«Eine Zumutung»: SBB will auch an heissen Tagen nicht stärker kühlen

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«Eine Zumutung»SBB will auch an heissen Tagen nicht stärker kühlen

Die Kritik von Pendlern an zu warmen Zügen und einer neuen Klima-Regelung ist gross. Die erbosten Kunden lassen die SBB aber kalt.

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Wer sich im klimatisierten öffentlichen Verkehr Zuflucht vor der Hitze erhofft, wird enttäuscht. Denn immer mehr Verkehrsbetriebe kühlen die Innenräume weniger stark.

Wer sich im klimatisierten öffentlichen Verkehr Zuflucht vor der Hitze erhofft, wird enttäuscht. Denn immer mehr Verkehrsbetriebe kühlen die Innenräume weniger stark.

Keystone/Gaetan Bally
Bei der SBB werden die Fahrgasträume üblicherweise nicht stärker als fünf bis sieben Grad Celsius unterhalb die Aussentemperatur gekühlt.

Bei der SBB werden die Fahrgasträume üblicherweise nicht stärker als fünf bis sieben Grad Celsius unterhalb die Aussentemperatur gekühlt.

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Wer also im Intercity von Zürich nach Genf fährt, muss sich für fast drei Stunden bei bis zu 31 Grad einstellen. Nun hält diese Art der Kühlung auch bei anderen ÖV-Betrieben Einzug.

Wer also im Intercity von Zürich nach Genf fährt, muss sich für fast drei Stunden bei bis zu 31 Grad einstellen. Nun hält diese Art der Kühlung auch bei anderen ÖV-Betrieben Einzug.

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Der Schweiss lief den Pendlern am Mittwochabend in der S-Bahn von Zürich nach Rapperswil nur so herunter. Während einige Gäste die Fahrt mit hochrotem Kopf über sich ergehen liessen, fächerten sich andere mit einer Zeitung verzweifelt Luft zu. «Als ich endlich am Ziel ankam und aussteigen konnte, fühlten sich die rund 35 Grad draussen geradezu erfrischend an – so heiss war es im Zug gewesen», sagt eine Pendlerin.

Sie ist nicht allein. Auf der Facebook-Seite der SBB beschwerten sich innert eines Tages fast 40 Pendler über fehlende oder ungenügende Klimatisierung, Dutzende unterstützen die Beschwerden. «Wir, die Pendler, können weder in Badehosen noch in Flipflops zur Arbeit», schreibt ein erboster SBB-Kunde, als «nass bis auf die Genitalien und kurz vor dem Zusammenbruch», beschreibt ein Pendler seinen Zustand nach der Zugfahrt.

42,3 Grad Celsius im Eurocity

Andere posten Fotos von Thermometern, die sie in Zügen aufgestellt haben. Sie zeigen 42,3 Grad Celsius in einem Eurocity von Brig nach Domodossola, 45,2 Grad Celsius in einer S6 von Meilen nach Zürich oder 34,6 Grad Celsius in einer S-Bahn nach Schaffhausen.

Kritik gibt es auch an der Praxis der SBB und anderer ÖV-Betriebe, ihre Wagen nicht mehr auf eine Raumtemperatur von 23 bis 25 Grad zu kühlen, sondern nur noch fünf Grad Differenz zur Aussentemperatur herzustellen. 20 Minuten berichtete am Mittwoch darüber. An heissen Tagen kann die Regel Innentemperaturen von weit über 30 Grad bedeuten. In einer nicht repräsentativen Umfrage von 20 Minuten wünschten sich zwei Drittel der über 8100 Teilnehmer stattdessen Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad.

«Vernünftig und ökologisch»

An der SBB prallt die Kritik ab. Man habe «wenige» Rückmeldungen zur Klimatisierung bekommen, sagt Sprecher Raffael Hirt. Wie die Messungen der Pendler zustande gekommen seien, wisse die Bahn nicht. Die Fehlerquote der Klimageräte betrage zwei Promille, «das weist auf gut gewartete Industriemaschinen hin».

Von der Regel, nur noch fünf Grad Celsius Differenz herzustellen, will die SBB auch an aussergewöhnlich warmen Tagen nicht abweichen. «Das ist eine vernünftige und ökologische Regelung, die weltweit in öffentlichen Räumen angewandt wird», so Hirt. Sie gelte auch in «deutlich heisseren Ländern als der Schweiz» – etwa in Frankreich, Spanien oder Italien.

Pro Bahn interveniert

Damit will sich die Interessengemeinschaft der ÖV-Kunden Pro Bahn nicht mehr zufriedengeben.«Viele Zugpassagiere finden es in den Zügen zu warm. Sie kommen verschwitzt am Ziel an», sagt Pro-Bahn-Präsidentin Karin Blättler. Sie habe deshalb beschlossen, am Donnerstag bei der SBB vorstellig zu werden. «An den extremen Hitzetagen muss man die Züge auf 25 bis 26 Grad herunterkühlen, damit das Fahrgefühl noch angenehm ist», sagt sie. «Es kann nicht sein, dass die Gäste verschwitzt am Zielort ankommen.»

Dass die Fünf-Grad-Methode unangenehme Nebenwirkungen hat, bestätigten selbst die Zürcher Verkehrsbetriebe (VBZ), die sie ebenfalls anwenden. «Bei solchen Rekordtemperaturen fühlt es sich schnell so an, als würde geheizt», schreiben die VBZ auf Twitter. Man versuche aber auch, den Energieeinsatz in vernünftigem Rahmen zu halten. Immerhin sorgt die VBZ für leise Hoffnung für verschwitzte Pendler. Man leite Beschwerden weiter, schreiben die Social-Media-Leute. «Eventuell kann bei diesen extremen Temperaturen anders reguliert werden.»

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