Trotz KontaktverbotPrivatdetektiv schnüffelt Frau nach – und SRF-Journalist filmt einfach mit
Eine SRF-Reportage filmt einen Privatdetektiv dabei, wie dieser für einen Mann die Adresse seiner Ex ausfindig macht – obwohl er ein Kontaktverbot hat. Der Auftrag wird vom SRF nicht hinterfragt, eine Expertin für sexualisierte Gewalt ist entsetzt.

- von
- Christina Pirskanen
Darum gehts
In der Reportage «Mein Vater der Privatdetektiv» begleitet ein SRF-Journalist seinen Vater bei der Arbeit.
Bei einem Auftrag soll der Privatdetektiv die Adresse einer Frau rausfinden.
Heikel daran: Der Auftraggeber ist der Ex-Freund der Frau, der ein polizeiliches Kontaktverbot hat.
Der Privatdetektiv führt den Auftrag trotzdem aus, der Journalist hinterfragt diesen nicht.
Agota Lavoyer, Expertin für sexualisierte Gewalt, ist darüber entsetzt.
In der SRF-Reportage «Mein Vater der Privatdetektiv» begleitet der Journalist André Ruch seinen Vater, den Privatdetektiv, bei der Arbeit. In der Reportage werden gleich mehrere Aufträge des Privatdetektivs gezeigt – die meisten sind Beschattungen von möglichen Versicherungsbetrügern.
Doch ein Fall des Privatdetektivs fällt auf: Er soll die Adresse einer Frau ausfindig machen und herausfinden, wer ihr neuer Freund sei. Der Auftraggeber: Ihr Ex-Freund, der ein Kontaktverbot habe und sich seiner Ex somit nicht nähern dürfe. «Ein heikler Auftrag», heisst es dazu im Video.
Kontaktverbot wird ignoriert
«Hier könnte man schon fast darüber nachdenken, ob man den Auftrag überhaupt annehmen will», sagt der Privatdetektiv im Video. Nicht, weil der Frau möglicherweise eine Gefahr droht, sollte der Ex-Freund mit dem Kontaktverbot ihre neue Adresse ausfindig machen. Nein, der Privatdetektiv hat andere Sorgen: «Offenbar haben sich die beiden im Milieu kennengelernt – hier muss man aufpassen, dass man selber nicht ‹reingerät›».
«Ist ein bisschen ein S******-Auftrag, oder?», fragt Journalist Ruch. Der Detektiv bejaht – es sei nämlich heikel: Man müsse schauen, dass man bei Privatpersonen zu seinem Geld komme. Eine kritische Hinterfragung des Auftrags bleibt aus.
«Solche Szenen machen sprachlos»
Das bestürzt die Expertin für sexualisierte Gewalt, Agota Lavoyer. Auf Twitter schreibt sie: «Ich bin entsetzt, dass @srf einen solchen Beitrag unhinterfragt ausstrahlt. Wie viel es braucht, bis jemand ein Kontakt-/Rayonverbot erhält? Sehr viel! Es ist sehr stossend, dass dieser Auftrag des Privatdetektivs nicht als unethisch (und misogyn?..) eingeordnet wird.»
Gegenüber 20 Minuten führt Lavoyer ihre Empörung weiter aus: «Wir engagieren uns unermüdlich, tagtäglich und seit Jahrzehnten gegen geschlechtsspezifische Gewalt – dann sind solche Dokumentarfilm-Szenen zermürbend und machen sprachlos.» In der Reportage gehe es um einen Mann, der seine Ex-Freundin mutmasslich derart belästigt habe, dass er sich ihr nicht mehr nähern dürfe. Das SRF filme dann den Privatdetektiv, der «skrupellos» diesen Auftrag ausführt. «Und dem Filmemacher kommt es nicht in den Sinn, diesen Auftrag zumindest zu hinterfragen?», so Lavoyer.
Problematik des Auftrags müsse zur Sprache kommen
Trennungssituationen seien unheimlich gefährlich für Frauen im Kontext der häuslichen Gewalt. Nicht wenige Femizide passierten, wenn eine Frau verkündet, sich trennen zu wollen oder tatsächlich trennt, so die Expertin. Eine Frau, die von ihrem Ex weggezogen ist und ein Kontaktverbot erwirkt hat, habe höchstwahrscheinlich schon enorm viel durchgemacht und verdiene vor allem Schutz.
«Dass das auch die Haltung von SRF ist, sieht man nicht. Das macht mich unendlich wütend», so Lavoyer. Sie erwarte vom SRF, dass es in so einem Fall auf die Problematik eines solchen Auftrags zu sprechen komme. «Wenn das der Filmemacher, der Sohn des Privatdetektivs, aus mangelnder Objektivität nicht macht, dann müssen es spätestens die Personen machen, die den Film beim SRF abnehmen», so Lavoyer.
«Kritische Abrechnung war nicht das Ziel»
Laut Anita Richner, Angebotsverantwortliche für Reportagen & Talk beim SRF, sei man sich bewusst, dass sich Privatdetektive als Gehilfen bei Beziehungsdelikten oft auf heikles Terrain begeben. Aus diesem Grund habe André Ruch die eigenen und die zunehmend grösseren Zweifel seines Vaters auch spürbar gemacht. Der Vater habe sein Mandat aufgrund dieser Bedenken später niedergelegt, so Richner. Die Reportage sei bewusst als Vater-Sohn-Portrait angelegt.
«Eine kritische Abrechnung mit dem Berufsstand der Privatdetektive war nicht das Ziel dieser Reportage, was aufgrund der familiären Verbindung zwischen Autor und Protagonist gar nicht möglich wäre», so Richner. «Wir hoffen, dass wir mit diesem Beitrag auf Missstände im Berufsstand der Privatdetektive aufmerksam machen und das Thema Stalking ins Bewusstsein rücken konnten.»
Bei der Ombudsstelle der SRG seien bisher keine Beanstandungen eingegangen.
Hätte der Auftrag kritisch hinterfragt werden müssen?
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