«In Fauci we trust» : Populärer, gescheiter, respektierter – Immunologe Fauci nervt Trump

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«In Fauci we trust» Populärer, gescheiter, respektierter – Immunologe Fauci nervt Trump

Die Neuinfektionen in den USA steigen fast täglich auf neue Rekorde. Dabei gibt der Immunologe Anthony Fauci mit seiner ruhigen, besonnenen Art den Halt, den viele Amerikaner in dieser Krise suchen. Zum Ärger des US-Präsidenten.

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Immunologe Anthony Fauci hat unter allen US-Präsidenten seit Ronald Reagan gearbeitet hat. Er geniesst während der Corona-Epidemie das Vertrauen einer Mehrheit der Amerikaner.

Immunologe Anthony Fauci hat unter allen US-Präsidenten seit Ronald Reagan gearbeitet hat. Er geniesst während der Corona-Epidemie das Vertrauen einer Mehrheit der Amerikaner.

REUTERS
«Wir vertrauen Fauci» -solche Schilcder wie jenes im Vorgarten eines Hauses in Rockport, Massachusetts, …

«Wir vertrauen Fauci» -solche Schilcder wie jenes im Vorgarten eines Hauses in Rockport, Massachusetts, …

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… ärgern den US-Präsidenten Donald Trump  zutiefst.

… ärgern den US-Präsidenten Donald Trump zutiefst.

keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Die Beliebtheit des Immunologen Anthony Fauci scheint US-Präsident Trump zu ärgern.
  • Eine Liste des Weissen Hauses, die den Medien verschickt wurde, zählt angebliche Fehler Faucis auf.
  • Ein Gastbeitrag von Trumps Handelsberater Peter Navarro diskreditierte Fauci weiter.
  • Fauci scheint sich nicht einschüchtern zu lassen.

Der Immunologe Anthony Fauci ist inzwischen so prominent in den USA, dass es Sweatshirts, Socken und natürlich Schutzmasken mit seinem Konterfei zu kaufen gibt. Mit seiner ruhigen Art versucht er, den Amerikanern in der Corona-Pandemie nicht nur Rat, sondern auch Halt zu geben. Dabei scheut sich der 79-Jährige nicht, Einschätzungen von Präsident Donald Trump zu widersprechen. Nun nehmen Versuche aus der US-Regierung zu, Fauci zu diskreditieren. Der jüngste Höhepunkt: Ein Gastbeitrag von Trumps Handelsberater Peter Navarro in der Zeitung «USA Today».

Fauci gehört zur Corona-Arbeitsgruppe des Weissen Hauses. Der Experte warnt davor, die Gefahr durch das Virus zu unterschätzen und Schutzmassnahmen vorschnell zu lockern. Damit liegt er über Kreuz mit Trump, der möglichst rasch zur Normalität zurückkehren möchte und die Bedrohung herunterspielt – etwa, indem er sagt, dass 99 Prozent der Infektionen «völlig harmlos» verliefen. Fauci widersprach dem in der «Financial Times» und verwies darauf, dass es auch bei nicht-tödlichen Infektionen schwere Krankheitsverläufe geben könne.

Daneben vermuten US-Medien, dass Faucis hohe Popularitätswerte dem US-Präsidenten schlecht bekommen. Zeitweise sei der Immunologe öfter am TV zu sehen gewesen als Trump, weswegen das Weisse Haus angefangen habe, die Auftritt Faucis zu begrenzen.

IMMER NEUE INFEKTIONS-REKORDWERTE IN DEN USA

Während der Präsident vor allem mit Blick auf die wirtschaftliche Öffnung vorprescht, steht der Immunologe mit seinen Warnungen auf der Bremse. Die Statistiken scheinen Fauci recht zu geben. Die Zahl der Neuinfektionen in dem Land mit seinen rund 330 Millionen Einwohnern steigen seit der Rücknahme von Schutzmassnahmen in den Bundesstaaten wieder dramatisch an. Erst am Dienstag verzeichneten die Forscher der Johns-Hopkins-Universität mit 67’417 Ansteckungen binnen 24 Stunden einen neuen Höchststand. Zum Vergleich: Die Gesundheitsämter in Deutschland (rund 83 Millionen Einwohner) meldeten am Dienstag 351 neue Corona-Infektionen.

WEM VERTRAUEN DIE AMERIKANER?

Trump hat mit fragwürdigen Aussagen Glaubwürdigkeit verspielt – etwa mit jener Überlegung im April, ob es im Kampf gegen das Virus helfen könnte, Menschen Desinfektionsmittel zu spritzen (was er später als «Sarkasmus» relativierte). Auch sein Dauer-Optimismus, wonach die Krise bald überwunden ist, deckt sich seit Langem nur schwerlich mit der tatsächlichen Lage. Kritiker werfen ihm ausserdem vor, von eigenen Verfehlungen in der Krise ablenken zu wollen, indem er Sündenböcke sucht – lange schon macht der Präsident China für die Pandemie verantwortlich. Nun scheint Fauci ins Visier geraten zu sein.

