Daten-AnalysePendlerhölle Mendrisio, Pendlerhimmel Wattwil
Wer in Mendrisio oder Basel ankommt, muss eher mit Verspätungen rechnen als Passagiere, die nach Zürich oder St. Gallen reisen.
- von
- Nikolai Thelitz
Eine Datenanalyse von 20 Minuten zeigt: Die am häufigsten verspäteten Züge in der Schweiz kommen meist aus Italien. Eurocity-Linien, die von Domodossola aus in Brig ankommen, und verschiedene S-Bahnen im Tessin sind am häufigsten mit Verspätung unterwegs.
Dies schlägt sich auch in der Pünktlichkeits-Statistik der Bahnhöfe nieder. Unter den grösseren Bahnhöfen (mehr als 20'000 Ankünfte seit Jahresbeginn) schneidet Mendrisio mit 30 Prozent verspäteten Verbindungen am schlechtesten ab. Auf Platz 2 folgt Spiez mit 18 Prozent, Bronze geht an Giubiasco mit 16 Prozent. Danach kommen Basel (16%) und Yverdon-les-Bains (15%).
Zürich und Ostschweiz sind pünktlicher als Bern
Die pünktlichsten Bahnhöfe in der Statistik sind Wattwil (1,5%), Bülach (2,3%) und Wetzikon (2,4%). Unterschiede zeigen sich auch regional: Am Zürcher HB sind 6,2 Prozent der ankommenden Züge verspätet, in Winterthur sind es 4,5 Prozent, in Uster gar nur 2,7 Prozent. In Bern hingegen kommen 9,1 Prozent der Züge zu spät an, in Thun sind es 14,9 Prozent.
Edwin Dutler von Pro Bahn führt diesen Unterschied auf einen anderen Ausbaustandard zurück: «Der Kanton Bern hat es verpasst, das Steckennetz auszubauen, wie dies etwa die Zürcher getan haben. Viele kleinere Strecken sind nur eingleisig, so dass sich eine Verspätung stärker auf andere Züge auswirkt.» In Zürich und in der Ostschweiz sei es hingegen so, dass durch Beiträge vom Kanton und durch Anreize für Pünktlichkeit ein sehr zuverlässiges System geschaffen wurde. «Die Region ist europaweit top», so Dutler.
«Wichtig ist Pünktlichkeit am Zielbahnhof»
Bei der SBB arbeitet man laut Sprecher Daniele Pallecchi mit Hochdruck an einer Verbesserung im Tessin und der Lombardei. Für den Kunden sei es aber wichtiger, am Zielbahnhof pünktlich anzukommen, als die Pünktlichkeit an einem Bahnhof unterwegs zu kennen. «Wenn ich etwa von Baden nach Chur fahre, ist es wichtig, dass ich beim Umsteigen in Zürich rechtzeitig den Anschlusszug erwische. Wenn ich in Sargans dann ein paar Sekunden später als geplant bin, ist mir das weniger wichtig», so Pallecchi. Trotzdem wollten natürlich auch die Sarganser ihren Anschluss erreichen, das würden sie dank der eingeplanten Pufferzeit auch tun.
Zu den regionalen Unterschieden sagt Pallecchi, in einem stark genutzen Netz wie dem der Schweiz könnten auch Bauarbeiten die Pünktlichkeit beeinflussen. «Wichtig bleibt, dass das fein abgestimmte Räderwerk des Schweizer Bahnsystems stabil bleiben kann.»
Details zur Datenanalyse
20 Minuten hat analysiert, wie viele Ankünfte an einem Bahnhof drei Minuten oder mehr Verspätung aufweisen. Es wurden alle Verbindungen vom 1. Januar bis zum 24. April berücksichtigt, die regelmässig verkehren(ab 100 Stops bei den Verbindungen, 1000 Stopps bei den Linien) und von grösseren Schweizer Transportunternehmen geführt werden.
Die Daten zu den Ankunftszeiten beruhen meist auf Berechnungen. Laut SBB wird an 53 Punkten die Pünktlichkeit gemessen und für die alle Haltestellen berechnet. Diese Berechnungen seien präzise und würden überprüft,sagt SBB-Sprecher Daniele Pallecchi. Der Datensatz könne jedoch Fehler wie falsch zugeordnete Züge oder fehlende und doppelt erfasste Verbindungen enthalten. Die Daten seien darum «mit Vorsicht zu geniessen».
Die Daten sind frei verfügbar unter opentransportdata.swiss.