Prozess in Burgdorf: BDSM-Spiele mit Töchtern – Stiefvater zu Haftstrafe verurteilt

Prozess in Burgdorf BDSM-Spiele mit Töchtern – Stiefvater zu Haftstrafe verurteilt

Eine Frau und ihr ehemaliger Lebensgefährte stehen unter anderem wegen sexueller Handlungen mit Kindern vor dem Regionalgericht Emmental-Oberaargau. Die einzelnen Vorfälle erstrecken sich über mehrere Jahre.

Die Verhandlung findet vor dem Regionalgericht Burgdorf statt.

Tamedia / Nicole Philipp

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Donnerstag, 07.09.2023
17:45

Ende

Damit ist die Verhandlung beendet. Vielen Dank fürs Mitlesen!

17:43

«Keine Lappalie»

Wie sexualisiert der Beschuldigte mit den Kindern umgegangen sei, müsse auch der Mutter bewusst gewesen sein, befindet das Gericht. Indem sie sich mindestens an einer Bondage-Session beteiligte, habe sie zum psychischem Druck, dem ihre beiden Töchter ausgesetzt waren, beigetragen und es für sie noch schwerer gemacht, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Dies habe «schwere Folgen für die Opfer» gehabt und sei «keine Lappalie», so der Gerichtspräsident.

Ein Verzicht auf die Strafe, wie dies der Staatsanwalt vorgeschlagen hatte, komme daher nicht in Frage. Zu berücksichtigen sei indes, dass die Mutter auf Veranlassung ihres damaligen Partners handelte, dass auch sie unter dessen «Terrorregime» stand und «gefühlt abhängig» war.

17:25

Regelmässige Berührungen

Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass beide Mädchen zwischen dem Einzug ins Haus des Beschuldigten und Sommer 2013 mindestens einmal bei einer Bondage-Session gefesselt, an intimen Bereichen berührt bzw. mit einem Seil gestreichelt wurden (auch wenn sie dabei bekleidet waren). Beide Kinder seien kurze Zeit nach dem Einzug «mit intensiver Regelmässigkeit» an Brüsten, Gesäss und am Intimbereich berührt worden, so der Gerichtspräsident.

Andere angeklagte Sachverhalte seien hingegen nicht erstellt (z.B. dass der Beschuldigte die ältere Schwester in die Brustwarze gekniffen hat) oder schlicht nicht genügend erheblich, um unter den Tatbestand der sexuellen Handlungen an Kindern zu fallen (z.B. dass der Stiefvater der älteren Schwester in sexueller Absicht beim Duschen zuschaute).

17:11

Glaubhafte Opferaussagen

Liegen wirklich Handlungen mit sexuellem Inhalt vor? Was ist passiert und in welchem Umfang? Hat tatsächlich eine Zwangslage bestanden? Mit solchen Fragen habe sich das Gericht bei der Urteilsfindung befassen müssen, sagte der Gerichtspräsident einleitend bei seiner Urteilsbegründung.

Das Gericht sei überzeugt, dass sich die angeklagten Ereignisse grundsätzlich so zugetragen hätten wie in der Anklageschrift beschrieben. Die Aussagen der beiden Opfer seien insgesamt stimmig und nach so vielen Jahren, die seit den Geschehnissen vergangen seien, vergleichsweise detailliert. Gründe für eine Falschbelastung des Beschuldigten seien zudem nicht erkennbar. Demgegenüber seien die Aussagen des Beschuldigten karg und oft wenig nachvollziehbar gewesen, so der Gerichtspräsident.

16:55

50 Monate Haft

Das Gericht verurteilt den Stiefvater wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern und mehrfacher sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 50 Monaten. Den beiden Privatklägerinnen muss er eine Genugtuung von je 20'000 Franken entrichten.

Von den Vorwürfen im Zusammenhang mit Sozialhilfemissbrauch wird er freigesprochen. Einen Freispruch gab es zudem hinsichtlich sexueller Misshandlung, die sich nach dem 16. Geburtstag der älteren Schwester zugetragen haben sollen.

Auch die Mutter kassiert einen Schuldspruch: Sie wird wegen Gehilfenschaft zu sexuellen Handlungen mit Kindern und zu sexueller Nötigung verurteilt. Ihr wird eine bedingte Geldstrafe in Höhe von insgesamt 5600 Franken auferlegt.

15:36

Verspätung

Die Urteilsverkündung verzögert sich um 15 bis 20 Minuten. Sie dürfte demnach um ca. 15.50 Uhr beginnen.

Dienstag, 05.09.2023
14:46

Ende

Damit ist die Verhandlung beendet. Das Urteil wird am Donnerstag um 15.30 Uhr verkündet. Vielen Dank fürs Mitlesen!

