Forderung des PolizeidirektorsReithalle soll bei «Marsch fürs Läbe» schliessen
Der Berner Polizeidirektor Philippe Müller fordert die Schliessung der Reitschule während dem «Marsch fürs Läbe» am Samstag. Der Gemeinderat sieht dagegen keinen Handlungsbedarf.
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- sul
Die letzten Krawalle vor der Berner Reitschule mit verletzten Chaoten und Polizisten liegen erst wenige Tage zurück, da steht schon das nächste ungemütliche Wochenende bevor: Am 15. September findet auf dem Bundesplatz der «Marsch fürs Läbe» statt, bei dem fundamentalistische Christen gegen das Recht auf Abtreibung demonstrieren.
Sorgen bereiten der Polizei dabei vor allem das erweiterte Teilnehmerfeld: Neben der rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) kündigten auch Linksextreme der Anarchistischen Gruppe Bern ihren Auftritt an.
«Polizisten müssen unversehrt bleiben»
Nun forderte der kantonale Polizeidirektor Philippe Müller (FDP) im Interview mit «Tele Bärn» den Gemeinderat auf, die Reitschule während der Kundgebung zu schliessen. Gegenüber 20 Minuten spricht Müller von einer Schliessung zwischen 15 Uhr, wenn der Marsch beginnt, und etwa 19 Uhr.
«Es geht darum, mögliche Gewalt einzudämmen und die Arbeit der Polizei nicht zusätzlich zu erschweren», sagt er. Bleibe die Reitschule am Nachmittag zu, könnten gewalttätige Chaoten sie nicht als Rückzugs- und Organisationsort missbrauchen. «Die Stadtregierung erteilt die Bewilligung für Demonstrationen, also muss sie auch alles daran setzen, dass die Polizisten im Einsatz unversehrt bleiben», sagt Müller.
«Forderung geht in Richtung Kollektivstrafe»
Die Reitschule hält Müllers Forderung für «reichlich absurd», wie sie auf Anfrage schreibt. «Das Vorgehen der Polizei ist der wichtigste Faktor in der Frage, ob es zu Ausschreitungen kommt oder nicht. Wenn die Kantonspolizei ihr eskalierendes Verhalten der letzten Jahre aufgibt, sind wir zuversichtlich, dass auch ein ‹Marsch fürs Läbe› ohne Eskalation über die Bühne gehen wird», so die Mediengruppe.
Der Marsch habe abgesehen davon nichts mit der Reitschule zu tun. Die Forderung von Phillippe Müller gehe daher «in Richtung Kollektivstrafe» und sei «eines Demokraten unwürdig».
Schliessung in Gemeinderat kein Thema
«Der reguläre Betrieb der Reitschule beginnt gemäss Kenntnisstand der Stadtverwaltung Bern ohnehin erst um 18 Uhr. Das gilt auch für kommenden Samstag. Insofern stellt sich die Frage nicht», lässt Stadtpräsident Alec von Graffenried ausrichten.
Ganz geschlossen ist die Reitschule davor allerdings nicht: Wie ein Blick auf die Website zeigt, startet in der grossen Halle bereits um 14 Uhr das Tattoo-Fest Santa Rosa.
Regierungsrat Müller, der dem Gemeinderat vorwirft, sich nach Gewaltausschreitungen zu wenig hinter die Polizei zu stellen, meint zu von Graffenrieds Aussage: «Das schmeckt für mich einmal mehr nach Ausreden. Reguläre oder irreguläre Öffnungszeiten interessieren mich nicht. Die Stadtregierung muss sicherstellen, dass niemand bei der Reitschule ein- und ausgeht, solange die Kundgebung läuft und sich gewaltbereite Gruppierungen in der Stadt aufhalten.»
Grosses Polizeiaufgebot, hohe Kosten
Sicherheitsdirektor Reto Nause spricht im Zusammenhang mit nächstem Samstag von einer «ausserordentlich schwierigen Situation» für die Stadt Bern. Linksautonome Kreise aus der ganzen Schweiz hätten zu Gegenprotesten am «Marsch fürs Läbe» aufgerufen. «Dass die linksautonome Szene präsent sein wird, scheint sehr klar», sagt Nause. Die Polizei werde die Veranstaltung mit einem grossen Aufgebot begleiten, was entsprechend hohe Sicherheitskosten verursache.
«Es wäre naiv zu glauben, dass es keine Zwischenfälle geben wird», räumt er ein. Jedoch hätten Stadtregierung und Polizei die Kundgebung seit Längerem auf dem Radar. Zudem habe man in der Vergangenheit Demonstrationen mit ähnlichen Teilnehmer-Konstellationen gemeistert. Nause: «Wir haben alles, was man vorbereiten kann, in unsere Überlegungen miteinbezogen.»