Nach Einsatz auf Schützenmatte: Reitschüler beim Pizzakauf von Polizei überrascht

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Nach Einsatz auf SchützenmatteReitschüler beim Pizzakauf von Polizei überrascht

Am Mittwochabend nahm die Polizei mehrere Reitschüler fest. Weil sie zuvor eine Verhaftung von Dealern gefilmt hatten?

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sda/miw
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Am Mittwoch nahm die Polizei bei der Reitschule mehrere Drogendealer fest. Zudem gerieten auch Leute ins Visier der Polizei, die diese Verhaftung filmten.

Am Mittwoch nahm die Polizei bei der Reitschule mehrere Drogendealer fest. Zudem gerieten auch Leute ins Visier der Polizei, die diese Verhaftung filmten.

Keystone/Manuel Lopez
Später sei ein Reitschüler beim Waisenhausplatz, abseits der Schützenmatte, beim Abholen einer Pizza von zwei Polizisten auf einen Posten gebracht und gefilzt worden.

Später sei ein Reitschüler beim Waisenhausplatz, abseits der Schützenmatte, beim Abholen einer Pizza von zwei Polizisten auf einen Posten gebracht und gefilzt worden.

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Dies mit der Begründung, er habe von der Reitschule aus den Einsatz gefilmt.

Dies mit der Begründung, er habe von der Reitschule aus den Einsatz gefilmt.

Keystone/Anthony Anex

Die Berner Kantonspolizei hat am Mittwochabend anlässlich einer Aktion gegen den Drogenhandel auf der Berner Schützenmatte vier mutmassliche Drogenhändler angehalten. Sie ging auch gegen Dritte vor, die die Einsatzkräfte filmten.

Die Mediengruppe des Berner Kulturzentrums Reitschule machte am Donnerstag diesen Polizeieinsatz zum Thema einer Medienmitteilung. Die Gruppe teilte mit, als Zivilpolizisten auf der Neubrückstrasse neben der Reitschule eine Festnahme durchgeführt hätten, habe eine Person diese Festnahme mit ihrer Kamera dokumentiert.

Amtsmissbrauch der Polizei

Als die festgenommene Person abgeführt worden sei, seien unvermittelt drei Zivilpolizisten auf die fotografierende Person zugerannt und hätten sie gegen eine Wand gedrückt. Dabei sei das Objektiv beschädigt worden. Als weitere Personen dazugekommen seien, habe die Polizei Unterstützung aufgeboten und eine weitere Person festgenommen, die sich lautstark über die Polizei beschwert habe.

Später sei ein Reitschüler beim Waisenhausplatz abseits der Schützenmatte beim Abholen einer Pizza von zwei Polizisten auf einen Posten gebracht und gefilzt worden, mit der Begründung, er habe von der Reitschule aus den Einsatz gefilmt.

Dass die Polizei den Menschen ihre Freiheit entziehe, nur weil diese ihre Arbeit dokumentierten, sei Amtsmissbrauch. Es brauche eine unabhängige Instanz zur Untersuchung von Polizeieinsätzen.

34 Gramm Kokain sichergestellt

Am Donnerstagnachmittag veröffentlichte auch die Kantonspolizei eine Mitteilung zu den Geschehnissen. Im Zug der Aktion gegen den Drogenhandel seien 34 Gramm Kokain, kleine Mengen Marihuana sowie gegen 700 Franken Bargeld gefunden und sichergestellt worden. Die vier Männer würden wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz angezeigt.

Wiederholt hätten Polizisten zudem festgestellt, dass sie gefilmt oder fotografiert worden seien. Als in diesem Zusammenhang bei der Schützenmatte die Personalien eines Mannes überprüft werden sollten, sei dieser zunächst geflüchtet. Kurz darauf habe er angehalten werden können, wobei ein weiterer Mann die Anhaltung habe verhindern wollen. Dieser habe sich den Einsatzkräften in den Weg gestellt und sie auch angegriffen. Beide Männer wurden für weitere Abklärungen auf eine Wache gebracht und müssen mit einer Anzeige rechnen.

Filmende Reitschüler auf dem Radar

Im weiteren Verlauf des Abends seien im Bereich der Polizeiwache Waisenhaus mehrere Personen gesichtet worden, die teils systematisch Aufnahmen von Polizisten oder Einsatzfahrzeugen gemacht hätten. Diese Personen hätten auch ums Areal zirkuliert.

«Entsprechend wurden die Personen kontrolliert, wobei eine Frau und ein Mann für weitergehende Abklärungen auf eine Wache mitgenommen wurden.» Dies sei deshalb geschehen, weil sie sich entweder nicht hätten ausweisen wollen oder der Verdacht bestanden habe, dass sie sich Zugang zum Polizeiareal verschafft hätten. Beide wurden nach der Kontrolle wieder entlassen.

Keine Anhaltung wegen Foto

Angesprochen auf den Vorwurf des Amtsmissbrauchs, sagte Polizei-Mediensprecherin Jolanda Egger, die Polizei halte sich grundsätzlich an die Gesetze. In der Mitteilung erläutere sie, wieso die filmenden und fotografierenden Personen angehalten worden seien.

Der Mann mit der Kamera an der Neubrückstrasse habe passiven Widerstand geleistet, nachdem er sich zuvor einer Personenkontrolle entzogen habe. Ihm stehe es frei, ein Gesuch um Staatshaftung einzureichen für den Schaden an der Kamera, die tatsächlich auf den Boden gefallen sei. Die beim Waisenhausplatz angehaltenen Personen hätten sich unter anderem nicht ausweisen wollen. In einem solchen Fall würden sich weitere Abklärungen aufdrängen. «Prinzipiell wird niemand angehalten, nur weil er oder sie fotografiert oder filmt», sagte Egger weiter. «Unsere Einsatzkräfte sind sich bewusst, dass sie im Fokus stehen.»

Wann darf gefilmt werden?

Wann darf gefilmt werden?

Die Berner Kantonsregierung hat kürzlich festgehalten, unter welchen Bedingungen Polizeieinsätze gefilmt werden dürfen und das Material veröffentlicht werden darf: Wenn der Ablauf des Ereignisses im Vordergrund steht, nicht einzelne Personen.

In diesen Fällen sei es «grundsätzlich zulässig», Polizeieinsätze aufzunehmen und zu veröffentlichen. Das steht in der Antwort des Regierungsrats auf eine im vergangenen September eingereichte Anfrage der Berner Grossrätin Christa Ammann (Alternative Linke).

Die Veröffentlichung von Aufnahmen, auf denen einzelne betroffene Personen und Polizisten im Einsatz klar identifizierbar seien, stelle jedoch eine Persönlichkeitsverletzung dar.

Jedem Polizeieinsatz liege eine unterschiedliche Ausgangslage zugrunde. Somit könne auch die konkrete Handhabe im Umgang mit Videoaufnahmen von Dritten differenziert ausfallen, heisst es weiter.

Da eine Videoaufnahme unter Umständen von der gefilmten Person nicht bemerkt werde oder diese im fraglichen Moment nicht reagieren könne, könnten sich Polizisten «darum bemühen», die Aufnahme «soweit möglich zu unterbinden». Insofern könnten je nach Situation verschiedene zivil-, straf- und verwaltungsrechtliche Bestimmungen zum Tragen kommen.

sda

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