Medikamenten-PreisePharma-Lobby hat Politiker fest im Griff
Eigentlich sollten die Konsumenten spätestens ab November von tieferen Medikamentenpreisen profitieren. Doch die Gesundheitslobby zwingt den Bundesrat wohl dazu, den Entscheid zu überdenken.
- von
- J. Pfister
Seit Gesundheitsminister Alain Berset im Frühjahr beschlossen hat, die Medikamentenpreise um 20 Prozent zu senken, ist Feuer unter dem Dach. Die Pharmaindustrie drohte umgehend mit Klagen gegen die einseitige Senkung des Wechselkurses auf 1.29 Franken und wurde auch bei Politikern vorstellig. Mit Erfolg: Die aufgeschreckte Gesundheitskommission des Nationalrats hat darauf einen Vorstoss verabschiedet, der Berset dazu zwingen soll, sich mit der Industrie und den Versicherern nochmals an den Tisch zu setzen und andere Lösungen zu suchen.
Nächste Woche nun kommt dieser Vorstoss in den Nationalrat. Wird er angenommen, wären Bersets Bemühungen, die vor allem den Konsumenten zugutekommen sollten, umsonst. «Entweder es käme zu einer Blockade, weil sich Versicherer und Pharma nicht einig werden, oder die Pharma setzt wieder höhere Preise durch», prognostiziert der grünliberale Nationalrat Thomas Weibel, der sich als einer der wenigen in der Kommission gegen Neuverhandlungen ausgesprochen hat.
Dieser Meinung ist auch Josiane Walpen vom Schweizerischen Konsumentenschutz (SKS): «Wird der Vorstoss angenommen, ist das Risiko gross, dass bei den Neuverhandlungen auch die Medikamentenpreise wieder erhöht werden.» Deshalb hat der SKS am Mittwoch noch ein letztes Mal alle Parlamentarier per Brief aufgerufen, die Motion abzulehnen.
«Pharma braucht gute Bedingungen»
Auf viel Gehör wird der SKS mit seinem Aufruf jedoch nicht stossen. «Ich begreife zwar, dass der Bundesrat für die Versicherten möglichst günstige Bedingungen aushandeln will. Wir haben aber auch die Aufgabe, dass der Wirtschaftsstandort Schweiz stark bleibt und dafür braucht die Pharma gute Arbeitsbedingungen», sagt SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi. Immerhin trage die Pharmaindustrie 10 Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei. Deshalb brauche es eine Lösung, mit der alle Beteiligten leben können.
Dass die Politik sich mit dieser Einmischung selbst zum verlängerten Arm der Pharmafirmen macht, glaubt Bortoluzzi, der sich selbst für die Pharma-Consultingfirma Accertis engagiert, nicht. «Wir fällen den Entscheid ja nicht, sondern der Bundesrat zusammen mit den verschiedenen Akteuren.»
«Mehr als zwei Drittel importiert»
Ähnlich klingt es bei CVP-Nationalrätin Ruth Humbel, die zusammen mit Bortoluzzi in der Arbeitsgruppe «Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz» sitzt. Sie verstehe nicht, dass Pharma-Unternehmen bestraft werden sollen und gleichzeitig in anderen Branchen wegen des starken Frankens Unterstützungsmassnahmen diskutiert werden. Es sei deshalb wichtig, dass sich die Beteiligten nochmals an einen Tisch setzen.
Dieser Meinung sind selbst die Krankenkassen. «Wir begrüssen eine im Einvernehmen mit der Pharmaindustrie ausgehandelte Lösung», sagt Santésuisse-Sprecherin Anne Durrer. Im Gegensatz zur Pharma wollen die Versicherer aber noch tiefere Medikamentenpreise aushandeln. «Die Preise sind immer noch zu hoch – vor allem, weil mehr als zwei Drittel der durch die Versicherung übernommenen Medikamente aus dem Ausland stammen», so die Santésuisse-Sprecherin.
Erfolgreiches Lobbying
Mit dieser breiten Allianz verschiedenster Akteure aus dem Gesundheitswesen stehen die Chancen für den Vorstoss sehr gut. Hinzu kommt, dass wohl keine andere Branche derart erfolgreich Lobbying im Bundeshaus betreibt wie die Pharmaindustrie. So ist es auch kein Wunder, dass die Neuverhandlungen selbst bei linken Parlamentariern auf Anklang stossen. «Diese holt die Pharma jeweils mit dem Argument ab, dass bei tieferen Medikamentenpreisen Tausende Arbeitsplätze in Gefahr sind», sagt ein Insider. Und falls dies nicht reiche, würden den Politikern auch mal gut bezahlte Beratungsmandate angeboten.
Angesprochen auf die Lobbyarbeit der Pharmaindustrie, sagt der Cheflobbyist Thomas Cueni vom Branchenverband Interpharma: «Natürlich geben wir uns Mühe, dass das Anliegen durchkommt.»
So senkt der Bundesrat die Preise
In der Schweiz gibt der Bundesrat die Leitplanken für die Medikamentenpreise vor. Er tut dies in Absprache mit der Arzneimittelkommission, wo die Pharmaindustrie, die Krankenkassen, Konsumentenvertreter sowie Ärzte und Apotheker Einsitz, nehmen. Bisher hatte sich Bundesrat an den Medikamentenpreisen im Ausland orientiert. Weil der Schweizer Franken gegenüber dem Euro stark gestiegen ist, hat der Bundesrat dieses Jahr entschieden, für die Berechnung der Medikamentenpreise einen neuen Umrechnungskurs anzuwenden. Dieser lag bei Fr. 1.58 und wurde vom Bundesrat auf Fr. 1.29 gesenkt.