«Spielen Hilfs-Sheriffs»: Primarlehrerin attackiert Aktivisten hinter der Corona-Schulkarte

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«Spielen Hilfs-Sheriffs»Primarlehrerin attackiert Aktivisten hinter der Corona-Schulkarte

Eine Zürcher Lehrerin machte mit einem Post mobil gegen eine Website, die Corona-Ausbrüche in Schulen erfasst. Damit verletze sie die Standesregeln ihres Berufs, so ein Experte.

von
Bettina Zanni
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Den Absendern passt nicht, dass die Betreiber der Website auf einer Karte Schulausbrüche im Zusammenhang mit dem mutierten Coronavirus erfassen.

Den Absendern passt nicht, dass die Betreiber der Website auf einer Karte Schulausbrüche im Zusammenhang mit dem mutierten Coronavirus erfassen.

schulcluster.ch
«Werden wir weiterhin mit solchen Nachrichten geflutet, erstatten wir Anzeige gegen die Person, die den Aufruf gepostet hat», sagt A. D.*, Mutter und eine Betreiberin von Schulcluster.ch, zu 20 Minuten.

«Werden wir weiterhin mit solchen Nachrichten geflutet, erstatten wir Anzeige gegen die Person, die den Aufruf gepostet hat», sagt A. D.*, Mutter und eine Betreiberin von Schulcluster.ch, zu 20 Minuten.

Getty Images/iStockphoto
 In ihrem Blog, den die Lehrerin privat betreibt, vertritt sie Corona-skeptische Ansichten.

In ihrem Blog, den die Lehrerin privat betreibt, vertritt sie Corona-skeptische Ansichten.

Dominic Wipfli

Darum gehts

  • Die Website Schulcluster.ch erfasst Schulausbrüche mit Corona-Mutationen.

  • Eine Primarlehrerin rief auf Facebook zu einem Aufstand gegen die Website auf.

  • Seither werden die Betreiber der Website mit Falschmeldungen und Hassnachrichten überflutet.

  • «Wenn sich eine Vertreterin der eigenen Zunft so verhält, ist das ein Schuss in den Rücken für alle Lehrpersonen», sagt ein Schulrechts-Experte.

Dutzende Hassmails und Falschmeldungen über angeblich von Corona-Ausbrüchen betroffene Schulen überfluten seit Mittwoch die Inbox der Website Schucluster.ch. Den Absendern passt nicht, dass die Betreiber der Website auf einer Karte Schulausbrüche im Zusammenhang mit dem mutierten Coronavirus erfassen.

«Das sind Schul-Denunzianten, die denken, sie müssten Hilfs-Sheriffs spielen», schrieb eine Userin am Mittwoch in der Facebook-Gruppe «Zu viel ist zu viel! Gegen den Bundesentscheid/Kanton». Auch forderte sie die User auf, über das Kontaktformular der Website eine Nachricht zu hinterlassen. Eine Userin schlug darauf vor, die Arbeit der Betreiber durch das anonyme Melden diverser Schulen zu sabotieren.

Betreiber drohen mit Anzeige

«Werden wir weiterhin mit solchen Nachrichten geflutet, erstatten wir Anzeige gegen die Person, die den Aufruf gepostet hat», sagt A. D.*, Mutter und eine Betreiberin von Schulcluster.ch, zu 20 Minuten. Bei der Absenderin des Sabotage-Aufrufs gegen die Webseite handelt es sich um die Primarlehrerin und freie Autorin V. H. * aus dem Kanton Zürich, die auch Kolumnen für ein Onlinemagazin schreibt.

Am Donnerstag wollte sich H. gegenüber 20 Minuten zu ihrem Post nicht äussern. Kurze Zeit später war der Post in der Facebookgruppe verschwunden. In ihrem Blog, den sie privat betreibt, vertritt sie Corona-skeptische Ansichten. Sie betont, dass sie keine Corona-Leugnerin sei. Doch sie stellt etwa in Frage, ob hinter Corona nicht eine grössere Macht stecke.

Lehrerin bringe Berufsstand in Misskredit

Schulrechts-Experte Peter Hofmann hält den «Aufruf zum Stürmen einer Homepage» der Lehrerin für bedenklich. «Wenn sich eine Vertreterin der eigenen Zunft so verhält, ist das ein Schuss in den Rücken für alle Lehrpersonen.» Damit bringe H. einen ganzen Berufsstand in Misskredit. «Die Lehrpersonen schweizweit geben sich enorm Mühe, dass die Schule in der Pandemie funktioniert.»

Laut Hofmann verstösst die Lehrerin zudem gegen die Standesregeln. Diesen zufolge ist sich die Lehrperson bewusst, dass sie das Bild der Öffentlichkeit von der Schule und vom Berufsstand mitbeeinflusst. «Sie meidet Handlungen, welche auf die Herabminderung des guten Rufs der Schule und des Berufs abzielen oder dies bewusst in Kauf nehmen.»

«Zulässig ist nur Kritik, die nicht persönlichkeitsverletzend ist»

Auch rechtlich kann der Aufruf problematisch sein. Es sei dumm, aber erlaubt, Kritik an den Überbringern schlechter Nachrichten zu äussern, sagt Martin Steiger, Anwalt für Recht im digitalen Raum. «Zulässig ist allerdings nur Kritik, die nicht persönlichkeitsverletzend oder strafbar ist.» Der Aufruf zu Hass, Drohungen und Ehrverletzungen beispielsweise seien Strafbestände. Ob eine Äusserung widerrechtlich sei, müsse im Einzelfall geprüft werden.

Im Facebook-Post sehe er keine offensichtlich strafbaren Inhalte, sagt Steiger. «Ich kann mir aber vorstellen, dass das bei Mitteilungen, die direkt an die Website-Betreiber gingen, anders aussieht.» Steiger hält fest: «Ein Strafantrag kann, einzig nach einem allenfalls aufwendigen Verfahren, zu einer Verurteilung führen.» Insofern sei fraglich, ob der Rechtsweg zielführend sei.

«Zielführend ist Hetze in keinem Fall»

Berufliche Konsequenzen hat der Post für H. nicht, wie der zuständige Schulpräsident sagt. Frau H. besitze weder ein Mandat noch einen Auftrag, im Namen der Schule zu kommunizieren, oder irgendwelche Stellungnahmen abzugeben. «Die Äusserungen tätigte Frau H. ausschliesslich als Privatperson und entspricht nicht der Haltung der Schule.»

Der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz nahm zum Fall nicht direkt Stellung. Sie kenne die Details zum Vorgehen der Lehrerin nicht und mache keine «Ferndiagnosen», sagt Zentralsekretärin Franziska Peterhans. «Zielführend ist Hetze in keinem Fall, schon gar nicht rund um die Covid-19-Pandemie.»

*Name der Redaktion bekannt.

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