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ESCPlastikpenis soll dem SF Quote bringen

Mundartrapper Abdul Damja nennt sich selber geisteskrank und polarisiert auf der Bühne mit Plastik-Penis, Nacktheit und Kunstblut. Nun hat ihn ausgerechnet das Schweizer Fernsehen für die Eurovision-Vorausscheidung angefragt.

David Cappellini
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David Cappellini

Der Luzerner Abdul Damja und seine Kumpels können wohl als alles Mögliche bezeichnet werden – bloss normal sind sie nicht. Mit irren Live-Shows, bei denen auch mal Plastikpenisse, Kunstblut oder volle Windeln zum Zug kommen, polarisiert Damja seit einem knappen Jahrzehnt in der Schweizer Rap-Szene. Zurückhaltung kennt der Musiker keine – so trat er an Gigs auch schon nackt auf. Sein Debüt-Album, welches im Juni erschien, trägt bezeichnenderweise den Namen «Leader des Wahnsinns».

Nun wurde ausgerechnet der verrückte 27-Jährige – mitsamt seinen musikalischen Wegbegleitern namens Contravoz y Guantazo - vom Schweizer Fernsehen angefragt, um bei der Vorausscheidung zum Eurovision Song Contest teilzunehmen – wohl auch um dem Event den nötigen Trash-Faktor zu verleihen. «Hätten wir selber erwogen am ESC teilzunehmen, könnte man uns als Vollidioten abstempeln. Aber da wir angefragt worden sind, hat das Ganze irgendwie Stil und kann als Sozialkritik im Clownsgewand aufgefasst werden», meint Damja denn auch gegenüber 20 Minuten Online.

Gute Chancen dank neuem Verfahren?

Provokation als Mittel zum Zweck – doch darf einer wie Abdul Damja wirklich zum ESC fahren? «Wir rufen sehr viele bekannte und unbekannte Künstlerinnen und Künstler aus allen Stilrichtungen auf, einen Song auf unser Portal zu laden. Der Trashfaktor spielt keine Rolle», relativiert SF-Sprecher Marco Meroni. Einzige Regel für eine Teilnahme: Die Songs dürfen keine Gewalt verherrlichende, sexistische, rassistische oder obszöne Inhalte haben. Was dem SF noch nicht ganz klar zu sein scheint: Bei Damja gehört das zum Konzept.

Allerdings dürfte auch das Schweizer Fernsehen vom schrillen Künstler profitieren – schliesslich gilt: Provokation gleich Quote. Die finnischen Schockrocker von Lordi gewannen den Contest mit Horrormasken vor vier Jahren gar – und waren weltweit in aller Munde. Ob noch mehr polarisierende Acts angefragt wurden, will man beim SF nicht verraten. Dass dem Fernsehpublikum eine möglichst breite Auswahl an Musikschaffenden geboten wird, gehört allerdings zum neuen Konzept. Schliesslich will man gemäss Meroni einfach «den geeignetsten Repräsentanten für den Eurovision Song Contest finden.»

«Was von der Heide kann, können wir schon lange»

Tattoo- und Filmfan Damja glaubt denn auch an seine Chancen. Dank dem neuen Selektionsverfahren zählt nämlich erstmals nicht bloss die Meinung einer SF-Jury, sondern zur Hälfte auch ein Publikumsvoting: Nach einer landesweiten Internet-Abstimmung – die im November startet – werden die zehn besten Beiträge in einer grossen Live-Show am 11.Dezember präsentiert. Schliesslich entscheiden einzig die TV-Zuschauer per Telefon, wer die Schweiz am ESC in Deutschland vertritt.

Damja wird zunächst den eigens für den ESC produzierten Song «Absolution» nächsten Montag auf die Plattform des Schweizer Fernsehens laden und danach sein Umfeld zum Voting auffordern. «Das Elektro-Grime-Brett vereint Eurodance-Elemente mit Speed-Elektro-Rap und epischen Gesangspassagen», erklärt der Rapper sein Stück, mit dem er die Schweiz gerne am Contest vertreten würde. Und fügt vielsagend an: «Was Michael von der Heide kann, können wir schon lange. Und weniger als null Punkte werden wir wohl nicht erhalten.»

Hier geht es zu Abdul Damjas Myspace-Seite.

«Leader des Wahnsinns» von Abdul Damja

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