«Einmal mehr am Pranger»Schadet die Fifa-Affäre dem Image der Schweiz?
Sepp Blatter präsentiert sich einmal mehr als Sieger mit weisser Weste. Doch von verschiedener Seite droht Ungemach – nicht nur der Fifa, sondern auch der Schweiz.
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Sepp Blatter wusste am Freitag 133 Fifa-Delegierte aus aller Herren Länder auf seiner Seite. Nach dem Ausscheiden seines einzigen Konkurrenten vor dem zweiten Wahlgang wurde er inmitten des grössten Vereinsskandals der Geschichte einmal mehr als Fifa-Kapitän bestätigt – vier Jahre mehr für den «79-Jährigen, der seit gefühlt 100 Jahren die Fifa anführt», wie es die «NZZ» formulierte.
Blatter wird mit seinem Fifa-Dampfer viele Klippen zu umschiffen haben, die er bisher nicht oder nur schemenhaft auf dem Radar gehabt haben will. Die grössten wurden letzte Woche bekannt: Einerseits die Anklage aus den USA gegen neun Fifa-Funktionäre und fünf Geschäftsleute, die zu Festnahmen führten, sieben davon in Zürich durch die Kantonspolizei. Das Bundesamt für Justiz (BJ) unterstützt die Strafuntersuchung im Rahmen der internationalen Rechtshilfe. Andererseits die Schweizer Strafuntersuchung der Bundesanwaltschaft (BA) über die Vergabe der Weltmeisterschaften von 2018 in Russland und 2022 in Katar.
Wird die Fifa zum Problem für das Image der Schweiz?
Die Ermittlungen könnten fast vergessene Finanz-Skandale wiederbeleben, schreibt die «Zentralschweiz am Sonntag» – etwa den um die ehemalige Schweizer Firma International Sport And Leisure (ISL). Die Sportrechtevermarkungsfirma, die 2001 Konkurs anmeldete, war der wichtigste Geschäftspartner der Fifa für Fussball-Übertragungsrechte – vor Gericht kam heraus, dass die ISL mit 138 Millionen Franken verschiedene Sportfunktionäre geschmiert hatte. Die ISL-Verfahren, die in der Schweiz geführt worden waren, sind längst eingestellt – Vergleiche wurden geschlossen, Wiedergutmachungszahlungen geleistet. Doch nun kommt der Ball wieder ins Rollen: Die US-Anklageschrift erwähnt Schmiergeldzahlungen der ISL an den Funktionär Nicolas Léoz, einer der 14 Angeklagten.
Bei rund 110 Millionen Franken wisse man noch heute nicht, an wen sie im Fall ISL genau gingen – doch es gebe eine Liste, so die «Zentralschweiz am Sonntag» weiter. Mindestens eine Person wisse genau, welche Namen darauf stünden. SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel, früher Manager bei ISL, sagt der Zeitung: «Diese Liste ist der Schlüssel.» Büchel denkt, dass die Amerikaner alles daran setzen werden, auch bei diesem Fall Licht ins Dunkel zu bringen. Und das könnte peinlich werden für die Schweiz: «Wenn die Amerikaner 15 Jahre später das schaffen, wo wir versagt haben, stehen wir dumm da. Dann wird die Schweiz einmal mehr an den Pranger gestellt», so Büchel.
Bedenken über Vorgehensweise der BA
Die nächsten Monate werden zeigen, ob es so weit kommen wird. Im Fokus des weltweiten Interesses stehen dürften gleichzeitig auch die Ermittlungsarbeiten der BA im Zusammenhang mit den umstrittenen WM-Vergaben an Russland und Katar. Hier meldet Strafrechtsprofessor Mark Pieth von der Universität Basel, Spezialist für Korruptionsstrafrecht, in der «NZZ am Sonntag» bereits Bedenken an. Dies, weil die BA nicht wegen Bestechung, sondern wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung und Geldwäscherei ermittle. Pieth: «Es ist sehr fraglich, ob die Bestechungsvorgänge, die hier im Raum stehen, mit dem Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung geahndet werden können.» Ein weiterer, nicht namentlich genannter kantonaler Staatsanwalt sagt der Zeitung: «Das Verfahren wird für die Bundesanwaltschaft ein heisser Lauf.»
Ein heisser Lauf, für den das Publikum wohl einen langen Atem brauchen wird. Ein Unentschieden wird es jedenfalls kaum goutieren, dürften die Untersuchungen doch Jahre in Anspruch nehmen. Bis zum Schlussresultat wird noch viel Wasser verdunsten in der Wüste Katars. Und womöglich wird gar der Fussball-Weltmeister der WM 2018 schon das Olympiastadion Luschniki in Moskau längst wieder verlassen haben.