Clinton-Nachfolge: Powerfrau mit Charme und spitzen Ellbogen

Aktualisiert

Clinton-NachfolgePowerfrau mit Charme und spitzen Ellbogen

Susan Rice gilt als Favoritin für die Nachfolge von US-Aussenministerin Hillary Clinton. Nicht nur die Republikaner wollen die Obama-Vertraute stoppen.

von
Peter Blunschi
New York

Sie ist noch nicht einmal nominiert. Dennoch sorgt keine Personalie in Washington für mehr Wirbel als die mögliche Ernennung von Susan Rice zur US-Aussenministerin. Die derzeitige Amtsinhaberin Hillary Clinton hat ihren Abschied angekündigt, und Präsident Barack Obama scheint fest entschlossen, Rice als Nachfolgerin zu installieren. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen gilt im Gegensatz zu Clinton als enge Obama-Vertraute. Und sie wird laut US-Medienberichten vor allem von den beiden mächtigsten Frauen im Weissen Haus gepusht, First Lady Michelle Obama und Präsidentenberaterin Valerie Jarrett.

Susan Rice sei «ausserordentlich», rühmte der Präsident seine UNO-Botschafterin letzte Woche an einer Kabinettssitzung. Er könne «gar nicht stolzer auf ihre Arbeit sein». Die Lobeshymne kam nicht von ungefähr, denn im US-Senat, der ihre Ernennung bestätigten müsste, stösst die 48-Jährige auf heftigen Widerstand der Republikaner. Sie werfen Rice vor, die Hintergründe des Anschlags auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi am 11. September vertuscht zu haben, um Obamas Wiederwahl nicht zu gefährden. Bei dem Attentat waren US-Botschafter Chris Stevens und drei weitere Amerikaner getötet worden.

CIA verschwieg Infos

Am Sonntag danach hatte Susan Rice in fünf TV-Polittalkshows erklärt, der Gewaltausbruch sei eine Folge der Proteste gegen das berüchtigte Mohammed-Video gewesen. Heute steht fest, dass es sich um einen gezielten Terroranschlag gehandelt hatte und dass der Geheimdienst CIA dies von Anfang an wusste. Rice wehrte sich gegen den Vertuschungs-Verdacht: Die CIA habe ihr diese Informationen vorenthalten - eine Version, die Ex-Geheimdienstchef David Petraeus vor dem Kongress weitgehend bestätigte. Man habe im Briefing für Rice den Terror-Hinweis gestrichen, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.

Für den renommierten Aussenpolitik-Experten David Ignatius sind die Vorwürfe gegen Rice ein «fabrizierter Skandal», wie er in der «Washington Post» schrieb. Doch die Republikaner lassen nicht locker. Ein Treffen der Botschafterin mit ihren Kritikern letzte Woche in Washington geriet zum Fiasko. Die Senatoren John McCain und Lindsey Graham, ihre beiden Hauptgegner, zeigten sich danach noch unzufriedener. Sie deuteten an, die Ernennung von Rice blockieren zu wollen. Und selbst die moderate Senatorin Susan Collins meinte, sie brauche «mehr Informationen», bevor sie Rice unterstützen könne.

«Ziehmutter» Madeleine Albright

Die Ernennung von Susan Rice zur zweiten schwarzen Aussenministerin nach Condoleezza Rice – mit der sie nicht verwandt ist – bleibt in der Schwebe. Es wäre die Krönung einer steilen Karriere. Die 1964 geborene Diplomatin stammt aus privilegierten Verhältnissen. Ihr Vater war Wirtschaftsprofessor und als erst zweiter Schwarzer in den Aufsichtsrat der US-Notenbank berufen worden. Sie studierte an Elite-Unis wie Stanford und Oxford und sammelte bei McKinsey Erfahrungen in der Privatwirtschaft. Ihren Ehemann Ian Cameron, einen Fernsehproduzenten, lernte sie während des Studiums kennen.

