«Lädelisterben» in St. Gallen: «Regale mit Kleidern reichen nicht mehr»

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«Lädelisterben» in St. Gallen«Regale mit Kleidern reichen nicht mehr»

Immer mehr Ladenlokale in St. Gallen stehen leer, selbst an bester Lage. Zudem wird es immer schwieriger, Nachmieter zu finden. Schuld ist der Online-Handel und der Einkaufstourismus.

von
air
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Die Buchhandlung Rösslitor zieht Mitte 2018 aus der Filiale am Bärenplatz aus.

Die Buchhandlung Rösslitor zieht Mitte 2018 aus der Filiale am Bärenplatz aus.

Alain Rutishauser
Dann wird das Rösslitor einige Meter weiter an der Marktgasse einziehen. Vorher war hier ein Conforama drin, seit Januar steht das Gebäude leer.

Dann wird das Rösslitor einige Meter weiter an der Marktgasse einziehen. Vorher war hier ein Conforama drin, seit Januar steht das Gebäude leer.

Alain Rutishauser
Auch diese Filiale, ebenfalls in der Marktgasse nur einige Hausnummern weiter, wird bald leerstehen.

Auch diese Filiale, ebenfalls in der Marktgasse nur einige Hausnummern weiter, wird bald leerstehen.

Alain Rutishauser

Vorbei sind die Zeiten, als für Immobilien beliebige Preise verlangt und trotzdem problemlos Nachmieter gefunden werden konnten. Auch in St. Gallen spürt man das. So stehen zurzeit Ladengeschäfte an der Multergasse oder dem Spisertor leer, teilweise wird bereits seit Monaten nach einem Nachmieter gesucht.

«In den letzten zehn Jahren gab es tatsächlich einen Mietpreisrückgang, was für die Schweiz schon sehr ungewöhnlich ist», bestätigt Marc Linzmajer, Leiter des Kompetenzzentrum E-Commerce der Universität St. Gallen. Er kennt die Gründe dafür: «Vor allem Online-Shopping und der Einkaufstourismus machen den Filialen in St. Gallen zu schaffen.»

Rösslitor-Filiale ist gefragt

Auch die Buchhandlung Rösslitor zieht Mitte 2018 aus der Filiale «Zur Laterne» am Bärenplatz und geht einige Häuser weiter an die Marktgasse 4. Dort war bis Januar eine Filiale von Conforama mit Wohnartikeln domiziliert, seither steht das Gebäude leer.

Die Chancen, dass die Filiale etwas schneller einen Nachmieter findet, stehen gut. «Wir haben vor kurzem mit der Vermarktung begonnen und führen erste Gespräche», so Alain Baumgartner, Immobilien-Portfolio-Manager bei Swiss Life. Das Interesse sei da, gehöre die Liegenschaft doch zu den schönsten Altstadthäusern in St. Gallen.

Aber auch Baumgartner weiss: «Die Vermietung von Immobilien ist tendenziell wieder anspruchsvoller geworden.» Die Mieter hätten mehr Auswahl, umso entscheidender sei darum die Lage und die Qualität der Immobilien. «Sie suchen Objekte mit flexiblen, modernen Flächen, guter Ausstattung und hoher Passantenfrequenz.»

Alternative Store-Konzepte müssen her

Vor allem Läden ausserhalb des Stadtzentrums würden Probleme bekommen. «Es ist ein Teufelskreis, denn wenn grosse Player aus den peripheren Stadtteilen wegziehen, verschwinden auch die kleineren Filialen», sagt Linzmajer. Es werde immer wichtiger, dem Kunden mehr zu bieten als nur Regale mit Kleidern. «Beispielsweise könnte mittels QR-Codes auf ein erweitertes Sortiment im Online Store aufmerksam gemacht werden», so Linzmajer.

Verschwinden würden Filialen allerdings nie ganz. «Im Menschen ist neuronal verankert, dass er Kontakt mit anderen Menschen haben will», erklärt er. Allerdings mache er sich heute mehr Gedanken, was er selber erledigen kann und wo er wirklich noch Beratung braucht. «Wichtiger wird das Click and Collect werden, bei dem ein Artikel online bestellt und in der Filiale abgeholt wird», so Linzmajer. Dies sei eine Win-Win-Situation: der Kunde könne sofort reklamieren, wenn etwas nicht passt und für das Personal bestehe die Chance von Zusatzverkäufen.

Auch Stadtpräsident Thomas Scheitlin sind leerstehende Ladenlokale ein Dorn im Auge. So lancierte die Stadt mit dem Gewerbe zusammen das Projekt «Zukunft St. Galler Innenstadt». Themen wie die Parkplatzsituation, bessere Beschilderung oder der Transport wurden diskutiert. Auch eine Zusammenarbeit mit Immobilienfirmen ist laut Scheitlin denkbar: «Wir könnten zum Beispiel helfen, Interessenten für eine Zwischennutzung zu finden.»

Auf Facebook gegen leere Ladenlokale

Die derzeitige Situation in St. Gallen beschäftigt auch die Facebook-Gemeinde. So gibt es dort die Seite «Freie Ladenlokale St. Gallen», die seit Juni 2016 Fotos von leerstehenden Lokalen postet. Über 1000 Leute folgen mittlerweile der Seite. Alle paar Tage posten die Seitenbetreiber neue Bilder von Lokalen. Wie dem Infotext zu entnehmen ist, möchte die Gruppe «einerseits die Situation porträtieren als auch mittelfristig mithelfen, regionale Lösungsansätze für attraktivere Innenstädte zu finden.»

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