14:45

Letztes Wort

Der Beschuldigte verzichtet auf sein letztes Wort. Nicht so die Mutter, die abschliessend sagt: «Alles, was passiert ist, tut mir mega leid. Hätte ich es gewusst, so hätte ich es verhindert.»

14:35

Freispruch für Mutter gefordert

Als Letztes ergreift die Verteidigerin der angeklagten Mutter das Wort. Ihre Mandantin und deren beiden Töchter hätten unter der Dominanz und den Launen des Beschuldigten gelitten. Sie spricht von «Erniedrigung», «Bestrafung durch Liebesentzug», «Zuckerbrot und Peitsche».

Dass ihre Mandantin mit ihrem Ex-Partner Bondage praktizierte, heisse mitnichten, dass sie auch die Miteinbeziehung der Kinder gutgeheissen habe. «Dass es trotzdem passiert ist, belastet sie heute massiv.» Zugelassen habe sie es damals (bzw. bei dem einen Mal, von dem sie gewusst habe), weil sie ihm unterlegen gewesen sei, er sie manipuliert und ihr das Bondage als gute Sache verkauft habe.

Von den sexuellen Übergriffen auf ihre Kinder habe sie erst nach dem Auszug aus dem Haus des Beschuldigten erfahren, so die Verteidigerin weiter. Auch würden ihr ihre Töchter heute keinen Vorwurf machen.

Eine Verurteilung ihrer Mandantin sei aber schon aus formellen Gründen nicht möglich. So sei etwa in der Anklageschrift lediglich die Rede davon, die Mutter sei bei den Bondage-Sessions anwesend gewesen bzw. habe teils daran teilgenommen. Daraus lasse sich weder eine Täter- noch eine Gehilfenschaft ableiten. Somit genüge die Anklageschrift dem Anklageprinzip nicht.

Die Verteidigerin fordert folglich einen Freispruch für ihre Mandantin.

13:59

Verteidiger fordert Freispruch

Seine Mandantin sei folglich von den Vorwürfen der sexuellen Handlungen mit Kindern und der sexuellen Nötigung freizusprechen, fordert der Verteidiger.

13:56

«Keine unsittlichen Berührungen»

Das Japan-Bondage (Shibari) werde auch aus ästhetischen, künstlerischen und sportlichen Gründen betrieben, argumentiert der Advokat weiter. «Die Fesselung hatte keinen sexuellen Kontext.» Ebenso wenig das BH-Öffnen: Dies habe eher der «Belustigung» gedient, so der Verteidiger.

Auch die Aussagen der Privatklägerinnen seien nicht so konsistent wie von der Gegenseite behauptet, argumentiert der Anwalt. Er nennt etwa die unterschiedlichen Schätzungen bezüglich der Anzahl der Bondage-Sessions.

Viele Vorfälle hätten sich im Rahmen von «Blödeleien oder alltäglichen Situationen» abgespielt. Sein Mandant habe aber nie in sexueller Absicht den Intimbereich der Mädchen berührt. Ebenso falsch sei die Anschuldigung, der Beschuldigte sei zu seiner älteren Stieftochter ins Bett gekrochen. Es sei «nie zu unsittlichen Berührungen gekommen», so der Verteidiger. Die Vorfälle seien somit «strafrechtlich nicht relevant».

13:46

Plädoyer des Verteidigers

Bei der Verhandlung sei ein «sehr düsteres Bild» seiner Mandantin gezeichnet worden, das überhaupt nicht zutreffe, beginnt der Verteidiger des Beschuldigten sein Plädoyer. Dem Staatsanwalt wirft er vor, ein «persönliches Problem» mit dem Beschuldigten zu haben, greife er doch zu «masslosen Übertreibungen» wie dem Begriff «Terrorregime». Er hoffe, das Gericht lasse sich von den «unsachlichen Scharmützeln» nicht beeinflussen, so der Anwalt.

Zu den Vorwürfen der sexuellen Misshandlungen gebe es keine objektiven Beweismittel, sondern lediglich die Aussagen der beiden Privatklägerinnen. In der Erinnerung vermische sich zuweilen tatsächlich Erlebtes und Dazuerfundenes, merkt der Verteidiger an.

Anders als der Staatsanwalt bezeichnet er die Aussagen des Beschuldigten als «konstant und nachvollziehbar und glaubhaft».

12:41

Pause

Nun gehts in die Mittagspause. Die Verhandlung wird um 13:30 Uhr fortgesetzt.

12:31

«Nicht auswendig gelernt»

Nun spricht die Rechtsanwältin der beiden Privatklägerinnen. Auch sie argumentiert, die Aussagen ihrer Klientinnen seien detailliert, aufschlussreich und «wirken alles andere als auswendig gelernt». Daher sei davon auszugehen, dass sich der Sachverhalt genau so zugetragen hat, wie er von den Geschädigten geschildert wird. Die Anwältin betont weiter, dass die beiden jungen Frauen kein Interesse an einer Verurteilung ihrer Mutter haben.

