Geburt ist ein NotfallRichter stoppen Praxis bei schwarzen Listen
Eine Mutter stand auf der schwarzen Liste einer Krankenkasse, weshalb diese die Kosten für die Geburt nicht übernahm. Das Argument: Eine Geburt sei kein Notfall. Richter sehen das anders.
- von
- roy
Das Versicherungsgericht St. Gallen fällte diese Woche einen Entscheid, der für neun Kantone mit schwarzen Listen für säumige Prämienzahler weitreichende Folgen haben dürfte. Gemäss dem Urteil ist es nicht rechtens, wenn sich eine Kasse beispielsweise weigert, einem HIV-Patienten die Medikamente zu zahlen - nur weil er Ausstände bei den Prämien hat und deshalb auf der schwarzen Liste seines Kantons steht, schreibt die «Sonntagszeitung». Ein solcher Fall aus dem Kanton Graubünden wurde letzte Woche publik gemacht. Letztlich ist der betroffene Patient sogar gestorben.
Das Bundesgesetz sieht zwar vor, dass bei Patienten auf der schwarzen Liste nur noch Notfälle vergütet werden. Bislang gab es in diesem Zusammenhang keine allgemeingültige Definition einer Notfallbehandlung. Krankenkassen und Kantone versuchen oft, den Bergriff sehr eng auszulegen - um möglichst zu sparen.
Das St. Galler Versicherungsgericht sieht das nun anders: Eine Notfallbehandlung liege bereits dann vor, wenn «Medizinalpersonen eine Beistandspflicht zukommt», heisst es im Urteil. Demnach sei ein Notfall nicht erst dann gegeben, wenn sich ein Patient in Lebensgefahr befinde. Es reiche aus, wenn es sich um einen «dringenden Fall» handle. «Dringend ist ein Fall auch dann, wenn zwar keine Lebensgefahr besteht, die betroffene Person aber umgehend Hilfe braucht, weil ihre Gesundheit ansonsten ernsthaft beeinträchtigt werden könnte.»
Geburt sei kein Notfall
Für Susanne Hochuli, Präsidentin der schweizerischen Stiftung Patientenschutz (SPO), ist klar, dass dieses Verdikt Folgen haben wird über St. Gallen hinaus. «Das Urteil wird einen Einfluss haben in den übrigen Kantonen, die eine schwarze Liste führen», sagt die frühere Gesundheitsdirektorin des Kantons Aargau in der Sonntagszeitung. Die Gesetzgeber würden «künftig den Notfallbegriff in den gesetzlichen Bestimmungen umfassender definieren und die Beistandspflicht der Medizinalpersonen aufnehmen».
Im Urteil geht es um die Entbindung einer Frau - sie gebar im Kantonsspital St. Gallen ein Kind, doch ihre Kasse, die Assura, wollte die Kosten nicht zahlen, weil die Frau Prämienausstände hatte und auf der schwarzen Liste stand. Die Kasse argumentierte, eine Geburt sei kein Notfall. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig - eine Sprecherin der Assura konnte gegenüber der «Sonntagszeitung» nicht sagen, ob es angefochten wird. Nächste Instanz wäre das Bundesgericht.