Wie es um das Vertrauen der Amerikaner in der Krise bestellt ist, zeigte eine Ende Juni veröffentlichte Umfrage des Forschungsinstituts Pew: 30 Prozent der Befragten meinten, Trump und seine Regierung lägen mit den Fakten in der Pandemie fast immer oder meistens richtig. 64 Prozent bescheinigten das den Gesundheitsbehörden – Fauci ist der Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten.

DAS WEISSE HAUS UND DIE LISTE

An Faucis Ruf soll nun offenbar mitten in der Krise gekratzt werden. In der vergangenen Woche widersprach der Präsident in der Sendung «Full Court Press» Faucis Einschätzung, dass die USA immer noch «knietief» in der ersten Coronavirus-Welle steckten. Dem Sender Fox News sagte Trump kurz darauf, Fauci sei «ein netter Mann, aber er hat viele Fehler gemacht». Am Wochenende zitierten US-Medien dann einen ungenannten Regierungsvertreter, dass mehrere Mitarbeiter im Weissen Haus besorgt darüber seien, wie oft Fauci sich geirrt habe.

Um diesen Vorwurf zu untermauern, verschickte das Weisse Haus an ausgewählte US-Medien eine Aufzählung mit früheren Aussagen Faucis. Der Sender CNN verglich die Liste mit einer Recherche über einen politischen Gegner. Die «Washington Post» schrieb: «Für Anthony S. Fauci sind im Weissen Haus die Messer gezückt.»

HAT TRUMP NAVARRO ZUR FAUCI-KRITIK ERMUNTERT?

Am Dienstag schrieb Trump-Berater Navarro dann, Fauci habe in jedem Punkt, in dem er mit ihm in der Krise zu tun gehabt habe, falsch gelegen. «Wenn Sie mich also fragen, ob ich auf Dr. Faucis Rat höre, ist meine Antwort: nur mit Skepsis und Vorsicht.» Das Weisse Haus ruderte am Mittwoch zwar zurück und teilte mit, der Gastbeitrag habe nicht den Genehmigungsprozess durchlaufen und gebe nur Navarros Meinung wieder. Trump äusserte sich ähnlich und betonte, er habe «ein sehr gutes Verhältnis» zu Fauci. Die «Los Angeles Times» zitierte allerdings einen ungenannten Regierungsvertreter, demzufolge Trump Navarro gar zu dem Gastbeitrag ermutigt habe.

DER EXPERTE WEHRT SICH

Fauci – der unter allen US-Präsidenten seit Ronald Reagan gearbeitet hat – macht nicht den Eindruck, als liesse er sich einschüchtern. In einem Interview der Zeitschrift «The Atlantic» wurde er auf die Versuche der Regierung angesprochen, ihn zu diskreditieren. «Das ist ein bisschen bizarr», sagte Fauci. Er stehe zu seinen früheren Aussagen, die im damaligen Kontext «absolut wahr» gewesen seien. Die Liste sei «Unsinn». Dass das Weisse Haus sie verschickt habe, sei ein Fehler gewesen, den er sich in seinen kühnsten Träumen nicht erklären könne. Über Navarro sagte Fauci: «Er lebt in seiner eigenen Welt.»

Wichtiges Detail am Rande

Die US-Krankenhäuser müssen seit gestern ihre Bettenzahlen und Coronafälledirekt an Trumps Gesundheitsministerium melden - und nicht mehr der Seuchenbehörde CDC. Die US-Regierung argumentiert, eine Bündelung der Daten sei unabdingbar für die Arbeit der Coronavirus-Task-Force im Weissen Haus. Gesundheitsexperten befürchten jedoch eine Entmachtung der Seuchenschutzbehörde CDC und warnen davor, dass die Daten für politische Zwecke missbraucht oder nicht transparent aufbereitet werden.

Das Weisse Haus wies Vorwürfe von Intransparenz zurück. Die Datenerfassung sei veraltet und müsse modernisiert werden, sagte ein Sprecher. Außerdem würde die CDC am Prozess beteiligt, «aber sie werden die Daten schlichtweg nicht mehr kontrollieren», hiess es. Vier ehemalige Direktoren der CDC hatten in dieser Woche in der «Washington Post» Alarm geschlagen, dass die Behörde untergraben würde: «Wir haben die CDC geleitet. Kein Präsident hat seine Wissenschaft jemals so politisiert wie Trump». Die Zeitung berichtete zudem, dass Trump erwäge, die Nationalgarde zur Erfassung von Corona-Daten in Krankenhäuser zu schicken.

(sda/gux)

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