Corona-HotspotPortugals verzweifelte Lage mit Sauerstoffausfällen und wartenden Rettungswagen
Portugal schien den Kampf gegen das neue Coronavirus bis zum Herbst ganz gut zu meistern. Dann kam der Winter und mit ihm die britischen Virus-Variante B.1.1.7, die das Land überrollte.
Im Lissaboner Krankenhaus Amadora-Sintra fiel die Sauerstoffversorgung wegen Überlastung zwischenzeitlich aus. 53 Patienten mussten in andere Spitäler der Hauptstadt transportiert werden. «Die Zahl der mit dem neuen Coronavirus infizierten Patienten stieg um 400 % seit Anfang des Jahres», zitierte die Zeitung Correio da Manhã einen Verantwortlichen.
Auch das «Barreiro Montijo»-Spital in der portugiesischen Hauptstadt kämpft. Dessen Leichenhalle ist so voll, dass zusätzliche Kühlcontainer aufgestellt werden mussten. Man müsse inzwischen vielerorts die Regeln der Katastrophenmedizin – also die Triage – anwenden, sagt Miguel Guimarães, Chef der Ärztekammer. Mit dramatischen Folgen: Wenn es für zwei Notfallpatienten nur ein Beatmungsgerät gibt, bekommt derjenige mit den besseren Überlebenschancen Vorrang.
Höhepunkt erst Mitte Februar?
Die Dramatik ist auch beim Lissabonner Santa-Maria-Krankenhaus sichtbar: Rettungswagen stehen Schlange, um beim grössten Klinikum der Hauptstadt Corona-Patientinnen und -Patienten abzuliefern. Bei manchen Hospitälern klagten Sanitäter über stundenlanges Warten.
Portugal gilt mittlerweile als einer der weltweit schlimmsten Corona-Hotspots. Das Land, das einst mustergültig gegen das Virus kämpfte, verzeichnet jetzt traurige Rekorde bei den täglichen Corona-Todesfällen und Krankenhauspatienten. Es wird befürchtet, dass der Anstieg erst Mitte Februar seinen Höhepunkt erreichen wird.
Hilfe angefordert
Innert 24 Stunden starben nach Angaben der Gesundheitsbehörden vom Dienstag 291 Menschen im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion. Die Gesamtzahl der registrierten Todesfälle überstieg die Marke von 11’000. Die Zahl der Patienten, die wegen einer Corona-Infektion im Krankenhaus lagen, stieg auf den bisherigen Höchststand von 6472. Die 7-Tagesinzidenz liegt bei über 850 Fällen pro 100’000 Einwohner. In Portugal leben rund zehn Millionen Menschen. Proportional zur Einwohnerzahl hat das Land derzeit die höchste Ansteckungsquote weltweit.
Die Lage ist derart verzweifelt, dass das Land andere EU-Staaten Hilfe bittet. Konkret heisst das, dass Patienten transferiert und hiesige medizinische Teams verstärkt werden müssten. Spanien und Deutschland hätten bereits Hilfe angeboten, wie die portugiesische Tageszeitung Público schreibt. Es sei nicht ungewöhnlich, Patientinnen und Patienten in andere EU-Staaten zu verlegen, sagte die portugiesische Gesundheitsministerin Marta Temido dem öffentlich-rechtlichen Sender RTP.
Portugal: Briten-Kontakte lassen Zahlen nach oben schiessen
Für Portugal sei es ausserdem ein Nachteil, dass es geografisch am Rande der EU liegt. Die Krankenhäuser des Landes stünden unter grossem Druck und das Land werde daher möglicherweise darum bitten, dass Medizinerinnen und Mediziner nach Portugal geschickt werden. «Wir haben Betten verfügbar», sagte Gesundheitsministerin Temido, doch es sei schwer, Personal zu finden. Diese Aussage widerspricht allerdings Berichten, wonach die Intensivbetten in Portugal ausgelastet sind. Demnach gibt es quasi keine freien Betten mehr, so dass im ganzen Land jetzt Feldlazarette aufgebaut werden.
Lange hat Portugal versucht, einen harten Lockdown zu vermeiden. Seit dem Herbst wurde die Lage aber immer schlechter, das Land wurde von der britischen Virus-Variante B.1.1.7 überrollt: Sie macht etwa 13 Prozent aller Neuinfektionen im Land aus, in Regionen wie Lissabon sogar 20 Prozent. Nach Prognosen könnte der Anteil der neuen Corona-Variation aus Grossbritannien schon bald auf 60 Prozent steigen. In Portugal leben mehr als 30’000 Briten. Laut dem portugiesischen Regierungschef Antonio Costa lassen Kontakte mit der alten Heimat die Zahlen nach oben schiessen.
Seit dem 15. Januar befindet sich Portugal im harten Lockdown: Das Haus darf nur aus triftigem Grund verlassen werden. Homeoffice ist, wo es geht, Pflicht. Restaurants und Geschäfte ausserhalb des täglichen Grundbedarfs, Kitas, Schulen und Unis sind zu.
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