interview im ORF.

Am Montagabend meldete sich Natascha Kampusch erstmals zu Wort, seit das Parlament in Wien ihren Fall in einem geheimen Unterausschuss überprüft. In einem Interview in der ORF-Sendung «Thema» sagte sie unter anderem, sie habe immer nur einen Täter gesehen.

Den Auftritt hat der rechtsbürgerliche BZÖ-Abgeordnete Ewald Stadler nicht mitverfolgt. Doch er hat Kenntnis, wie der Stand der Dinge im Untersuchungsauschuss ist, der seit Dezember im Auftrag des östereichischen Parlaments tagt und inzwischen wohl mit Abstand über die beste aktuelle Akten- und Dokumentenlage verfügt. Stadler: «Die Fakten sind eindeutig. Inzwischen sind alle Fraktionen im parlamentarischen Unterausschuss davon überzeugt, dass es mindestens einen weiteren Mittäter gibt und dass Kampusch ihn oder sie deckt. Auch haben alle Fraktionen Zweifel an der Selbstmordtheorie von Entführer Wolfgang Priklopil.»

Beim Unterausschuss handelt es sich nicht um einen eigens installierten Untersuchungsausschuss, sondern um ein permanentes Gremium im Nationalrat. Dem Ausschuss gehören Vertreter aller politischen Fraktionen an. Die Mitglieder sind zu strenger Verschwiegenheit verpflichtet und dürfen deshalb nicht selber Stellung nehmen. Ausschuss-Obmann ist Werner Amon (ÖVP). Er wurde für seine Ende Februar, nach Einsicht in die Akten, gemachte Aussage, dass aus seiner Sicht die Einzeltäter-Theorie nicht aufrechtzuerhalten ist, stark kritisiert. Amon erklärte, er sei kein Anhänger von Verschwörungstheorien, doch es gebe «ein dickes Dossier über unterlassene Ermittlungsschritte» und forderte: «Die volle Wahrheit muss jetzt ans Licht.» Der Abschlussbericht des Ausschusses wird Ende März erwartet.

Die Wahrheit versus höhere Staatsinteressen

Sorgen machen Stadler die Aussagen der ermittelnden Staatsanwälte in Wien, die die ungenauen Ermittlungsarbeiten mit der «Staatsraison begründen», wie er erklärt, also das Interesse des Staates, das über alle anderen Interessen gestellt wird. «Von Beginn an hat man eine Unlust an den Ermittlungen wahrgenommen. Da fragt man sich, wieso und – vor allem – wer hängt da mit drin?», so der Abgeordnete.

Dass das FBI und das BKA in Wiesbaden jetzt in die Aufklärung des Kriminalfalls einbezogen werden sollen, sieht Stadler als ein positives Zeichen. «Es ist wichtig, dass eine unabhängige Stelle ausserhalb der Wiener Staatsanwaltschaften einbezogen wird.» Die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein findet den Auftrag an die ausländischen Ermittlungsbehörden ebenfalls richtig: «Die Frage ist nur, bekommen die tatsächlich alle Unterlagen?»

Im Gegensatz zu Stadler beobachtete Belakowitsch-Jenewein Kampuschs Interview sehr genau. Dabei ist ihr eine Aussage des Entführungsopfers aufgefallen. «Thema»-Moderator Christoph Feuerstein hatte Kampusch gefragt, wieso sie bei ihrer ersten ärztlichen Kontrolle – nach acht Jahren Gefangenschaft – die Frage gestellt habe, wie lange eine Schwangerschaft nachzuweisen sei. Sie antwortete: «Es hat mich einfach interessiert, weil mich Biologie interessiert.» In der dokumentierten Einvernahme im August 2006 hatte Kampusch dazu allerdings noch wegwerfend bemerkt: «Egal, es ist eh schon lange her.» Feuerstein versäumte es im Interview, Kampusch zu fragen, was sie denn mit dieser Äusserung gemeint haben könnte.

Kampuschs Aussage, sie habe sich einfach für Biologie interessiert, steht im klaren Widerspruch zu jener des Wiener Staatsanwalts Thomas Mühlbacher: 24 Stunden zuvor hatte Mühlbacher in der ORF-Sendung «Im Zentrum» behauptet, die Frage nach der Schwangerschaft habe sich aufgrund einer Unregelmässigkeit in Kampuschs Monatsblutung ergeben. Das sei aktenkundig, fügte Mühlbacher hinzu. «Entweder hat einer von beiden gelogen, oder Staatsanwalt Mühlbacher hat andere Akten als wir im Parlament», meint Belakowitsch-Jenewein gegenüber 20 Minuten Online dazu.

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