Zum Einstieg in den diplomatischen Dienst verhalf ihr Madeleine Albright, eine Freundin der Familie, die als ihre politische «Ziehmutter» gilt. Nach ihrer Berufung zur Aussenministerin durch Präsident Bill Clinton 1997 machte Albright die 32-jährige Rice zur Staatssekretärin für Afrika. Im Wahlkampf 2008 wechselte sie ins Lager von Barack Obama, dem sie als aussenpolitische Beraterin diente. Hillary Clinton soll Rice diesen «Vertrauensbruch» bis heute nachtragen. Obama berief sie nach seiner Wahl zur Botschafterin bei der UNO. Dort trägt sie wegen ihrer undiplomatisch-direkten Art den Übernamen «Bulldozer».

Heikle Öl-Investments

Während den zähen Verhandlungen zum Syrien-Konflikt beklagte Rice sich offen über den Widerstand Russlands und Chinas im Sicherheitsrat gegen eine scharfe UNO-Resolution. Andererseits konnte sie beide Länder für härtere Sanktionen gegen den Iran gewinnen. Die Mutter zweier Kinder wird als intelligent, charmant und humorvoll beschrieben. Doch Susan Rice gilt auch als überaus ehrgeizig. Sie habe spitze Ellbogen und praktiziere einen ruppigen Führungsstil, wird ihr nachgesagt. Derbe Flüche gehören zu ihrem Standardrepertoire.

Zu allem Übel kommt Rice auch von links unter Beschuss. Sie und ihr Mann, ein gebürtiger Kanadier, haben einen Teil ihres Vermögens in kanadischen Ölunternehmen und Banken angelegt, die den Bau der umstrittenen Keystone-Pipeline vorantreiben, berichtete das Umweltmagazin «OnEarth». Sie soll das ökologisch umstrittene Teersand-Öl aus Kanada nach Texas transportieren. Ihr Bau könnte fragile Ökosysteme gefährden. Präsident Obama hat das Projekt deshalb auf Eis gelegt. Als Aussenministerin wäre Rice für die Genehmigung der Pipeline zuständig – ein klarer Fall von Interessenkonflikt, monieren Umweltschützer.

John Kerry als Alternative

Angesicht der Vorbehalte von links und rechts wird nach Alternativen zu Susan Rice gesucht. Ein Name sticht hervor: John Kerry. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Verlierer der Präsidentschaftswahl 2004 liebend gerne Aussenminister werden würde. Als Vorsitzender der aussenpolitischen Kommission im Senat bringt er die Voraussetzungen mit, er besitzt ein ausgezeichnetes weltweites Beziehungsnetz. Die Republikaner sprechen auffällig wohlwollend über den Demokraten – sie dürften darauf hoffen, im Fall von Kerrys Beförderung seinen Senatssitz in Massachusetts «erben» zu können.

US-Politbeobachter sehen darin einen wichtigen Grund für den anhaltenden Widerstand der Republikaner gegen Susan Rice. Und die harten Verhandlungen über eine Vermeidung der «Fiskalklippe», jenen Mechanismus, der Anfang 2013 automatisch zu höheren Steuern und drastischen Ausgabenkürzungen führt. Umstritten sind vor allem die von Präsident Obama geforderten höheren Steuern für Reiche, denen sich die Opposition widersetzt. In diesem Poker könnte Susan Rice als «Manövriermasse» dienen – oder als Bauernopfer.

Und trotzdem: Wenn Obama sie will, dann hat sie gute Chancen, bestätigt zu werden. Die Republikaner können dies angesichts der demokratischen Mehrheit im Senat kaum verhindern, sondern höchstens verzögern. Und sie müssen sich überlegen, ob sie wirklich eine schwarze Frau «abschiessen» und ihr Image als Partei der wütenden weissen Männer festigen wollen. «Washington Post»-Kolumnist David Ignatius jedenfalls hält Susan Rice für eine «gute, wenn auch riskante Wahl». Aber eben: Noch ist sie nicht einmal nominiert.

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