AffenpockenPolitikerin wirft BAG stigmatisierende Kampagne vor
Homosexuelle Männer stehen im Zentrum der Affenpocken-Kampagne des Bundesamts für Gesundheit. Eine GLP-Nationalrätin betrachtet die Kommunikation als fatal.
Darum gehts
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) richtet seine Präventionskampagne gegen Affenpocken gezielt an homosexuelle Männer. «Es scheint, dass Männer, welche Sex mit Männern haben (MSM), momentan ein zusätzliches Risiko einer Ansteckung haben», schreibt es auf seiner Website. Auch in der Kampagne stehen Schwule im Zentrum. Auf den Flyern prangt unter drei Affen-Emojis: «Affenpocken – aktuelle Empfehlungen für alle Männer, die Sex mit Männern haben.» Auf Social Media hagelt es dafür Kritik.
«Was für eine Schande! Das BAG trägt dazu bei, dass die Männer jetzt wieder stigmatisiert werden», schreibt eine Facebook-Userin. Mehrere User sprechen von «einer Schande». Ein User findet, der Affenpocken-Post solle verboten sein. «Er ist gegen Randgruppen gerichtet, diskriminierend und beruht auf keinerlei wissenschaftlichen Grundkenntnissen.» Auf Instagram äussert sich ein User «sprachlos und traurig über diesen Beitrag». Alle Menschen seien gleich. «Und somit erwarte ich einen Beitrag, der alle anspricht!»
GLP-Nationalrätin Katja Christ hat deshalb einen Vorstoss mit dem Titel «Stigmatisierende Kommunikation des BAG» eingereicht. Heute lege die Politik und Gesellschaft viel Wert auf Gender und Gleichstellung, sagt sie zu 20 Minuten. «Ich verlange vom Bund eine viel höhere Sensibilität bei solchen Themen.»
«Rückschluss auf ganze Bevölkerungsgruppe»
Das BAG bestätigt aktuell vier Affenpocken-Fälle in der Schweiz. Christ will vom Bundesrat unter anderem wissen, warum dieser «einzig aus der Meldung von vier Fällen einer bestimmten Personengruppe» auf ein erhöhtes Risiko für alle Personen mit demselben Persönlichkeitsmerkmal geschlossen habe. Auch fragt sie, wie der Bund seine Kommunikation einstufe.
Die WHO teilte am Montag mit, dass die meisten der bisher dokumentierten Fälle bei schwulen und bisexuellen Männern und deren Sexualpartnern festgestellt worden seien. Auch dies legitimiert für Katja Christ den Tonfall der BAG-Kampagne nicht. «Das BAG stellt in seiner Kommunikation nicht etwas fest, sondern zieht aus den wenigen Affenpocken-Fällen einen Rückschluss auf eine ganze Bevölkerungsgruppe.» Diese Kommunikation sei fatal. «Dies führt dazu, dass sich Infizierte nicht outen wollen, weil sie vielleicht ein gewisses Schuldgefühl entwickeln, Affenpocken-Treiber zu sein.»
Zudem könnte laut Christ die Übertragung auch nicht von der sexuellen Ausrichtung abhängen. Angelo Barrile, SP-Nationalrat, Hausarzt und Vorstandsmitglied der Schwulen-Organisation Pink Cross, zieht einen ähnlichen Schluss. «Medizinisch gesehen gibt es keinen Grund, weshalb Affenpocken hauptsächlich beim Sex zwischen zwei Männern übertragen werden sollte», zitierte ihn Pink Cross kürzlich in einer Medienmitteilung. Wahrscheinlicher sei das Virus durch Zufall in dieser Gruppe übertragen worden.
«Falsch wären geschlossene Schwulensaunas»
Das BAG hält an seiner Kommunikation fest. International würden die vorhandenen Daten und Informationen analysiert, schreibt BAG-Mediensprecher Daniel Dauwalder auf Anfrage. Viele Fragen seien noch offen. «Ein grosser Teil der Affenpocken-Fälle in Europa ist jedoch bei Männern aufgetreten, die Sex mit Männern haben. Ob es sich dabei um Zufall handelt, ist zum heutigen Zeitpunkt noch nicht geklärt.»
Wichtig sei, dort tätig zu werden, wo Ansteckungen passierten, und die betroffenen Personen entsprechend zu sensibilisieren, so Dauwalder. «Dank unserer jahrelangen Zusammenarbeit mit der Aids-Hilfe Schweiz kann diese Zielgruppe rasch erreicht werden.» Das BAG habe die Kommunikation in engem Austausch mit der Aids-Hilfe Schweiz erarbeitet und sie mit der Ausarbeitung weiterer Informationen für diese Zielgruppe beauftragt.
Pink Cross unterstützt die BAG-Kampagne. Sensibilisierung und Prävention für diese Gruppe sei der richtige Weg, da Affenpocken momentan hauptsächlich MSM betreffe, sagt Geschäftsleiter Roman Heggli. «Falsch wäre, wenn die Politik in Repression abdriften und etwa Schwulensaunas schliessen würde.» Die empörten Reaktionen auf die Kampagne seien jedoch ein verständlicher Reflex. «In der Vergangenheit wurden Schwule immer wieder als krank abgestempelt.»
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Du-bist-du.ch, Beratung und Information
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Lilli.ch, Information und Verzeichnis von Beratungsstellen
Milchjugend, Übersicht von Jugendgruppen
Elternberatung, Tel. 058 261 61 61
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147