Exklusiver Einblick«Putins Bluthund» ist ihr Erzfeind – Besuch beim Tschetschenen-Bataillon
«Putins Bluthund», Ramsan Kadyrow, verachten sie: In der Ukraine kämpfen Tschetschenen gegen ihre Landsleute auf der Seite Russlands. Unsere Reporterin hat das Bataillon Dudajew getroffen.
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Tschetschenen kämpfen schon lange für Ukraine. Sie lösen damit ein Versprechen von 1995 ein (siehe Box unten).
Darum gehts
In der Ukraine kämpfen Tschetschenen auf beiden Seiten.
Das Bataillon Dudajew steht den Männern von «Putins Bluthund», Ramsan Kadyrow, gegenüber.
Ein Gespräch mit Muslim Madjew, dem stellvertretenden Kommandanten des Bataillons, auf der Seite der Ukraine.
Tausende ausländische Soldaten kämpfen an der Seite der Ukraine gegen die russischen Angreifer. Doch keiner von ihnen hat wohl mehr Grund, gegen die russischen Invasoren zu kämpfen, als die Muslime aus Tschetschenien. Sie wollen einen Sieg über Russland, das ihr Land in den 90er- und 2000er-Jahren in Schutt und Asche legte und unter dem sie schon zu Sowjetzeiten litten: Unter Stalins Terror soll fast ein Viertel der Tschetschenen ums Leben gekommen sein.
«Dieser Krieg ist mein dritter Krieg gegen Russland», sagt Muslim Madjew, der stellvertretende Kommandant des Dudajew-Bataillons. Er ist ein Veteran beider Tschetschenienkriege.

«Wenn es in Russland keine Veränderung gibt, gibt es auch keine Veränderung in Tschetschenien.»
«Wir wissen, wozu Russland fähig ist»
Seit 2016 kämpft er im Donbass und weiss, was die drei Kriege miteinander verbindet: «Russland geht nach dem gleichen Skript vor, im Kampf und im Umgang mit Zivilisten oder Kriegsgefangenen. Wir haben das alles schon in Tschetschenien gesehen. Wir wissen, wozu Russland fähig ist.»
Es gebe einen grossen Unterschied. «In den Tschetschenienkriegen gab es kein Licht am Ende des Tunnels», sagt der 62-Jährige. «Das ist jetzt anders. Und das gibt uns Hoffnung für die Zukunft Tschetscheniens. In den 90er-Jahren hat uns niemand geholfen einerseits, weil wir damals noch immer als Teil Russlands angesehen wurden, andererseits, weil Moskau Propaganda gegen uns Muslime machte», so Madjew. «Wir galten damals alle als islamistische Terroristen, so wie heute die Ukrainer alle Nazis sein sollen. Es ist wieder die gleiche Taktik.»
«Informationen sind wichtiger als einige tote russische Soldaten»

Männer des Bataillons Dudajew: Derzeit sind sie vor allem in Bachmut tätig.
Das Bataillon Dudajew arbeitet eng mit dem ukrainischen Militär zusammen. Es führt vor allem Aufklärungsoperationen und Ablenkungsmanöver durch. «Wir versuchen, direkte Konfrontationen zu vermeiden, denn verlässliche Informationen sind wichtiger als einige tote russische Soldaten», sagt Madjew.
Die Sprache kommt auf Ramsan Kadyrow, den vor Moskaus Gnaden eingesetzten Präsidenten der Teilrepublik Tschetscheniens. Der 46-Jährige lässt sich dort wie ein Heiliger verehren, herrscht aber wie ein Despot. Die sogenannte «Spezialoperation» Russlands in der Ukraine hat er als «Heiligen Krieg» deklariert und Tausende seiner Soldaten zur Unterstützung Moskaus geschickt. In den sozialen Medien präsentiert er sich gerne als harter Kämpfer in Louis-Vuitton-Uniform.
«Auch Kadyrows Zeit wird kommen»
Nicht nur im Dudajew-Bataillon gelten Kadyrow und seine Männer als Verräter des tschetschenischen Volkes. So kämpfen in der Ukraine Landsmänner gegen Landsmänner – theoretisch. «Kadyrow kennt Luxus-Kleidermarken, aber nicht den Krieg», sagt Madjew. «Sein Job ist es, hinter den Linien Deserteure zu töten.»

«Mental auf dem Entwicklungsstand eines Kindes»: Ramsan Kadyrow mit Wladimir Putin.
Madjews ebenfalls anwesender Sohn bemüht sich kaum, seine Verachtung zu verbergen: «Mental ist er auf dem Entwicklungsstand eines Kindes», wirft er dazwischen. «An der Front ist Kadyrow nie. Meistens ist er in Tschetschenien, wo ihn stets zwei Männer mit Anti-Drohnenwaffen begleiten – so viel Angst hat er.»
Auf die Frage, ob Kadyrow ein Ziel des Dudajew-Bataillons sei, schweigt Madjew zunächst. Dann sagt er mit einem Lächeln: «Auch seine Zeit wird kommen.»
Hoffnung auf Veränderung in Russland
Sein Traum sei es allerdings, Kadyrow vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu sehen, zumal er in den beiden Tschetschenienkriegen zusammen mit den russischen Truppen grausige Verbrechen begangen und unzählige Zivilisten getötet habe. Der stellvertretende Kommandant macht sich keine Illusionen: Selbst wenn Kadyrow nicht mehr wäre, würde das nicht in die erstrebte Unabhängigkeit von Moskau münden.
Nicht nur, weil dort noch immer 100’000 russische Soldaten stationiert seien. «Wenn es in Russland keine Veränderung gibt, gibt es auch keine Veränderung in Tschetschenien», sagt Madjew.
«Inshalla», murmelt einer seiner Kämpfer dazu. Aber Madjew wendet ein: «Wir kämpfen nicht in der Hoffnung auf Gottes Hilfe, sondern im Wissen darum.»
Verknüpftes Leid
Tschetschenen lösen in der Ukraine ein Versprechen ein
Das Bataillon Dudajew wurde benannt nach dem ersten Präsidenten Tschetscheniens, Dschochar Dudajew. Er wurde 1996 von Moskau getötet und gilt seither in vielen ehemaligen Sowjetrepubliken als Symbolfigur für die Unabhängigkeit von Russland.
Tschetschenische Freiwillige kämpfen seit 2014 auf der Seite der Ukraine im Donbass. Sie lösten damit ein Versprechen von 1995 ein: Als der Kreml 1995 die Invasion ihrer Heimat begann, zogen Hunderte ukrainische Freiwillige in den Kaukasus, um das tschetschenische Volk im Kampf gegen Russland zu unterstützen. Jetzt revanchieren sich die tschetschenischen Kämpfer. Dabei gehört das Dudajew-Bataillon neben dem Scheich-Mansour-Bataillon zu den ersten tschetschenischen Kampfverbänden in der Ukraine.
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