Pro 100'000 EinwohnerViermal mehr Corona-Tote in der Romandie
Deutsch- und Westschweizer stehen Lockerungen des Lockdowns unterschiedlich gegenüber. Das dürfte auch mit der ungleichen Betroffenheit zu tun haben.
- von
- sul
Als der Bundesrat letzte Woche die Lockerungen der Corona-Massnahmen bekannt gab, freuten sich die Deutschschweizer. Verhaltener fiel die Reaktion in der Romandie aus. Dort wurde, als man in der Deutschschweiz bereits von einem baldigen Hochfahren der Wirtschaft sprach, noch über eine strenge Ausgangssperre nach dem Vorbild Frankreichs diskutiert.
Ein Grund für die differierenden Haltungen dürfte in der unterschiedlichen Betroffenheit liegen, wie der «SonntagsBlick» schreibt. Pro 100'000 Einwohner starben in der Romandie bisher 24,7 Menschen an Covid-19, im Tessin gar 53,5, wie die Zeitung vorrechnet. In der Deutschschweiz beträgt die Quote dagegen «nur» 6,2.
Zeit als Hauptfaktor
Laut Olivia Keiser, Epidemiologin an der Universität Genf, ist vor allem der Zeitfaktor für die Unterschiede verantwortlich: «Im Tessin und in der Romandie hat die Epidemie früher begonnen. Die Deutschschweiz hatte somit einen zeitlichen Vorsprung.» Mit den getroffenen Massnahmen habe man hier grössere Schäden verhindert.
Während das Tessin stark durch seine Nähe zur Lombardei betroffen ist und die Bevölkerung dort älter als im Rest des Landes, sind die Gründe für die hohen Zahlen im Welschland nicht so klar. Der Erklärungsversuch des Genfer Kantonsarzts Jacques-André Romand lautet so: «Viele Genfer haben italienische Wurzeln und pflegen intensiven Kontakt mit Norditalien.» Genfs Internationalität sowie der rege Grenzverkehr nach Frankreich dürften laut Romand ebenso ins Gewicht fallen.