GibraltarReihenweise Attacken auf Boote – ist diese Wal-Mama die Anstifterin?
Segler zittern, Forscher stehen vor einem Rätsel: Vor den Küsten Spaniens und Portugals werden Boote von Orcas zerstört. Was steckt dahinter? Eine Wal-Dame steht im Verdacht, die «Anstifterin» zu sein.
So attackierte eine Gruppe Killerwale das Boot Mustique in den Morgenstunden des 25. Mai 2023 vor der Küste Spaniens.
Darum gehts
In den letzten Wochen verursachen Orcas vermehrt grössere Schäden an Booten vor der Küste Spaniens.
Sie könnten einfach eine eigenwillige Angewohnheit entwickelt haben oder die Boote aus Spass angreifen.
Auch möglich wäre, dass einzelne Orcas schlechte Erfahrungen mit Booten machten und versuchen, weitere solche Erfahrungen zu verhindern.
Die wiederholten Killerwal-Attacken vor der Küste Spaniens stellen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vor ein Rätsel. Dass Orcas Menschen gegenüber gezielt gewalttätig werden, war bis vor kurzem noch weitgehend unbekannt. Zwar greifen Orcas auch andere Meeresgiganten an: Neben Thunfischen, Heringen, Pinguinen, Robben und Seevögeln verspeisen sie Delfine, andere Wale und Haie. In diesem Jahr wurden schon 53 beschädigte Boote durch Schwertwale gemeldet – darunter eine Schweizer Jacht, die von den Tieren versenkt wurde. Warum sie vermehrt Boote beschädigen, ist noch nicht geklärt, doch in der Wissenschaft gibt es mehrere Thesen zu den neuen Verhaltensmustern.
1. These: Orcas haben einfach «etwas Neues» erfunden
López, ein weltweit angesehener Meeresbiologe, vertritt zwei Thesen. Die Erste: Die Schwertwale aus der Familie der Delfine könnten vielleicht einfach «etwas Neues» erfunden haben. Sie seien hochintelligente, neugierige und sehr soziale Wesen, die von ihren Artgenossen lernten. Bereits früher habe man beobachtet, dass einzelne Orca-Gruppen eigenwillige Gewohnheiten entwickelt hätten.
2. These: Wal-Dame Gladis Blanca stachelt andere zu den Angriffen an
«Aber es könnte sich auch um eine Antwort auf ein negatives Erlebnis handeln», meint López. «Das heisst, ein oder mehrere Tiere haben vielleicht eine schlechte Erfahrung gemacht und versuchen, die Boote zu stoppen, damit sich das nicht wiederholt.» Der Experte hat eine Orca-Mama im Verdacht, die Attacken, die Biologen lieber «Interaktionen» nennen, initiiert zu haben. Die Wal-Dame hat auch einen Namen: Gladis Blanca, Weisse Gladis.
Sie oder eines ihrer Jungen könnten sich etwa in einem Fischnetz verfangen haben oder von einem Boot angefahren worden sein. Für eine Reaktion auf eine negative Erfahrung spreche unter anderem, dass Gladis Blanca 2021 sogar mit ihrer neugeborenen Tochter Boote angefallen habe. «Die Motivation, die sie zur Interaktion antreibt, ist offenbar grösser als der mütterliche Schutzinstinkt», sagt López.

Gladis Blanca gehört zu einer Gruppe von Orcas, die von einem Team schon länger beobachtet wird. So können die einzelnen Tiere identifiziert werden und die Beziehungen zwischen ihnen sind grösstenteils bekannt.
3. These: Für die Orcas sind die Angriffe nur Spiel und Spass
Im Gegensatz dazu glaubt Renaud de Stephanis, dass die Orcas nur Spass haben wollen. «Es ist klar, dass es sich um Spiele handelt», sagte der Präsident der Umweltschutzorganisation Circe zu RTVE. Jüngere Tiere hätten mit diesem Verhalten begonnen, und nun seien auch zwei Mütter aktiv, sagt er. Es sei zu erwarten, dass die Zwischenfälle aufhörten, sobald die Orcas dieses Spiel satt hätten.
Welche Theorie vermutest du hinter den Attacken?
Einige Meeresbiologen räumen unumwunden ein, man habe «keinen blassen Schimmer», was hinter dem Verhalten stecke. Einig sind sich Fachleute jedoch darin, dass man die Orcas «nicht kriminalisieren» dürfe. «Es gibt Schlagzeilen in der Presse, die die Realität verwischen», klagt López. Er meint Überschriften wie «Aufstand der Orcas» oder «Rache der Mörderwale». «All dies muss uns vielmehr dazu bringen, darüber nachzudenken, dass Aktivitäten des Menschen der Grund für dieses Verhalten sein könnten», gibt López zu bedenken.
Orcas werden mit GPS-Trackern versehen
Dass die Lage für alle Beteiligten ernst ist, zeigt die jüngste Reaktion des Ministeriums für Ökologischen Wandel in Madrid. Nachdem Fahrverbote für kleinere Boote mit einer Schiffslänge von bis zu 15 Metern in bestimmten Meereszonen wenig gebracht hatten, begann man vorige Woche damit, einzelne Orcas mit GPS-Trackern zu bestücken, um sie orten und Kapitäne warnen zu können.
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