Verwirrende RechtslagePolizei duldet auf dem Rütli keinen Hitlergruss
Wer bei der Pnos-Feier am Sonntag auf dem Rütli mit rassistischen Zeichen wirbt, muss mit einer Anzeige rechnen - obwohl der Hitlergruss grundsätzlich nicht verboten ist.
- von
- Jessica Pfister

Werden von der Polizei im Auge behalten - Rechtsradikale auf dem Rütli.
Wenn am Sonntag die erwarteten 300 Rechtsradikalen auf dem Rütli ihre eigene Bundesfeier abhalten, schaut die Polizei genau hin. «Wir beobachten das Auftreten und Verhalten dieser Leute und dokumentieren es», sagt Karl Egli von der Kantonspolizei Uri. Damit sei die Polizei nicht nur in der Lage, bei einer Straftat diese Personen anzuzeigen, sondern könne der Justiz auch gerichtlich verwertbares Material liefern. Egli stellt klar, dass rassistische Zeichen wie Hakenkreuze und der Hitlergruss nicht akzeptiert würden. «Hier müssen wir aufgrund der Antirassismus-Strafnorm Anzeige erstatten.»
In den letzten Jahren sei es im Rahmen der nachträglichen 1.-August-Feier der rechtsextremen Partei National orientierter Schweizer (Pnos) immer wieder vereinzelt zu solchen Anzeigen gekommen. Ein erstes Urteil fiel vor wenigen Wochen am Urner Landsgericht. Dieses bestrafte einen 64-jährigen Westschweizer mit 10 Tagessätzen à 50 Franken und einer Busse von 300 Franken, weil er an der Veranstaltung vor zwei Jahren den rechten Arm mit flacher Hand auf Augenhöhe schräg nach oben gehoben hatte. Für die Staatsanwaltschaft war der Verstoss gegen die Antirassismus-Strafnorm erwiesen. Der Mann, der in der Verhandlung auf seine Gesinnungsfreiheit pochte, hat inzwischen Berufung eingelegt - wie das Landsgericht Uri gegenüber 20 Minuten Online sagt.
Werbung für Ideologie
Das Urteil und die Praxis der Urner Polizei mag so manchen erstaunen. Vor rund einem Jahr haben Parlament und Bundesrat ein grundsätzliches Verbot rassistischer Symbole nämlich bachab geschickt. Dies mit der Begründung, man könne zu wenig genau definieren, welche Symbole verboten werden sollen. Damit blieb es bei der seit 1995 bestehenden Antirassismus-Strafnorm, die die öffentliche Verwendung und Verbreitung solcher Symbole nur verbietet, wenn damit für die entsprechende Ideologie geworben wird.
Doch kann man einen Hitlergruss an einer Veranstaltung von hauptsächlich Gleichgesinnten wie jener am kommenden Sonntag als Werbung bezeichnen? Ja, sagt der Freiburger Strafrechtsprofessor Marcel Niggli. «Wer an einer Veranstaltung im öffentlichen Raum zum Hitlergruss greift, will damit auf seine Ideologie hinweisen und diese verbreiten», sagt der Experte auf dem Gebiet der Antirassismus-Strafnorm. Klar würden sich die Teilnehmer einer solchen Veranstaltung kaum über das nationalsozialistische Zeichen ärgern, dennoch könne man nicht davon ausgehen, dass alle Personen am Sonntag auf dem Rütli Nazis seien. Eine Anzeige sei in diesem Fall absolut korrekt.
Flagge im Garten – ein Grenzfall
Heikler sei der Fall beispielsweise bei einer Person, welche eine Flagge mit Hakenkreuz in ihrem Garten aufhänge. «Ist die Flagge nicht für alle sichtbar, bekennt sich der Betroffene zwar zu seiner Ideologie, er macht dafür aber nicht unbedingt Werbung», erklärt Niggli. Für Polizisten seien solche Grenzfälle ein Dilemma. Genauso schwierig sei die Beurteilung für Zöllner, wenn jemand einen Kofferraum voll nationalsozialistischem Propagandamaterial wie Hakenkreuzfahnen in die Schweiz einführe. Hier müsse ebenfalls der einzelne Zöllner entscheiden, ob jemand vorhabe, mit einem Nazisymbol zu werben oder nicht. «Genau darum wäre eine präzisere Gesetzesgrundlage, wie es die Politik abgelehnt hat, so dringend nötig gewesen.»
Demo im nächsten Jahr
Für die Bundesfeier der Rechtsradikalen vom kommenden Sonntag suchten die Jungsozialisten Verbündete für eine Demonstration - fanden aber keine. Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) als Verwalterin der Rütliwiese wollte den Protest nicht mittragen. Juso-Präsident David Roth will aber noch nicht so schnell aufgeben. Er kündigt bereits jetzt an: «Wenn die Behörden nichts unternehmen, werden wir nächstes Jahr eine Demo organisieren.» Dann habe man allerdings eine Situation wie früher bei der Schlachtfeier in Sempach, wo ein enormes Polizeiaufgebot nötig war. 2009 kostete der Polizeieinsatz 300 000 Franken zehnmal mehr als die eigentliche Feier. (mme/jep)