Touristen posieren mit Wildtieren – Experten sind schockiert

Viele Reisende posieren auf Social Media mit Wildtieren in Gefangenschaft – für Tierschützende und Reiseveranstalter aus der Schweiz ein absolutes No-go.

Viele Reisende posieren auf Social Media mit Wildtieren in Gefangenschaft – für Tierschützende und Reiseveranstalter aus der Schweiz ein absolutes No-go.

Instagram/shani_amrani1
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«mafiöse Organisationen»Reisende zerren Wildtiere auf Fotos – Experten sind entsetzt

Auf Social Media kuscheln Reisende mit Affen, Tigerbabys und Schlangen. Tierschützer und Reiseveranstalter aus der Schweiz zeigen sich schockiert und klären auf.

von
Laura Zygmunt

Ganze 4,6 Millionen Klicks zählt folgendes Video auf Tiktok: Eine Influencerin posiert mit einem Orang-Utan, der eine Hose trägt, auf einer Schaukel. Dabei drückt er ihr immer wieder Küsschen auf die Wange und greift ihr am Schluss gezielt an die Brüste, was sie zum Lachen bringt.

Aufgenommen wurde es im Zoo und Vergnügungspark Safari World in Bangkok, welcher auch Shows und Fotos mit Tieren anbietet. Die Touristenattraktion wird von Tierschutzorganisationen immer wieder wegen der schlechten Behandlung und Unterbringung von Wildtieren kritisiert.

In einem anderen Tiktok-Clip posieren zwei Touristinnen auf der thailändischen Insel Phuket mit einer Schlange. Dabei drückt die eine den Kopf des Tieres näher an sich, um ihr einen Kuss aufzudrücken. Entstanden ist die Aufnahme in der Phuket Cobra Show, einem Schlangenzoo für Schaulustige mit über 50 Schlangenarten.

Auch in den USA dienen Wildtiere zur Unterhaltung

Nicht nur in Tierparks in Thailand ist das Posieren mit Wildtieren möglich, sondern beispielsweise auch in den USA: Der umstrittene Tiertrainer Mahamayavi Bhagavan, auch bekannt unter dem Namen Doc Antle, hält in seinem Reservat Doc Antle’s Myrtle Beach Safari in South Carolina knapp 200 Wildtiere.

Er geriet schon mehrmals ins Visier von verschiedenen Tierschutzorganisationen und wurde wegen diverser Gesetzesverstösse im Zusammenhang mit dem Handel und Umgang mit Wildtieren angeklagt. In seinem selbst ernannten Reservat können Touristinnen und Touristen gegen Geld mit Elefanten, Affen und Raubkatzen für Social Media posieren.

Hast du in den Ferien schon einmal ein Wildtier gestreichelt oder für ein Foto posiert?

Schweizer Tierschutzorganisationen sind entsetzt

Die Kommentare unter den viralen Videos zeigen, wie das Thema polarisiert. «So traurig, wie der Affe das alles einstudiert hat», kritisiert jemand. Doch es gibt auch positive Kommentare von «Geil, dieser Affe hat mehr erreicht als ich» bis zu «Ich will auch unbedingt ein Tigerbaby streicheln».

Aussagen, die Tierschützerinnen und Tierschützer nicht nachvollziehen können. «Tiere wie Orang-Utans brauchen unser Mitgefühl, nicht unseren Spott. Wenn Wildtiere völlig unnatürliche Tricks vorführen und menschliche Kleidung tragen, dann tun sie das nicht freiwillig.», sagt Dr. Yvonne Würz. Sie arbeitet als Fachreferentin für Tiere in der Unterhaltungsbranche bei der Tierschutzorganisation Peta.

Weiter führt sie aus, dass Affenbabys in der freien Wildbahn eigentlich bis zum Alter von etwa acht Jahren bei ihren Müttern bleiben. «Zu Unterhaltungszwecken werden sie ihnen aber oft wenige Tage oder Wochen nach der Geburt entrissen, um sie mit Gewalt und Zwang zu dressieren – als Fotosujets.»

Auch Samuel Furrer, Zoologe und Leiter der Fachstelle Wildtiere beim Schweizer Tierschutz STS, mache es traurig, wenn er solche Videos sieht: «Hinter diesen touristischen Angeboten stehen oft mafiöse Organisationen, die mit Tierhandel, Schmuggel und Dressur viel Geld verdienen. Damit verbunden ist leider sehr grosses Tierleid.»

Doch wieso gibt es überhaupt immer noch Touristinnen und Touristen, die mit Wildtieren posieren? «Weil es an Aufklärung fehle und die Tierschutzgesetze in beliebten Ferienländern wie Thailand besonders schwach sind.» Auch hinter Bezeichnungen wie «Sanctuary» und «Auffangstation» stecken oft Orte, in denen Tiermissbrauch vorkommt, erklärt Furrer.

Nachfrage nach Begegnungen mit Wildtieren ist gross

Dass die Nachfrage nach Tierattraktionen und Beobachtungen von Wildtieren in den Ferien scheinbar nach wie vor gross ist, bestätigt Sonja Ptassek, Mediensprecherin von Tui Suisse. Demzufolge bietet das Reiseunternehmen auch Erlebnisse dieser Art an – Kuscheln mit Tigerbabys und Affen gehört aber nicht dazu.

«Tui stützt sich auf die internationalen Tierschutzlinien der ABTA. Diese verbieten unter anderem den direkten Kontakt zwischen wilden Tieren und Menschen, wenn die Tiere nicht die Möglichkeit haben, die Interaktion jederzeit zu beenden und sich weiterzubewegen.»

Und was, wenn du dir nichts Sehnlicheres wünschst, als in deinen Ferien majestätischen Löwen, sanften Elefanten oder eleganten Raubkatzen zu begegnen? «Ausflüge und Expeditionen von seriösen Anbietern, bei denen man sich auf respektvolle Weise ins Habitat der Wildtiere begibt, ohne sie zu stören, können gute Möglichkeiten sein, sie in der Natur zu beobachten», rät Samuel Furrer.

Und Dr. Yvonne Würz ergänzt: «Ethisch vertretbarer Wildtiertourismus kann auch dazu beitragen, Tiere und ihre Lebensräume zu schützen. Es lohnt sich, sich im Vorfeld genau über Anbieter zu erkundigen und beispielsweise nur Auffangstationen zu besuchen, welche keine Tiere züchten, sondern nur Gerettete aufnehmen.»

Du weisst von einem Tier in Not?

Hier findest du Hilfe:

Feuerwehr, Tel. 118 (Tierrettung)

Polizei, Tel. 117 (bei Wildtieren)

Tierrettungsdienst, Tel. 0800 211 222 (bei Notfällen) 

Schweizerische Tiermeldezentrale, wenn ein Tier entlaufen/zugelaufen ist

Stiftung für das Tier im Recht, für rechtliche Fragen

GTRD, Grosstier-Rettungsdienst, Tel.  079 700 70 70 (Notruf)

Schweizerische Vogelwarte Sempach, für Fragen zu Wildvögeln, Tel. 041 462 97 00


Tierquälerei:

Meldung beim kantonalen Veterinäramt oder beim Schweizer Tierschutz (anonym möglich)

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