St. GallenExperte erkennt «massive Verstösse» – HSG-Professor unter Plagiat-Verdacht
Einem Professor der Universität St. Gallen werden Plagiate in seiner Habilitation vorgeworfen. Ein Gutachter spricht von dreisten Plagiaten, die grossflächig eingearbeitet worden seien. Eine Untersuchung der HSG sieht hingegen kein Fehlverhalten.
Darum gehts
Ein Professor der HSG soll sowohl in seiner Dissertation als auch seiner Habilitation Plagiate verwendet haben.
Als Plagiat bezeichnet man zum Beispiel die Übernahme von fremden Texten, also überspitzt gesagt Abschreiben.
Der Anwalt des Professors sagt, die Vorwürfe seien haltlos.
Die HSG hat den Fall einer Untersuchungskommission unterbreitet. Diese hat kein wissenschaftliches Fehlverhalten festgestellt.
Studierenden an der HSG ist vor rund einem Jahr aufgefallen, dass einer ihrer Professoren in seinen Arbeiten abgeschrieben haben soll. Das berichtet am Freitag das «Tagblatt». So sollen in seiner Habilitation viele Passagen gar nicht von ihm stammen, lautet der Vorwurf der Zeitung. Der Mann unterrichtet Studierende, betreut Doktorandinnen und Doktoranden. Er verdient laut Zeitung jährlich 200’000 Franken.
Die Studierenden haben sich beim Verfassen ihrer Arbeiten an strenge Regeln beim Zitieren zu halten und werden darauf hingewiesen, ihre eigenen Arbeiten auf Plagiate zu prüfen, um eine schlechte Benotung zu vermeiden. Ein Plagiatsexperte hat für das «Tagblatt» die Habilitation analysiert. Er kommt zum Schluss, dass «massiv gegen Zitierstandards verstossen wurde». Auch Eigenplagiate hat der Experte festgestellt. So hat der Professor in seiner Habilitation aus seiner Doktorarbeit zitiert. «Man erkennt eine klare Verschleierungstaktik des Plagiators. Mal wurde ein einzelnes Verb ausgewechselt, mal einfach ein Satz umgestellt, damit es nicht auf den ersten Blick klar wird, dass der Satz nicht von ihm ist.» Das sei so definitiv nicht zulässig.
HSG hat keine Verstösse festgestellt
Die HSG sieht das anders. Die Universität St. Gallen hat den Vorwurf, dass ein HSG-Professor abgeschrieben hat, untersucht. Man hat letztes Jahr gemäss internen rechtlichen Vorgaben eine Kommission eingesetzt, um die Anschuldigung zu überprüfen. «Die Kommission ist dem Vorwurf zusammen mit einem externen Spezialisten nachgegangen. Dabei kam auch eine Plagiatssoftware zum Einsatz, mit der die fragliche Arbeit analysiert wurde», teilt die HSG auf Anfrage mit. «In einem langen und gründlichen Verfahren konnten allerdings keine Verstösse festgestellt werden, die so schwer wiegen, dass von einem Plagiat gesprochen werden kann.»
Unter Plagiat versteht man das unrechtmässige Übernehmen von Formulierungen. Wichtig laut HSG: «Eine solche Prüfung muss von Spezialisten durchgeführt werden, die das Thema inhaltlich und fachlich beurteilen können.» Es gehe um den wissenschaftlichen Wert der fraglichen Abschnitte. «Das Nachzählen von Textstellen reicht nicht aus. Es braucht eine inhaltliche Gesamtbeurteilung.» Zu diesem wichtigen Punkt mache die aktuelle Berichterstattung leider keine Aussagen, bedauert die Universität in ihrer Stellungnahme.
Der Anwalt des Professors hält im Artikel des «St. Galler Tagblatts» ebenfalls fest, dass «weder eine Verletzung von wissenschaftlichen Standards noch ein wissenschaftliches Fehlverhalten im Sinne der Integritätsrichtlinien» erkennbar sei.
Externe Untersuchung gefordert
Die Anwältin Senta Cottinelli kritisiert allerdings die Untersuchungen. Sie befasst sich seit Jahren in diversen Verfahren mit der HSG. Cottinelli hat der Universität den Plagiatsverdacht im Fall des Professors gemeldet. Darauf hin hat die Universität verlauten lassen, dass kein Fehlverhalten festgestellt wurde.
Die Anwältin ist vom Vorgehen der Universität enttäuscht. «Generell muss für Professoren bei wissenschaftlichen Arbeiten mindestens der gleiche Massstab gelten wie für Studierende. Die Untersuchungen bei solchen Meldungen sind professionalisiert, extern und vollständig unabhängig durchzuführen», schreibt sie am Freitag in einem Statement.

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