130 Franken: SBB büsst 17-Jährige, weil Mitfahrerin vor Billettkontrolleur flüchtete

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130 FrankenSBB büsst 17-Jährige, weil Mitfahrerin vor Billettkontrolleur flüchtete

Weil sich ihre Bekannte der Billettkontrolle entzog, stellt die SBB Monika V. (17) eine Busse über 130 Franken aus. Und das, obwohl sie selbst ein gültiges Ticket besass.

von
Joel Probst
Daniel Krähenbühl
Céline Krapf
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Weil ihre Mitfahrerin vor der Ticketkontrolle floh, wurde eine 17-Jährige gebüsst.

Weil ihre Mitfahrerin vor der Ticketkontrolle floh, wurde eine 17-Jährige gebüsst.

TAMEDIA AG
Obwohl sie selbst ein gültiges Ticket besass, erhielt sie eine Rechnung der SBB über 130 Franken wegen «Mithilfe zum Missbrauch».

Obwohl sie selbst ein gültiges Ticket besass, erhielt sie eine Rechnung der SBB über 130 Franken wegen «Mithilfe zum Missbrauch».

20 Minuten/Sonja Mulitze
Der Billettkontrolleur habe von ihr verlangt, die Personalien ihrer Mitfahrerin anzugeben, sagt sie 20 Minuten.

Der Billettkontrolleur habe von ihr verlangt, die Personalien ihrer Mitfahrerin anzugeben, sagt sie 20 Minuten.

© SBB CFF FFS

Darum gehts

  • Die SBB büsst Monika V., weil ihre Mitfahrerin vor einem Billettkontrolleur flüchtete.

  • Obwohl die 17-Jährige ein gültiges Ticket besass, erhielt sie eine Rechnung über 130 Franken wegen «Beihilfe zum Missbrauch».

  • Pro Bahn kritisiert das Vorgehen der SBB scharf: Das sei unzulässige «Sippenhaftung».

  • Die SBB empfiehlt der Kundin, sich an den Kundendienst zu wenden.

Sie kassierte eine Busse trotz gültigem Bahnticket: Monika V.* fuhr am 8. November von Gossau SG nach St.Gallen, um dort den Nothelferkurs zu besuchen. Da kommt es zur Begegnung, die sie 130 Franken kosten sollte: «Im Zug traf ich eine Bekannte, die ich im Ausgang kennengelernt hatte», sagt die 17-Jährige zu 20 Minuten. Die beiden hätten zusammen geplaudert.

Als ein Ticketkontrolleur in Sicht war, habe die Bekannte V. dazu überredet, zusammen ins Zug-WC zu gehen. «Als wir in St. Gallen aus dem WC getreten sind, stand der Kontrolleur vor der Tür.» Monika V. habe ihm daraufhin ihr Ticket auf dem Handy gezeigt. «Meine Bekannte rannte währenddessen aber zur anderen Tür raus.»

Busse wegen «Mithilfe zum Missbrauch»

Der SBB-Kontrolleur habe verärgert reagiert: «Er verlangte von mir, dass ich die Personalien meiner Mitfahrerin angebe», sagt V. Sie habe sich jedoch geweigert: «Ich habe ihm gesagt, dass ich mit der Sache nichts zu tun habe.» Weder habe sie jemanden anschwärzen wollen, noch sei ihr der Nachname ihrer Mitfahrerin bekannt. Trotzdem habe V. ihre eigenen Personalien angeben müssen.

Wenige Wochen später flatterte bei der 17-Jährigen eine Rechnung ins Haus: «Der Brief war auf Französisch verfasst.» Darin stand, dass V. wegen «Beihilfe zum Missbrauch» eine Busse von 130 Franken berappen müsse. Als Rechnungssteller ist die SBB angegeben.

Diese Rechnung erhielt die 17-Jährige von der SBB.

Diese Rechnung erhielt die 17-Jährige von der SBB.

Privat

Pro Bahn kritisiert Vorgehen scharf

Die Rechnung hat V. bis heute nicht beglichen, stattdessen ist sie mit ihrem Rechtsschutz in Kontakt: «Dass ich für das Verhalten von einer Bekannten verantwortlich gemacht werde, geht gar nicht.» Sie ist hässig über die drohende Busse, die mit Mahngebühren von 40 Franken jetzt bereits auf 170 Franken gestiegen ist: «Die SBB erlaubt sich mit dieser Rechnung zu viel.»

Dem Fahrgastverband Pro Bahn Schweiz sind bislang keine solchen Vorfälle bekannt. Das Verhalten der SBB kritisiert der Verband scharf: «Wenn der Sachverhalt so stimmt, wäre das unhaltbar», so Präsidentin Karin Blättler. «Wir sind der Meinung, dass es dazu keine gesetzliche Grundlage gibt und dass es sich um eine Art ‹Kollektivhaftung› handelt, die unzulässig ist.»

Anwalt rät zum Rekurs

Auf Anfrage von 20 Minuten weist die SBB auf die Tarifbestimmungen von Alliance SwissPass, der Dachorganisation im öffentlichen Verkehr, hin. «Im Tarif 600 wird die Mithilfe zum Missbrauch beschrieben», sagt SBB-Sprecher Daniele Pallecchi. «Wir empfehlen der Kundin, sich zuerst an die auf der Busse angegebene Kundendienstadresse wenden.»

Der Zürcher Anwalt Guy Reich findet das Vorgehen der SBB «sehr unangemessen»: «Die Begründung für die Busse scheint an den Haaren herbeigezogen.» Schliesslich beruhe sie auf einem blossen Verdachtsmoment, Beweise, dass die Bekannte kein Billett auf sich getragen hatte, habe die SBB nicht. «Dazu kommt, dass der Beschuldigten auch kein Beispiel oder irgendeine Handlung der angewendeten Bestimmungen unter Tarif 600, Ziffer 12.6.2.2 vorgeworfen werden kann.» Er empfehle Monika V. daher, die Busse anzufechten, sagt Reich. «Einer Überprüfung durch eine Rekursinstanz wird die Geldbusse nicht standhalten.»

*Name der Redaktion bekannt

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