Haftbefehl: «Putin kann in zwei Drittel aller Länder nicht mehr reisen»

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Haftbefehl«Putin kann in zwei Drittel aller Länder nicht mehr reisen»

FDP-Nationalrat Damien Cottier vertritt die Schweiz im Europarat. Er hält den Haftbefehl gegen Wladimir Putin für einen wichtigen Schritt.

von
Claudia Blumer
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Er ist nun international zur Verhaftung ausgeschrieben: Der russische Präsident Wladimir Putin an einer Videokonferenz, Aufnahme vom 17. März 2023.

Er ist nun international zur Verhaftung ausgeschrieben: Der russische Präsident Wladimir Putin an einer Videokonferenz, Aufnahme vom 17. März 2023.

AFP
Im Kreml nimmt Putin an einer Videokonferenz teil (17. März 2023).

Im Kreml nimmt Putin an einer Videokonferenz teil (17. März 2023).

AFP
Auch die Kinderrechtskommissarin Maria Lwowa-Belowa ist zur Verhaftung ausgeschrieben. Treffen von Putin mit Lwowa-Belowa am 16. März 2023.

Auch die Kinderrechtskommissarin Maria Lwowa-Belowa ist zur Verhaftung ausgeschrieben. Treffen von Putin mit Lwowa-Belowa am 16. März 2023.

Reuters

Darum gehts

  • Der Strafgerichtshof in Den Haag erlässt Haftbefehle gegen Wladimir Putin und dessen Kinderrechtskommissarin Maria Alexejewna Lwowa-Belowa.

  • Es bestehe der Verdacht, dass beide direkt für die Deportationen zahlreicher Kinder aus der Ukraine verantwortlich sind.

  • FDP-Nationalrat Damien Cottier fordert ein Sondertribunal für Putin, um den Angriffskrieg zu sühnen. Auch die Aufarbeitung wegen der Kinder-Verschleppung sei wichtig, sagt Cottier.

  • Der Haftbefehl sei schwerwiegend für Putin: «In 123 Länder kann er jetzt nicht mehr reisen.»

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) hat gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin einen Haftbefehl erlassen. Dies wegen mutmasslicher Kindesentführungen im Donbass. Ebenso wird die zuständige Kinderrechtskommissarin in Putins Regierungsapparat, Maria Alexejewna Lwowa-Belowa, international gesucht. Es besteht der Verdacht, dass Putin und Lwowa-Belowa persönlich für die Deportation zahlreicher ukrainischer Kinder verantwortlich sind.

Damien Cottier, FDP-Fraktionschef im Nationalrat und Leiter der Schweizer Delegation im Europarat, begrüsst diesen Schritt. Cottier hat einen Bericht zu den Kriegsverbrechen Russlands in der Ukraine verfasst und fordert ein Sondertribunal für den russischen Präsidenten, nach Vorbild der Nürnberger Prozesse. Der Europarat folgte seinem Antrag für ein Sondertribunal einstimmig. Der Bericht wurde im Januar publiziert.

«Mehr als nur Symbolik»

«Der Haftbefehl ist mehr als nur Symbolik», sagt der frühere Stabschef von Didier Burkhalter. «Er ist eine schwere Einschränkung von Präsident Putins Bewegungsfreiheit.» Auch wenn Putin derzeit nicht reise, mache es für den Machthaber einen Unterschied, ob er andere Länder bereisen könne oder nicht. In 123 Mitgliedsländern des internationalen Strafgerichtshofs könne der russische Präsident jetzt nicht mehr reisen, ohne eine Verhaftung zu riskieren. «Das sind immerhin zwei Drittel aller Länder. In diesen kann Putin jetzt beispielsweise nicht mehr an einer Konferenz teilnehmen.»

Auch die Schweiz gehört dazu. Mit der Verhaftung von Putin oder der Kinderrechtskommissarin würde sie die Neutralität nicht verletzen, sagt Cottier. «Die Rede ist von schwerwiegenden Verletzungen des internationalen Rechts. Die Schweiz hat das Römer Statut des Strafgerichtshofs ratifiziert und ist verpflichtet, gesuchte Personen auszuliefern.»

Natürlich werde Wladimir Putin nicht sofort vor Gericht gestellt, sagt Cottier. Doch es sei gut möglich, dass es später doch noch geschieht. «Es ist schon mehrmals vorgekommen, dass frühere Präsidenten oder Minister in Den Haag vor das Gericht gestellt worden sind. Der frühere serbische Präsident Milosevic wurde ebenfalls an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert. Auch Staatsoberhäupter sind nicht immun, das ist wichtig.»

Sondertribunal oder nicht?

Der Haftbefehl sei auch für die Kriegsopfer in der Ukraine ein wichtiges Zeichen, sagt Cottier. Seine Rede vor dem Europarat hat er im Januar angefangen mit dem Beispiel der siebenjährigen Maria, die gern getanzt habe. Bis sie im Frühling 2022 von einer russischen Rakete tödlich verletzt worden sei. Die «Gräueltaten» des russischen Präsidenten müssten gesühnt werden.

Die Kinderdeportationen seien von unabhängigen Quellen belegt, und sie seien möglicherweise Bestandteil eines Genozids. Wie viele Kinder betroffen sind, sei schwer abzuschätzen, mehrere Hundert oder gar mehrere Tausend seien ziemlich wahrscheinlich, sagt Cottier. Es ist wichtig, dass die internationale Justiz das untersucht.

Und auch für den Angriffskrieg als solchen müssten Putin und seine Entourage einstehen, sagt Cottier. Doch um einen Angriffskrieg strafrechtlich zu verfolgen, braucht der internationale Strafgerichtshof bei einem Nicht-Unterzeichnerstaat wie Russland eine Resolution des UNO-Sicherheitsrats. Genau diese kann Russland mit dem Veto verhindern. Deshalb will der Europarat ein Ad-hoc-Gericht schaffen, auf Antrag von Damien Cottier. Ob dieser Plan nun weiterverfolgt wird, nachdem der Strafgerichtshof bereits einen Haftbefehl erlassen hat, ist fraglich. Im Mai treffen sich die Europarats-Staaten in Reykjavik, wo in dieser Sache das weitere Vorgehen beschlossen wird.

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