Die Folgen der sexuellen Misshandlungen seien bei ihren Klientinnen «nach wie vor mannigfach und massiv». Beide Schwestern seien heute in psychotherapeutischer Behandlung. Bei der älteren Schwester seien etwa Panikstörungen und Hyperaktivität diagnostiziert worden. Die jüngere weise eine Angststörung mit Bezug auf Kindheitserlebnisse auf. Zudem gebe es Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung.

Für ihre Klientinnen fordert die Rechtsanwältin Schadenersatz sowie eine Genugtuung von je 20'000 Franken.

11:49

Fast vier Jahre Haft gefordert

Der Staatsanwalt taxiert die Taten des Beschuldigten als «mittelschweres Verschulden». Er fordert eine Freiheitstrafe von insgesamt 45 Monaten.

Die beschuldigte Mutter sei eher ein weiteres Opfer als eine skrupellose Täterin, so der Staatsanwalt. Sie sei zwar wegen Gehilfenschaft zu sexuellen Handlungen und zu sexueller Nötigung schuldig zu erklären. Sanktionen seien gegen sie jedoch keine auszusprechen.

11:44

«Will Kontrolle ausüben»

Der Staatsanwalt legt dem Beschuldigten unter anderem sexuelle Handlungen mit Kindern und sexuelle Nötigung zur Last. Die sexuellen Übergriffe hätten sehr früh begonnen, als die Mädchen sechs bzw. neun Jahre alt waren. Eine Zeit lang habe er sie täglich an den Brüsten, am Gesäss und an der Vagina angefasst. Die Geschädigten seien ihm über Jahre wehrlos ausgeliefert gewesen. Das Ausnützen des Vertrauensverhältnisses sei besonders verwerflich, so der Staatsanwalt.

Der Beschuldigte habe genau gewusst, dass die Ausführung des Bondage mit seinen minderjährigen Stieftöchtern nicht angemessen sei. Er habe diese moralisch erpresst oder mit Liebesentzug bestraft, wenn sie nicht taten, was er wollte. «Der Beschuldigte will immer Kontrolle ausüben», sagt der Staatsanwalt.

11:34

«Terrorregime»

Mit seinem «Terrorregime», seiner Machtposition und dem psychischen Druck habe er die sehr jungen Mädchen ausgenutzt. Die beiden seien ihm ausgeliefert gewesen; es sei für sie unmöglich gewesen, sich gegen die sexuellen Handlungen zur Wehr zu setzen oder sich Hilfe zu holen. Dabei hätten sie ihren Widerwillen verbal wie non-verbal zum Ausdruck gebracht.

11:28

«Schutzbehauptungen»

Die Aussagen der ebenfalls beschuldigten Mutter seien insgesamt ebenfalls glaubhaft, so der Staatsanwalt. Sie habe jederzeit klar gemacht, was sie selber erlebt und was sie erst im Nachhinein von den Töchtern erfahren habe.

Sie habe aber zugelassen, dass der Beschuldigte mit ihren Töchtern die sexuellen Handlungen ausführt. Sie habe dabei gewusst, dass die Handlungen sexuell motiviert seien. «Sie hätte die Pflicht gehabt, dies zu verhindern», sagt der Staatsanwalt.

Anders als die Privatklägerinnen und die Mutter sei der Angeklagte völlig unglaubwürdig in seinen Aussagen. Der Staatsanwalt spricht von «Schutzbehauptungen eines cleveren und gut verteidigten Beschuldigten», um weiteren Schaden abzuwenden.

11:08

«Privatklägerinnen glaubhaft»

Der Staatsanwalt erachtet die Aussagen der Privatklägerinnen insgesamt als glaubhaft, konstant und schlüssig. Sie hätten ausführlich und stimmig geschildert, wie schwierig das Zusammenleben mit dem Beschuldigten gewesen sei.

Die Schilderungen des konkreten Tatgeschehens seien detailliert und dynamisch. Glaubwürdigkeit verleihe ihren Aussagen auch die spontane Erwähnung scheinbar unwichtiger Details, etwa wie der Beschuldigte angezogen war (z.B. Tanga, als er zur älteren Stieftochter ins Bett stieg) oder dass sein Atem im erregten Zustand schneller wurde.

Die Privatklägerinnen hätten nur das ausgesagt, was sie noch wussten. Zudem hätten sie die Geschehnisse nicht übertrieben dramatisch dargestellt. Manchmal hätten sie die Vorfälle gar in überraschend zurückhaltenden Worten geschildert.

10:37

Pause

Nun ist Pause bis 10:55 Uhr. Danach wird der Staatsanwalt sein Plädoyer halten.