Böse TennisväterPrügel, Schimpftiraden, Diebstahl, Tötung
Sie haben die Tenniskarriere ihrer Kinder auf dem Gewissen: Väter, die das Leben ihrer Sprösslinge zur Hölle machten. Und manchmal bis zum Äussersten gingen.
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Sie existieren überall auf der Welt, in verschiedensten Sportarten, auf verschiedensten Leistungsniveaus: Eltern, die ihre Kinder um jeden Preis an die Spitze treiben wollen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Gerade im Tennis ist schon mancher Fall an die Öffentlichkeit gedrungen, meist waren junge Frauen betroffen. Wie sagte doch die ehemalige kanadische Spielerin Sonya Jeyaseelan: «Wenn man sich das Tableau der Männer anschaut, findet man vielleicht drei Spieler, die ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Vater haben. Bei den Frauen findet man eventuell nur drei, die es nicht haben.»
Jüngstes Beispiel ist Andrada Ioana Surdeanu. Eine Niederlage der 16-Jährigen an einem internationalen Nachwuchsturnier in Israel führte zu einem Streit mit ihrem Vater, der sie blutig ohrfeigte. Die Rumänin kann nur hoffen, dass sich ihre Geschichte nicht zu einer auswächst, wie sie etwa Jelena Dokic, Mirjana Lucic, Jennifer Capriati oder andere erlebten. Das Onlineportal Tennisnet.com trug 2012 einige haarsträubende Fälle zusammen. Der krasseste forderte gar ein Todesopfer. Ein Auszug.
Damir Dokic, der Teufel auf der Tribüne
Jelena Dokic stand 2002 – mit 19 – bereits auf Platz 4 der Weltrangliste, Tendenz steigend. Die Australierin mit kroatisch-serbischen Wurzeln hatte jedoch ein Problem mit demselben Nachnamen: Damir Dokic. Der ehemalige Boxer prügelte sich mit Journalisten, stürmte betrunken auf den Platz, beschimpfte und schlug seine Tochter. Sie litt derart unter den Eskapaden des Vaters, dass sie depressiv wurde und in der Weltrangliste abstürzte. «Ich musste so viel aushalten, als mein Vater noch auf der Tour dabei war, all seine Ausbrüche. Ich bin durch die Hölle gegangen», gestand sie.
Jahre später, sie hatte die Familie längst verlassen, sprach Dokic im australischen Magazin «Sport and Style» über die körperlichen und seelischen Misshandlungen ihres Vaters. Dieser lebte inzwischen in Belgrad und drohte damit, die australische Botschaft in die Luft zu sprengen. Er fand, die Botschafterin müsse reagieren, damit der Autor des «lügenhaften» Berichts bestraft werde. Bei der folgenden Hausdurchsuchung fand die Polizei Bomben, Jagdgewehre und eine Pistole. Dokic wurde 2009 mit einer 15-monatigen Gefängnisstrafe belegt, die später auf ein Jahr reduziert wurde. Jelena Dokic fand trotz mehrerer Anläufe nie mehr zu alter Stärke. Mit dem Vater hat sie sich inzwischen versöhnt.
Marinko Lucic, der klauende Schläger
Mirjana Lucic schien dazu auserkoren, die Tenniswelt zu erobern. Als sie 1997 mit 15 Jahren bei ihrem WTA-Tour-Debüt in Bol (Kro) gleich den Einzel- und Doppeltitel gewann und damit einen Rekord aufstellte, deutete vieles auf ein glorreiche Zukunft hin. Die in Dortmund geborene Kroatin hatte jedoch ein Problem namens Marinko Lucic. Der ehemalige Zehnkämpfer, der auch ihr Coach war, schlug sie immer und immer wieder, stahl ihr Preisgeld. «Die Leiden, durch die ich gegangen bin, wünsche ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind», sagte Mirjana Lucic einst. «Ich bin in meinem Leben nie ohne Gebet ins Bett gegangen und nie ohne Gebet aufgewacht. Mein Gebet war immer, dass ich mich von meinem Vater befreie und er uns in Ruhe lässt.»
1998 verliess sie mit der Mutter und den vier Geschwistern Kroatien in einer nächtlichen Fluchtaktion Richtung USA, weit weg vom Vater. 1999 stiess sie als Nummer 134 bis in den Wimbledon-Halbfinal vor, verschwand dann aber in den Niederungen der Weltrangliste. Inzwischen hat sie sich in die Top 100 zurückgekämpft, steht auf Position 60.
Stefano Capriati, der Glace-Drillmeister
Jennifer Capriati war erst 14, als sie 1990 im French-Open-Halbfinal stand. Zwei Jahre später wurde die Amerikanerin in Barcelona Olympiasiegerin. Ihr Problem hiess Stefano Capriati. Der Vater trieb seine Tochter mit Glaces als Belohnung zu Höchstleistungen. Er ignorierte alle Warnungen, sie nicht zu verheizen. Kritikern pflegte er zu entgegnen: «Wenn die Frucht reif ist, isst du sie.» Mit dem Zusatz: «Kinder brennen nicht aus, Eltern tun das.» Weit gefehlt. Jennifer Capriati begann zu rebellieren, frequentierte Burgerbuden, wurde beim Ladendiebstahl und mit Marihuana erwischt und verhaftet, zog einen Suizid in Betracht.
Sie kehrte jedoch – mithilfe ihres Vaters – noch einmal auf die grosse Bühne zurück. 2001 triumphierte sie an den Major-Turnieren in Melbourne und Paris, im Folgejahr erneut in Melbourne, was ihr die Auszeichnung als Weltsportlerin 2012 einbrachte.
Christophe Fauviau, der Trinkflaschen-Manipulator
Die französischen Geschwister Maxime und Valentine Fauviau waren aufstrebende Talente. Vor allem der jüngeren Valentine traute man eine Profikarriere zu. Doch auch diese beiden hatten ein Problem mit demselben Nachnamen: Christophe Fauviau. Der ehemalige Armee-Offizier ging für den Erfolg seiner Kinder weiter als wohl sämtliche Tennisväter vor ihm. Er ging buchstäblich über Leichen.
Man schrieb den 3. Juli im Jahr 2003, als der 25-jährige Alexandre Lagardère am Steuer seines Autos einschlief und tödlich verunglückte. Die Obduktion ergab, dass der Lehrer das starke Beruhigungsmittel Temesta in seinem Blut hatte, ein Medikament gegen Angstzustände und Depressionen, das die Muskeln ermüden lässt. Lagardère hatte wenige Stunden vor seinem Unfall im Final eines kleinen Turniers – Siegprämie: ein Schinken – gegen den damals 15-jährigen Maxime Fauviau gespielt.
In den folgenden Wochen ereigneten sich weitere Fälle, in denen Gegner Fauviaus unerklärlich matt auftraten. Der Verdacht bestätigte sich schliesslich: Der Vater hatte die Trinkflaschen der Kontrahenten seines Sohnes mit Temesta versehen. Tochter Valentine, damals 13, war geschockt, gab sich aber kämpferisch: «Ich hätte auch unter normalen Umständen gewonnen. Das möchte ich jetzt allen beweisen.»
Sie schaffte es nicht, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, es blieb beim Traum der Profikarriere. Ihr Vater wurde im März 2006 wegen fahrlässiger Tötung zu acht Jahren Haft verurteilt.