KorruptionSchmiergeld-Paradies mausert sich zum Vorbild
Im Holenweger-Prozess wird die Schweiz wieder vom Bild des Schmiergeld-Paradieses eingeholt. Im Kampf gegen die Korruption leistet die Schweiz aber auch Pionierarbeit.
- von
- Balz Bruppacher
Der Chef der Direktion Völkerrecht im Aussendepartement, Valentin Zellweger, kann James-Bond-Filme nicht recht geniessen. Denn immer wieder taucht das Cliché des Schweizer Bankiers auf, der die Bösewichte beim Verstecken ihrer kriminellen Gelder berät. Zu Unrecht, meint der Jurist und Diplomat, und verweist auf die jahrzehntelangen Anstrengungen der Schweiz im Kampf gegen die Korruption und für die Rückgabe von gestohlenen und veruntreuten Geldern. 1,7 Milliarden Franken sind in den letzten 15 Jahren an die Herkunftsländer zurückgeflossen – mehr als von irgendeinem Finanzplatz von vergleichbarer Grösse, wie das EDA stolz auf seiner Webseite festhält.
Die andere Seite der Geschichte ist, dass nach wie vor Altlasten auf dem Schweizer Finanzplatz lagern. Deren juristische Aufarbeitung ist zudem mit Hürden gespickt, die teilweise nicht im Einflussbereich der Schweiz liegen. So sind die Strafuntersuchungen, die das Waschen von ausländischen Korruptionsgeldern betreffen, oft von der Rechtshilfe und dem Verfahrensgang im Ursprungsland abhängig. Ziehen sich dort die Ermittlungen in die Länge, kann es zur Verjährung kommen. Dies war zum Beispiel bei einem Teil der Verfahren der Fall, die den Bestechungsskandal beim UN-Hilfsprogramm Oil-for-Food für den Irak unter dem Regime von Saddam Hussein betrafen. Eine teilweise Verfahrenseinstellung wegen Verjährung steht auch beim Geldwäschereiverfahren der Bundesanwaltschaft im Fall des Zusammenbruchs des italienischen Parmalat-Konzerns bevor.
Ermittlungen über Schmiergelder von Waffenkonzern eingestellt
Dank der Behinderung der italienischen Justiz stehen die Aussichten für Silvio Berlusconi gut, dass 118 Millionen Dollar, die seit 2005 auf Tessiner Konten seiner Geschäftspartner blockiert sind, wieder freigegeben werden müssen. Keine ausreichenden Beweise für die ausländische Vortat zur Geldwäscherei fand die Bundesanwaltschaft bei den mutmasslichen schwarzen Kassen des britischen Rüstungskonzerns BAE Systems. Drei Verfahren, die auch international für Furore sorgten, wurden sang- und klanglos eingestellt, wie kürzlich bekannt wurde. Die Bundesanwaltschaft verwies dabei auch auf die hohen Hürden der Rechtsprechung des Bundesgerichts in solchen Fällen.
Tipp aus der Schweiz löste Siemens-Skandal aus
Zum Fall Alstom will die Bundesanwaltschaft mit Rücksicht auf den laufenden Prozess in Bellinzona zurzeit keine Angaben machen. Aus früheren Stellungnahmen ist aber bekannt, dass neben dem Fall Holenweger zwei weitere Verfahren wegen Bestechung ausländischer Amtsträger und Geldwäscherei im Gang sind. Die Schweizer Verfahren zielen oft auch auf die Einziehung von Bestechungsgeldern ab. Dies trifft zum Beispiel auf den Fall Siemens zu, wo in der Schweiz mehr als 100 Millionen Franken eingefroren wurden. Der Bestechungsskandal beim deutschen Grosskonzern wurde übrigens dank Hinweisen aus der Schweiz über die schwarzen Kassen ausgelöst.
Seit den grossen Korruptionsaffären in den Nachbarländern – CDU-Parteispendenaffäre in Deutschland, Mani-Pulite in Italien und Elf Aquitaine in Frankreich – hat die Schweiz ihr Abwehrdispositiv gegen die Korruption kontinuierlich ausgebaut. Die Zeiten, als Firmen Bestechungsgelder als Betriebsaufwand von den Steuern abziehen konnten, sind längst vorbei. Seit 2006 ist auch die passive Bestechung ausländischer Beamter und die Bestechung von Privatpersonen strafbar.
Schmiergelder von US-Ölkonzernen helfen Kindern in Kasachstan
Eine eigentliche Pionierrolle spielt die Schweiz auf internationaler Ebene bei der Rückgabe von Korruptionsgeldern. So werden zum Beispiel in Kasachstan Projekte für Kinder aus den ärmsten Bevölkerungsschichten mit Mitteln unterstützt, die 1999 als Bestechungsgelder amerikanischer Ölkonzerne in der Schweiz beschlagnahmt worden waren. Die Schweiz organisiert auch Expertentreffen und engagiert sich in internationalen Gremien dafür, dass zurückfliessende Korruptionsgelder nicht versickern, sondern wirklich der betroffenen Bevölkerung zu Gute kommen.
Lücke bei Korruption in Sportverbänden
Die Vorwürfe an den Weltfussballverband FIFA haben gezeigt, dass es bei der Verfolgung der Korruption bei Sportverbänden eine Lücke gibt. Dazu sind mehrere Vorstösse im Parlament hängig. Der Bundesrat hat für Ende 2011 einen Bericht versprochen. Das Problem besteht unter anderem darin, dass die Bestechung von Privatpersonen nicht im Straf-, sondern im Wettbewerbsrecht geregelt ist und nur auf Antrag verfolgt wird.