Drogen und Gewalt: Polizeibericht über die Reitschule veröffentlicht

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Drogen und GewaltPolizeibericht über die Reitschule veröffentlicht

Die «Wochenberichte zu den Ereignissen Reitschule-Vorplatz-Schützenmatte» dokumentieren die Polizeiarbeit rund um die Reitschule. Politiker und Reitschüler nehmen Stellung.

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miw / sda
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Die Kantonspolizei Bern hat seit Mitte 2015 den Gemeinderat über mehr als 200 Vorfälle rund um die Reitschule informiert. Dabei geht es zumeist um Drogenhandel, gewalttätige Übergriffe, Sachbeschädigungen und Diebstähle.

Die Kantonspolizei Bern hat seit Mitte 2015 den Gemeinderat über mehr als 200 Vorfälle rund um die Reitschule informiert. Dabei geht es zumeist um Drogenhandel, gewalttätige Übergriffe, Sachbeschädigungen und Diebstähle.

Keystone/Stringer
«Für mich gibt es darum nur eines: Der Berner Exekutive muss das Dossier Reitschule entzogen werden», sagt der SVP-Stadtrat Henri-Charles Beuchat. Er hat den Bericht publik gemacht.

«Für mich gibt es darum nur eines: Der Berner Exekutive muss das Dossier Reitschule entzogen werden», sagt der SVP-Stadtrat Henri-Charles Beuchat. Er hat den Bericht publik gemacht.

Stefan Marthaler
«Die jetzige Veröffentlichung dieser Berichte ist Stimmungsmache der SVP», meint SP-Stadträtin und Mitglied der Sicherheitskommission Lena Sorg.

«Die jetzige Veröffentlichung dieser Berichte ist Stimmungsmache der SVP», meint SP-Stadträtin und Mitglied der Sicherheitskommission Lena Sorg.

zvg

28 Seiten umfasst der Bericht der Kantonspolizei Bern, der sämtliche Vorfälle rund um die Berner Reitschule zwischen Juni 2015 bis Januar 2017 zusammenfasst. Die 82 Wochenberichte wurden laufend dem Berner Gemeinderat zugestellt. Nun hat der SVP-Gemeinderat Henri-Charles Beuchat das Dokument mit über 200 gemeldeten Delikten und Vorfällen öffentlich gemacht – er nennt es «Horror-Bericht».

Nebst etlichen Drogendelikten führt die Polizei auch diverse Gewalttaten auf. «Bei einer Schlägerei erlitt eine Person eine Riss- und Quetschwunde am Hinterkopf», wird so etwa am 30. November 2016 festgehalten. Am selben Abend wurde eine Frau orientierungslos und verwirrt in einer Toilette der Reithalle aufgefunden. Ihre persönlichen Wertsachen seien unauffindbar gewesen, die Frau habe sich zudem an nichts erinnern können. Gleichzeitig sei an diesem Abend eine Streiterei eskaliert, wobei eine Person mit einem Messer am Handgelenk verletzt worden sei.

Polizei wurde bestimmt aus Reitschule verbannt

Doch nicht nur die Vorfälle pöbelnder Nachtschwärmer rapportierte die Polizei dem Berner Gemeinderat. Auch wird wiederholt deutliche Kritik an den Reitschul-Betreibern laut. Am 11. Dezember 2016 etwa wurde im Bericht eine Notfallübung der Reitschule thematisiert. «Die Mitarbeitenden der Kantonspolizei wurden zwar zur Besichtigung der Evakuationsübung eingeladen, danach jedoch vor der Durchführung derselben bestimmt gebeten, die Örtlichkeit zu verlassen», heisst es. Dieses Vorgehen entspreche in keiner Weise den vorher vereinbarten Abmachungen.

Weiter wurden diverse Vorfälle aufgeführt, bei denen die Polizeiarbeit absichtlich behindert oder gar verhindert wurde. Personen hätten sich Patrouillen in den Weg gestellt, die einen Drogendealer festnehmen wollten. Nach einem kleinen Brand hätten Polizisten zudem nicht wie geplant Spuren sichern können. Auch sind mehrere gewaltsame Angriffe gegen die Polizei dokumentiert. In einem Fazit vom Frühsommer 2015 teilte die Berner Polizei dem Gemeinderat mit, die Mitarbeitenden der Kantonspolizei seien im Raum Schützenmatte «an Leib und Leben gefährdet.»

