Schlechte Noten für Schweizer Familienpolitik

Aktualisiert

Schlechte Noten für Schweizer Familienpolitik

Die OECD stellt der Schweizer Familienpolitik kein gutes Zeugnis aus. Beruf und Familie seien vor allem für Frauen schwer vereinbar.

Bundespräsident Deiss und Innenminister Couchepin anerkannten das Problem am Donnerstag vor den Medien als prioritär, machten aber auch auf die politischen Hemmnisse aufmerksam.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellt in der am Donnerstag veröffentlichten Studie «Babies and Bosses» fest, dass die Arbeitsquote der Frauen im Vergleich zum Schnitt der OECD-Länder zwar durchaus hoch ist. Allerdings würden 45 Prozent der Frauen nur Teilzeit arbeiten. Bei Müttern mit Kindern im Betreuungsalter steige diese Rate gar auf 75 Prozent. Da langes Teilzeitarbeiten die Karrierechancen mindere, hätten viele Frauen Mühe, Kinder- und Karrierewunsch zu verbinden. 40 Prozent der 40-jährigen Frauen mit Hochschulabschluss seien kinderlos und viele Paare hätten weniger Kinder als sie sich eigentlich wünschten.

Handlungsbedarf sieht die OECD etwa bei den Schulen, wo sie eine bessere Abstimmung der Stundenpläne auf die Arbeitszeiten der Eltern empfiehlt. Allgemein stellt sie bei der Kinderbetreuung ein ungenügendes Angebot fest. Die Schweizer Investitionen in die Kinderbetreuung seien im internationalen Vergleich niedrig und machten nur rund zehn Prozent des Niveaus der führenden skandinavischen Länder aus. Der Bericht schlägt vor, die finanzielle Unterstützung direkt den Eltern statt den Betreuungsinstitutionen zukommen zu lassen, um so Wahlfreiheit und Kostenbewusstsein zu stärken.

Weiter regt der Bericht den Übergang zur Individualbesteuerung an, so dass Familien mit zwei Einkommen nicht mehr benachteiligt würden. Die Arbeitgeber werden aufgerufen, Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, die es sowohl Männern wie auch Frauen erlauben, Beruf und Familie zu verbinden. Dies könnte durch flexiblere Arbeitszeiten geschehen oder dadurch, dass auch teilzeitarbeitende Mitarbeiter grössere Aufstiegschancen bekämen. Als positiven Schritt bezeichnet die OECD die Annahme der Mutterschaftsversicherung.

Verbesserungen in diesem Bereich seien für die Schweiz von zentraler Bedeutung, anerkannten Bundespräsident Joseph Deiss und Bundesrat Pascal Couchepin die Studie. Die Einführung einer echten Politik zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie stosse aber auf zwei hauptsächliche Hindernisse: die Komplexität der betroffenen Bereiche und die Zersplitterung der Kompetenzen. Dazu komme die angespannte Finanzlage der öffentlichen Haushalte. Trotz der offenkundigen Schwierigkeit müsse eine vertiefte Diskussion geführt und nach dauerhaften Lösungen gesucht werden. Die Bundesräte erhoffen sich von der OECD-Studie eine Intensivierung der Debatte. In einem ersten Schritt gehe es darum, sich über die Rolle der verschiedenen Beteiligten klar zu werden.

(dapd)

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