SVP: «Dossier muss Exekutive entzogen werden.»

Nur durch «politische Knochenarbeit» sei er an diese Berichte der Kantonspolizei Bern gelangt, sagt SVP-Stadtrat Henri-Charles Beuchat. Der Gesamtgemeinderat, dem diese Rapporte stets übermittelt wurden, habe sie lange nicht aushändigen wollen. Beuchat zeigt sich schockiert, dass dieser über sämtliche Delikte und Vorfälle im Bild war und dennoch keine Sanktionen ergriffen habe. «Für mich gibt es darum nur eines: Der Berner Exekutive muss das Dossier Reitschule entzogen werden», sagt der SVPler.

Er schätzt die Arbeit des Gemeinderates bezüglich der Reitschule als unfähig oder gar «unwillentlich» ein. Wenn er diesen Bericht lese und gleichzeitig an das Nichtstun des Gemeinderats denke, dann könne er den Gedankengängen dieser Politiker nicht folgen. «Schliesslich sind es die Polizisten, die für das Ergebnis dieser unfähigen Politik geradestehen müssen.»

Er hofft, dass der Bericht nun den Stein ins Rollen bringt: «Wird das Dossier auf kantonaler Ebene oder gar von einer eidgenössischen Stelle behandelt, wird mit der Reitschule sicher weniger zimperlich umgegangen.» Auch könnten sich die linken Berner Politiker durch diese Fakten nicht mehr damit aus der Schlinge reden, in der Reitschule gehe es um Kultur und Party. Beuchat: «Es wird für die Linken schwieriger, ihre Position aufrechtzuerhalten.»

SP: «Das ist Stimmungsmache der SVP»

SP-Stadträtin Lena Sorg, Mitglied der Sicherheitskommission, hat den Bericht ebenfalls gelesen. Für sie war sofort klar: «Die jetzige Veröffentlichung dieser Berichte ist Stimmungsmache der SVP.» So werde wohl die SVP-Niederlage bezüglich der Reitschul-Abstimmung im Grossen Rat verdaut. «Auch versucht die Partei erneut, dem Betrieb Vorfälle anzukreiden, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Reitschule stehen.» Die Reitschüler könnten und müssten nicht für sämtliche Vorfälle die Verantwortung übernehmen.

Stadträtin Sorg stellt aber klar: «Die Gewalt in und rund um die Reitschule verurteilen wir auch von seiten der SP klar.» Zwar widerspiegle der Bericht nur die einseitige Sichtweise der Polizei, dennoch müsse dieser nun genau angeschaut werden. Sollten dadurch neue Erkenntnisse gewonnen werden, müsse die Politik allenfalls handeln.

Stapi von Graffenried: «Wir sind nicht untätig»

Die Polizei-Berichte zu Vorkommnissen rund um die Reitschule sind für den Berner Stadtpräsidenten Alec von Graffenried «nicht erfreulich, aber auch nicht überraschend». Er sagt: «Ich weiss, was um die Reitschule läuft, und dass die Polizei hier viel zu tun hat.» Den von SVP-Seite geäusserten Vorwurf der Untätigkeit lässt er nicht auf sich sitzen. Der Gemeinderat sei sehr wohl bestrebt, die Situation auf der Schützenmatte zu verbessern.

Reitschüler: «Kein objektiver Bericht»

In Anbetracht des gestörten Verhältnisses zwischen Polizei und Reitschule könne hier nicht von einem objektiven Bericht gesprochen werden, teilt die Mediengruppe der Reitschule am Montag mit. Bei Einsätzen im Raum Schützenmatte würden die Polizisten selber fragwürdiges Verhalten an den Tag legen: «Drohungen, Beleidigungen, Aufforderungen zum Zweikampf, Ziehen der Dienstwaffe, betreten von Privaträumen ohne entsprechende Verfügung, Einschüchterungen» werden hierfür als Beispiele genannt.«Der vorliegende Bericht klammert solche Ereignisse konsequent aus», so die Betreiber der Kulturstätte. Der Bericht zeige klar, dass die Polizei nicht vor Unwahrheiten zurückschreckt, wenn es um den Konflikt mit der Reitschule gehe.

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